Wie bewerten sie den Vorschlag, impfunwilligen Bürgern als Alternative zur Impfung eine Patientenverfügung anzubieten, dass sie bei einer Corona-Infektion nicht im Krankenhaus behandelt werden wollen?

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Zaklin Nastić
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Frage von Achim G. •

Wie bewerten sie den Vorschlag, impfunwilligen Bürgern als Alternative zur Impfung eine Patientenverfügung anzubieten, dass sie bei einer Corona-Infektion nicht im Krankenhaus behandelt werden wollen?

Die Überlastung der Krankenhäuser mit corona-erkrankten Bürgern droht in Deutschland vor allem durch noch 3 Millionen ungeimpfte über 60jährige. Wenn diese sich trotz ausreichender Informationen nicht impfen lassen, kann die Solidargemeinschaft die Überlastung der Krankenhäuser auch vermeiden, indem sie von diesen unsolidarischen Bürgern als Alternative zur Impfung eine Patientenverfügung fordert, dass sie im Fall einer Corona-Erkrankung nicht im Krankenhaus behandelt werden wollen. So kommen wir davon weg, dass die Uneinsichtigkeit einer vergleichsweise kleinen Gruppe zu Einschränkungen für alle führt und wir Leute mit Maßnahmen vor einer Erkrankung schützen, die die Geschützten selbst ablehnen. Dummes und ungesundes Verhalten und ein selbstbestimmtes Sterben erlauben wir unseren Bürgern auch in anderen Situationen.
Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag?

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Sehr geehrter Herr G.

Kurzum: Ich halte ihren Vorschlag für höchst unsolidarisch. Die Überlastung der Krankenhäuser droht in Deutschland vor allem durch eine politisch gewollte, selbst in der Pandemie fortschreitende Ökonomisierung des Gesundheitssystems. Die Pandemie offenbart dabei nur die inhärenten Probleme eines Systems zwischen Gewinninteressen auf der einen und einem überbordenden Sparzwang auf der anderen Seite. Ich stolpere also ein wenig darüber, in welchem Zusammenhang Sie von Solidarität sprechen. Die „vergleichsweise kleine Gruppe“ als Pandemietreiber zu identifizieren, ist spätestens seit der Dominanz der Omikron-Variante hierzulande in der Sache falsch.

Österreich hat unlängst die beschlossene allgemeine Impfpflicht unter Betrachtung der milderen Krankheitsverläufe unter Omikron ausgesetzt. Die dortige Regierung folgte einer Expertenkommission, angesichts der nun dominanten Variante sei eine allgemeine Impfpflicht nicht mehr verhältnismäßig.

Zudem haben Menschen unterschiedliche Gründe, sich nicht impfen zu lassen. Sie alle über einen Kamm zu scheren und als „unsolidarisch“ zu bezeichnen, wird dieser Vielfältigkeit nicht gerecht. Hinzukommt, dass ich eine Impfpflicht in diesem Fall – auch eine durch die Hintertür eingeführte – nicht für angemessen halte. Das gilt auch, weil die Impfstoffe nicht lang anhaltend schützen und auch Geimpfte das Virus übertragen können.

Wer „Solidargemeinschaft“ als Herrschaftsinstrument einer sich potenziell in jeder Frage anders gearteten Mehrheit betrachtet, erlebt bei eigener Abweichung in späterer Frage sein böses Erwachen.

Mit freundlichen Grüßen

Zaklin Nastic

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