Frage an Anne Helm von Lisa F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Helm,
ich fände es spannend zu erfahren, wie Sie planen, eine Verbesserung der Lebenssituation der in Neukölln lebenden Roma voranzutreiben. Die Lebensverhältnisse vieler zugewanderter Romafamilien (zu geringer Wohnraum, schlechte finanzielle und gesundheitliche Situation usw.) war in den vergangegen Monaten immmer wieder Thema in den verschiedenen Medien.
Wie sehen Sie den Umgang der Medien mit dem Thema und welche Handlungsschritte halten Sie für eine Verbesserung der Lebenssituation der Roma im Stadtteil für erforderlich?
Mit freundlichen Grüßen,
L.F.
Sehr geehrte Frau Fleischmann,
Sie sprechen ein ernstzunehmendes Problem an. Dass viele Familien keine Niederlassungsfreiheit haben, obwohl sie EU-Bürger sind, halte ich für einen der Gründe dafür. Für die Sinti und Roma aus Nicht-EU-Staaten empfinde ich die Kettenduldungen über Jahrzehnte als untragbar, da sie die Familien vom Arbeits- und Wohnungsmarkt ausschließen. Die sogenannte „Rückkehrhilfe“ des Senats, der den Familien Geld bietet um sie loszuwerden, halte ich für sehr kurzsichtig.
Um den Familien, von denen Sie sprechen, den Zugang zur Gesellschaft zu ermöglichen müssen vor allem Sprachbarrieren abgebaut werden. Damit Kinder nicht standardmäßig an den Sonderschulen landen, halte ich die neuen Sprachkurse und die Einstellung von speziell geschulten Lehrern für einen wichtigen Schritt. Allerdings werden die bisherigen Kräfte in Zukunft wohl nicht mehr reichen.
Um der mangelhaften gesundheitlichen Versorgung und -Wohnraumsituation entgegenzuwirken brauchen wir unabhängige Hilfsangebote für die Betroffenen. Ich habe den Eindruck, dass viele Zuwanderer (speziell die Sinti und Roma aus Osteuropa) den staatlichen Behörden misstrauen, oder schlicht keinen Zugang zu ihnen finden. In Neukölln gibt es viele anagierte Menschen mit guten Ideen. Bereits jetzt wird vieles (z.B. Alphabetisierungskurse, Kurse für den Jobeinstieg als Haushaltshilfe) von Mitarbeitern der Quartiersmanagements und von freien Trägern geschultert. Diese brauchen dringend einen besseren Rückhalt von Bezirk und Senat. Gerade in diesem Zusammenhang halte ich die massiven Kürzungen im Jugendsektor für einen fatalen Fehler. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie weit der Bezirk die Angebote in Zukunft noch verbessern kann. Ich hoffe dass auch auf Landesebene langfristige Konzepte entwickelt werden und sich die Bezirke in Zukunft nicht gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Der Umgang der Medien mit diesem Thema ist sicherlich sehr unterschiedlich zu bewerten. Spielen Sie auf die sehr klischeebehaftete Darstellung einiger Boulevardblätter an? Diese haben mich sehr schockiert. Zumal man in der ganzen Diskussion nicht vergessen darf, dass viele Sinti und Roma auch vor Diskriminierung und Verdrängung aus der Gesellschaft in ihren Heimatländern fliehen. Manche Medien (aber auch Politiker) scheinen nicht zu begreifen, dass Freizügigkeit und Grenzenabbau eines der erstrebten Ziele von Europa, und nicht ein unangenehmer Nebeneffekt ist.
Liebe Grüße,
Anne Helm