Frage an Arnold Vaatz von Peter S. bezüglich Recht
Betr. Rehabilitierungen SED Unrecht
Sehr geehrter Herr Vaatz,
meine Schwester war in einem Jugendwerkof und hat nun eine Reilrehabilitierung durch ein Landgericht erhalten. Allderdings werden nur die exakten Zeiten des Jugendwerkhofs berücksichtig. Die Zeit von der Abholung am Beschlusstage von zuhause in ein Durchgangs- bzw. Übergangsheim wird grundsätzlich weder berücksichtigt noch vom Gericht erklärt. Einige Insassen wurden -auch entgegen dem DDR Recht- recht lange dort schmoren gelassen, meine Schwester mehrere Monate. Wird hier des StrRehag nicht nach einer Till Eulenspiegel Logik angewendet? Da wäre ja, als wenn ehem. pol. Häftlinge zwar ihre Haftzeiten, nicht aber die Untersuchungshaftzeiten anberechnet bekämen ... Eine Recherche zeigte, dass alle Gerichte so urteilen. Ein Durchgangsheim im Auftrag der Jugenwerkhofsgesetzgebung war doch kein Urlaubsheim. Ganz im Gegenteil. Besuch und Ausgang waren nicht vorgesehen. Jeder Betroffene, der dies hochrichterlich klären lassen will, müsste nun gegen den Beschluss Beschwerde usw. bis zum BGH bzw. BVerfG gegehen. Nach der langen Wartezeit wollen die Betroffenen aber nun das Geld bekommen; ein länger weiterer Rechtsweg hemmt aber die Rechtskraft der Beschlüsse und dauert teils mehrere Jahre. In einem konkreten Fall bis zum BVerfG sehe ich eine Reha Verfahrensdauer von 6 Jahren ... Dazu kommt dann der behördliche Gang, der ganz schnell wieder 1 Jahr und mehr dauert ...
Mit freundlichen Grüßen,
Peter Schreiber
Sehr geehrter Herr Schreiber,
grundsätzlich können ehemalige Insassen von Kinderheimen und Jugendwerkhöfen der DDR rehabilitiert werden und damit Leistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) erhalten. Das Gesetz unterscheidet dabei nicht, um welche Art von Heim es sich handelt. Durchgangs- bzw. Übergangsheime werden von der Rehabilitierungszeit nach § 2 des StrRehaG nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Auf Antrag der Betroffenen prüfen die Gerichte auf der Grundlage des § 2 StrRehaG vielmehr inhaltlich in jedem Einzelfall, ob und inwieweit die Einweisung in Heime oder Jugendwerkhöfe der DDR durch eine staatliche Stelle mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar war, insbesondere, ob sie der politischen Verfolgung oder sonstigen sachfremden Zwecken diente oder ob sie im groben Missverhältnis zu ihrem Anlass stand.
Eine Ausnahme von den Einzelfallprüfungen gilt jedoch für alle Einweisungen in den Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau. Das Kammergericht Berlin hat am 15. Dezember 2004 entschieden, dass dorthin eingewiesene Jugendliche grundsätzlich nach dem StrRehaG zu rehabilitieren sind, weil die Einweisung nach Torgau unabhängig von ihren Gründen regelmäßig mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar waren und die dortige Unterbringung ein Leben unter haftähnlichen Bedingungen war. Über entsprechende Rehabilitierungsanträge entscheidet in erster Instanz ausschließlich das Landgericht Berlin.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Auskünften geholfen zu haben.
Mit freundlichem Gruß
Arnold Vaatz