Frage an Beate Müller-Gemmeke

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Beate Müller-Gemmeke
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Ernst V. •

Frage an Beate Müller-Gemmeke von Ernst V.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Müller-Gemmeke,

wie haben Sie abgestimmt?
Und warum so?
Für Ihre Antowrt vielen Dank im voraus.

Mit freundlichen Grüßen

Ernst Veitinger

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Veitinger,

entschuldigen Sie bitte, dass ich heute erst antworte.
Bei der Abstimmung über das Verhandlungsmandat für die Griechenland-Finanzhilfen habe ich mich enthalten. Diese Enthaltung war wohlüberlegt und meinte „Ja – aber nicht so“.

Meine Haltung ist eindeutig: Es sollten Verhandlungen geführt werden, denn ich möchte keinen Staatsbankrott Griechenlands mit all seinen sozialen Folgen für die Bevölkerung und Milliardenkosten für die Gläubiger. Zudem würde ein Grexit in Griechenland das mir wichtige gemeinsame Europa gefährden. Deshalb konnte ich nicht mit „Nein“ stimmen. Gleichzeitig habe ich aber der Ausgestaltung des Verhandlungsmandats auch nicht zustimmen können. In dieser Situation bleibt also nur eine Enthaltung. Gleichzeitig haben wir Grünen ein eigenes Verhandlungsmandat zur Abstimmung gestellt, das konkrete Maßnahmen vorsieht, die Griechenland tatsächlich aus der Krise führen könnten. Bei dem grünen Verhandlungsmandat habe ich mit „Ja“ gestimmt.

Die Gründe, warum ich der Ausgestaltung des Verhandlungsmandats nicht zustimmen konnte sind vielfältig. Die Bundesregierung setzt unbeirrt auf eine harte Sparpolitik und suggeriert, Griechenland müsste endlich „seine Hausaufgaben“ machen. Tatsächlich hat Griechenland in den letzten Jahren, empirisch nachprüfbar, mehr gespart als alle anderen europäischen Länder. Die Renten und Löhne wurden dramatisch gekürzt. Das Leben wurde durch Steuererhöhungen erheblich teurer. Entstanden sind Armut und hohe Arbeitslosigkeit, gerade bei jungen Menschen. Das Gesundheitssystem kollabiert und viele Griechen haben gar keine Krankenversicherung. Eine Grundsicherung aber gibt es nicht. Die Menschen leben häufig von der kleinen Rente der Großeltern. In der Folge ist die Wirtschaft geschrumpft und die Staatseinnahmen gesunken. Die Strategie, durch fünf Runden Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen die griechischen Schulden zu senken, ist gescheitert.

Mit dem neuen Verhandlungsmandat fordert die Bundesregierung jetzt erneut die Wiederholung alter Fehler: starke Rentenkürzungen, weitere Steuererhöhungen, die automatische Kürzung von Ausgaben, wenn Einnahmeziele nicht erreicht werden. Das alles wird die Wirtschaft in Griechenland noch tiefer in die Rezession treiben. Die Hauptleidtragenden der Krise sind die Menschen in Griechenland. Deshalb kann ich diese Austeritätspolitik nicht unterstützen. Zudem wurde die Vereinbarung mit Griechenland unter einem immensen Druck verhandelt. Denn Griechenland hatte als Alternative dazu nur den von Minister Schäuble geforderten Grexit. Dazu passt, dass das griechische Parlament zukünftig keine eigenen Entscheidungen mehr treffen kann, ohne vorher die Institutionen konsultiert zu haben. Das ist ein inakzeptabler Eingriff in die staatliche Souveränität Griechenlands.

In unserem eigenen Verhandlungsmandat hatten wir hingegen Inhalte für das 3. Hilfspaket formuliert, denen ich zustimmen konnte: Die aktuellen Empfehlungen des IWF zur Sicherung der Schuldentragfähigkeit Griechenlands sollten Berücksichtigung finden. Mindestens eine verbindliche Vereinbarung über die erforderliche Verlängerung der Stundungs- und Rückzahlungszeiträume für bestehende und neue Kredite wäre notwendig, um das Entstehen einer Abwärtsspirale zu verhindern, die den Schuldenberg aufgrund des Schuldendienstes immer weiter erhöhen würde. Darüber hinaus sind gerechte und sinnvolle Strukturreformen, Zukunftsinvestitionen im Sinne eines Green New Deal und sozial gerechte Haushaltskonsolidierung mit einer Stärkung der Einnahmeseite durch ein gerechtes Steuersystem notwendig. Griechenland braucht Investitionen in die Zukunft, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen. Die Unabhängigkeit der Steuerverwaltung und Wettbewerbsbehörde muss gestärkt, Steuerprivilegien abgeschafft und Steuerflucht sowie Korruption bekämpft werden. Große Vermögen und große Einkommen müssen an der Finanzierung der Gemeinwesen im erforderlichen Umfang beteiligt werden.

Im Übrigen habe ich mich schlussendlich bei der Abstimmung über die Finanzhilfe Mitte August ebenfalls enthalten und zwar mit der gleichen Begründung. „Ja“ – ich möchte Griechenland weiterhin unterstützen, „aber nicht so“.

Mit freundlichen Grüßen

Beate Müller-Gemmeke

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