Frage an Bernd Lange bezüglich Wirtschaft

Bernd Lange
Bernd Lange
SPD
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Frage von Erich-Günter K. •

Frage an Bernd Lange von Erich-Günter K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Lange,

Als EU-Bürger hätte ich zum Start der Gespräche über ein EU-US-Freihandelsabkommen diese ersten Fragen:

1. Gemeinsame Ziele (aus dem Mandatsentwurf des EU-Rates): „The preamble will recall that the partnership with the United States is based on COMMON PRINCIPLES AND VALUES” - auf welchen Prinzipien und Werten genau? (...)

2. Weiter im Entwurf: It will refer, inter alia, to: SHARED VALUES IN SUCH AREAS AS HUMAN RIGHTS, FUNDAMENTAL FREEDOMS, DEMOCRACY AND THE RULE OF LAW. Da Werte im Prinzip nicht verhandelbar sind, sollte zumindest Klarheit darüber herrschen, welche Rechtsnorm im Streitfall Anwendung findet – EU-oder US-Recht? Bekanntlich unterscheidet sich kontinentaleuropäisches und angelsächsisches US/GB-Recht ganz erheblich z.B. Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern und den Unternehmen.

3. Darstellung unterschiedlicher Positionen zu Kernaufgaben des Staates (Daseinsvorsorge), die -ja/nein- an Privatfirmen vergeben werden können: Öffentliche Verwaltung (s. Arvato in GB, innere und äußere Sicherheit, Nachrichtendienst(s. Booz Allen Hamilton)

4. Verhandlungsdelegationen – Aufgaben, Personen, sind externe Beratungsfirmen und -anwälte involviert?

5. Verhandlungsphasen: sind Sondierung und Vorgespräche abgeschlossen, ist der Rahmen abgesteckt?

6. Verhandlungsfelder – welche Bereiche sind ausgenommen (z.B. Rüstung, Agrar/Ernährung, Forschung, Bildung, Gesundheit, sind bei den vereinbarten Ausnahmen im Sektor „Audio-Visuelles“ auch Bühnen, Theater, Orchester, Tanz mit dabei? Und gelten Sparkassen, Genossenschaften und Körperschaften öffentlichen Rechtes als wettbewerbskonform?)

7. Dilemma: relativ einmütiges Vortragen und Auftreten der USA/GB-Vertreter bei Zielen, Interessen, Positionen. Dagegen schwächere Position der Kontinental-EU-Verhandler bei ungleich höherem Abstimmungsaufwand (27-EU-Staaten) zur Mandatsgestaltung. Wie soll das gehen?

8. Dauer und Kosten des Verhandlungsprojektes

Vielen Dank und
freundlich grüßt
EGK

Bernd Lange
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kerschke,

Ihre Fragen beantworte ich gerne:

Zu 1. In der Regel nimmt die Präambel eines EU-Freihandelsabkommens Bezug auf den Rechtsrahmen der WTO, die Charta der Vereinten Nationen sowie die UN-Menschenrechtscharta, auf generelle Nachhaltigkeitsprinzipien und auf Transparenzanforderungen bei der Umsetzung des Abkommens. Das Handelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru enthält zudem eine Menschenrechtsklausel sowie Bestimmungen zur Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen.

Der genaue Inhalt/Wortlaut der Präambel ist Ergebnis der Handelsverhandlungen.

Zu 2. Ein Verstoß gegen die Menschenrechtsklausel oder gegen die Bestimmungen zur Verbreitung von Massenvernichtungswaffen ermöglicht die einseitige Außerkraftsetzung des Abkommens. Zudem enthält ein Abkommen in der Regel einen verbindlichen Streitbeilegungs- und Sanktionsmechanismus im Bezug auf die wirtschaftlichen und handelstechnischen Bestimmungen des Abkommens. Dieser Mechanismus legt das Verfahren für die Behandlung von Handelskonflikten unter dem Abkommen fest. Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament stellen darüber hinaus seit langem die Forderung, den verbindlichen Streitbeilegungsmechanismus und die Möglichkeit von Handelssanktionen nicht nur bei Verstößen gegen die wirtschaftlichen Bestimmungen des Abkommens, sondern auch bei Verstößen gegen die Nachhaltigkeitsbestimmungen des Abkommens (z.B. Gewerkschaftsrechte und Umweltstandards) anzuwenden.

Zu 3. Ein umfassendes Positionspapier der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament finden Sie auf meiner Homepage unter dem folgenden Link:

http://www.bernd-lange.de/imperia/md/content/bezirkhannover/berndlange/europa-info/sd_inta_policy_paper_ttip_de.pdf

Diese Position wird die Messlatte dafür sein, ob die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament dem Abkommen am Ende zustimmen werden oder nicht.

Zudem geben mehrere Pressemitteilungen die Position der Sozialdemokraten zum geplanten Handelsabkommen mit den USA wieder, u.a.:

http://www.bernd-lange.de/aktuell/nachrichten/2013/363343.php?y=&m=&tid=&page=1
http://www.bernd-lange.de/aktuell/nachrichten/2013/363486.php
http://www.bernd-lange.de/aktuell/nachrichten/2013/363489.php

Zu 4. Die Verhandlungen werden auf Seite der EU von der Europäischen Kommission (Generaldirektion Handel in Koordinierung mit weiteren relevanten Generaldirektionen) geführt, auf Basis des von den EU-Mitgliedstaaten verabschiedeten Verhandlungsmandats. Dem vorausgegangen sind öffentliche Konsultationen mit Interessengruppen. Zudem sind regelmäßige Treffen zwischen der Europäischen Kommission und Vertretern der Zivilgesellschaft geplant.

Das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten werden regelmäßig über den Verhandlungsstand unterrichtet werden.

Informationen von der Europäischen Kommission dazu finden Sie unter den folgenden Links:

http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/june/tradoc_151381.pdf
http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/

Zu 5. Verhandlungsphasen: sind Sondierung und Vorgespräche abgeschlossen, ist der Rahmen abgesteckt?

Die erste Verhandlungsrunde beginnt am 8. Juli 2013 in Washington. Die weiteren Verhandlungsphasen sowie Verfahrensfragen, Terminplanung und die inhaltliche Aufteilung der Verhandlungen werden von den Verhandlungspartnern festgelegt.

Zum endgültigen Inkrafttreten des Abkommens bedarf es neben der Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten auch der Zustimmung des Europäischen Parlaments.

Zu 6. Audiovisuelle Dienste sind laut dem vom EU-Ministerrat am 14. Juni 2013 verabschiedeten Verhandlungsmandats nicht Bestandteil der Verhandlungen. Unter audiovisuelle Dienstleistungen fallen alle audiovisuellen Medien (Aufzeichnungen, Übertragungen, Streams, Filme etc.), die unter einer redaktionellen Verantwortung entstanden sind und für die allgemeine Öffentlichkeit gedacht sind.

Die Europäische Kommission hat zudem erklärt, dass auch Datenschutzbestimmungen nicht Teil der Verhandlungen sein werden.

Zu 7. Das Verhandlungsmandat der EU wurde von allen EU-Mitgliedstaaten einstimmig verabschiedet. Auch wenn dieser Entscheidung intensive Verhandlungen und Debatten zwischen den EU-Mitgliedstaaten vorausgingen, ist der Europäischen Kommission damit nun ein klarer inhaltlicher Rahmen für die Verhandlungen gesetzt, innerhalb dessen sie mit der US-amerikanischen Seite verhandeln kann.

Zu 8. Die Dauer der Verhandlungen hängt von ihrer Entwicklung ab. Informationen zu den Kosten der Verhandlungen selbst sind mir nicht bekannt.

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Lange

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