Frage an Bettina Hagedorn bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

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Bettina Hagedorn
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Frage von Andreas P. •

Frage an Bettina Hagedorn von Andreas P. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Warum haben Sie für eine Verlängerung der betäubungslosen Ferkel-Kastration gestimmt?

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Sehr geehrter Herr P.,

Vielen Dank für Ihre Frage vom 19. Dezember 2018 auf abgeordnetenwatch.de zum wichtigen und konfliktreichen Thema der betäubungslosen Ferkel-Kastration. Ja, ich habe am 29. November 2018 in namentlicher Abstimmung im Bundestag – gemäß der Verständigung in den Fraktionen der Großen Koalition – schweren Herzens für die Änderung des Tierschutzgesetzes und damit auch für eine Verlängerung der betäubungslosen Ferkel-Kastration gestimmt. Ich verstehe gut, dass diese Zustimmung öffentlich erläutert werden muss, weil das Tierschutzgesetz ja seit 2013 zwingend vorsah, dass genau diese betäubungslose Ferkelkastration ab 1. Januar 2019 verboten sein sollte. Die jetzige Fristverlängerung ist also quasi ein „Bruch“ des 2013 beschlossenen Tierschutzgesetzes.

Seit dem Jahr 2013 war allen deutschen Schweinehaltern klar, dass die Praxis der betäubungslosen Ferkelkastration bei Tieren, die unter 8 Tage alt sind, mit Ende des Jahres 2018 verboten ist. Bei ordnungsgemäßer Umsetzung des Tierschutzgesetzes hätte spätestens mit dem Bericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vor zwei Jahren der Startschuss für die praxistaugliche Entwicklung einer Alternative – am meisten diskutiert werden hierbei Eber-Mast, Impfung und Kastration unter Vollnarkose – fallen müssen. Klar ist: das CSU-geführte Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat trotz 5jähriger „Übergangszeit“ seit 2013 die Zeit NICHT genutzt, um gemeinsam mit betroffenen Verbänden, Einzelhändlern und Schlachtereien diese Entwicklung von Alternativen in der Praxis hinreichend zu erproben und hat damit eine gesetzeskonforme Regelung offenbar bewusst verschleppt.

Stattdessen haben diese Beteiligten auf den sogenannten „vierten Weg“ gesetzt, der eine Veränderung des Schmerzbegriffes im Tierschutzgesetz vorsah. Das allerdings haben wir in der SPD zum Wohle der Tiere NICHT mitgemacht und werden wir auch künftig verhindern!

Das Landwirtschaftsministerium ist seit 2005 fest in der Hand der CSU: Horst Seehofer bis 2008, Ilse Aigner bis 2013, Hans-Peter Friedrich bis 2014 und Christian Schmidt bis 2018 haben es zu verantworten, dass bis Ende 2018 keine praxistauglichen Methoden, die gleichzeitig konform im Sinne des bestehenden Tierschutzgesetzes gewesen wären, erprobt und reell – auch von kleinen und mittleren Betrieben ohne Gefährdung ihrer Existenz – einsetzbar gewesen wären. Somit mussten wir Sozialdemokraten in der Debatte um eine erneute Verlängerung der Frist um maximal zwei Jahre auch diese Tatsachen bei unserer Entscheidung berücksichtigen. Denn bei fehlenden Zustimmung zu dieser Fristverlängerung durch uns wäre die Konsequenz de facto gewesen, dass ab 2019 Millionen Ferkel in anderen europäischen Ländern OHNE Betäubung und Schmerzausschaltung kastriert worden wären, um dann als „Importgut“ über Tausende Kilometer nach Deutschland transportiert zu werden (Grund: es existiert in der EU leider (!) noch kein einheitliches Tierschutzrecht). DAS aber wollten wir nicht, das wollte auch ich nicht, und darum habe ich bei der Abstimmung am 29. November 2018 zusammen mit 38 weiteren Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion mein Abstimmungsverhalten in einer persönlichen Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung (GO) des Bundestages schriftlich zu Protokoll gegeben – diese Erklärung können Sie auf meiner Homepage nachlesen: www.bettina-hagedorn.de/dl/2018_11_29_GO-Erkl__rung_Abstimmung_Ferkelkastration.pdf

Wir wollen die Standards für unsere Lebensmittelerzeugung selbst setzen. Deshalb haben wir der Verlängerung der Übergangsfrist zugestimmt und rechtssicher festgelegt, dass spätestens am 31. Dezember 2020 endgültig Schluss mit der betäubungslosen Ferkelkastration ist und Alternativen flächendeckend zur Verfügung stehen müssen. Das erreichen wir mit den folgenden Maßnahmen:

• Wir haben das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Gesetz dazu verpflichtet, bis zum 30. Mai 2019 endlich die Verordnung über die Sachkunde und die Anwendung von alternativen Methoden zur Ferkelkastration vorzulegen.
• Wir sorgen dafür, dass der hohe Tierschutzstandard von Neuland (Betäubung mittels Masken) zukünftig bundesweit als praxistaugliche Alternative zur Verfügung steht.
• Wir werden eine Informationskampagne durchführen, damit auch andere Alternativen wie die Ebermast oder Impfung (Immunokastration) eine realistische Chance am Markt bekommen.
• Wir werden die Ferkelzüchtenden bei der Einführung der neuen Betäubungsmethoden unterstützen. Durch eine Informationskampagne und ein Förderprogramm zur Unterstützung bei der Anschaffung der Narkosegeräte werden wir vor allem kleine und mittlere Betriebe unterstützen.

Bei diesem Vorgehen werden wir von Verbänden wie zum Beispiel der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ unterstützt. Diese setzt sich seit Jahren für einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft ein und organisiert alljährlich mit den Umweltverbänden die Großdemonstration „Wir haben es satt“.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Bettina Hagedorn

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