Muss die Impfpflicht kommen, damit die für Deutschland mit Abnahmeverpflichtung bestellten 660 Millionen Impfstoffdosen nicht zum Großteil im Müll landen? Wer ist für die Verschwendung verantwortlich?

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Bettina Hagedorn
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Frage von Peter S. •

Muss die Impfpflicht kommen, damit die für Deutschland mit Abnahmeverpflichtung bestellten 660 Millionen Impfstoffdosen nicht zum Großteil im Müll landen? Wer ist für die Verschwendung verantwortlich?

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Sehr geehrter Herr S.,

ich beantworte Ihnen Ihre Frage gerne, obwohl Sie darin zwei Aspekte der Corona-Pandemie miteinander vermischen, die absolut nichts miteinander zu tun haben: die aktuelle Debatte um die mögliche Einführung der Allgemeinen Impfplicht in Deutschland einerseits und unsere internationale Verantwortung für die Bekämpfung der Pandemie speziell in ärmeren und unterentwickelten Ländern andererseits. Um es klar vorweg zu sagen: es gibt keine „Verschwendung“ von Impfdosen in diesem Zusammenhang und die Beschlüsse zum deutschen internationalen Engagement (im Rahmen der europäischen COVAX-Initiative) sind ausnahmslos durch Beschlüsse des Deutschen Bundestages gedeckt und seit weit über einem Jahr im Bundeshaushalt verankert.

Einer großen Mehrheit im Deutschen Bundestag ist seit langem klar, dass diese jetzt seit 2 Jahren andauernde Pandemie NUR weltweit erfolgreich bekämpft werden kann. Immer neue Mutationen des Virus werden sich auch künftig in denjenigen Ländern entwickeln und verbreiten, deren Gesundheitssysteme unterwickelt sind und deren finanzielle Kapazitäten für flächendeckende Impfkampagnen nicht ausreichen. Angesichts der Reiselust gerade der Deutschen in ferne Länder werden diese Mutanten stets sehr schnell ihren Weg nach Europa und Deutschland finden und uns als Gesellschaft vor neue, ungeahnte Herausforderungen stellen. Insofern gebietet ist nicht nur die Humanität und globale Verantwortung, sondern auch die nationale Vernunft, die Pandemie nicht nur in Deutschland zu bekämpfen, sondern weltweit, denn dieses Virus macht NICHT an Grenzen halt.

Die globale Initiative „COVAX“ ist ein Zusammenschluss von 190 Ländern, Impfstoffherstellern und internationalen Organisationen wie der WHO und der Impfallianz GAVI, die allen Menschen weltweit Covid-19-Impfstoffe zugänglich machen will (insbesondere in Ländern mit sehr niedriger oder mittlerer Wirtschaftskraft). Dabei geht es nicht nur darum, dass ausreichend Impfstoff beschafft wird, sondern auch darum, bei Transport, Logistik, fairer Verteilung und kompetenter Impfvorbereitung vor Ort organisatorisch als Gemeinschaft zu unterstützen.  Bereits vor über einem Jahr - anlässlich des G7-Gipfels am 19. Februar 2021 - kündigte etwa die EU an, ihre Unterstützung für COVAX auf 1 Milliarde Euro aufzustocken, nachdem sie zunächst 500 Millionen Euro zugesagt hatte. Die damalige Kanzlerin Angela Merkel kündigte bei diesem Gipfeltreffen für Deutschland zusätzliche 980 Millionen Euro für COVAX an und erhöhte diese Summe am 22. Mai 2021 um weitere 100 Millionen Euro. Mit einem Gesamtbeitrag von fast 2,2 Milliarden Euro zählt Deutschland damit zu den größten Unterstützern der Initiative, worauf die große Mehrheit der Bundestagsabgeordneten durchaus stolz ist, da wir mit unserem Beitrag Millionen Menschen in den ärmsten Ländern helfen und es vollkommen klar ist, dass wir die Pandemie nur dann erfolgreich (auch in Deutschland!) bekämpfen können, wenn uns dieser Erfolg auch weltweit gelingt. 

Bedenken Sie:  jede(r) Gesundheitshelfer(in), die selbst durch Impfung vor dem Virus geschützt ist, kann die Versorgung von unzähligen Kindern und Patienten sicherstellen – und geimpftes Lehrpersonal kann überall Kindern und Jugendlichen wieder geregelten Unterricht und damit den so wichtigen Zugang zu Bildung ermöglichen. Für diese weltweite Initiative werden zahllose Helfer*innen geschult, Lieferwege und Kühlketten verlässlich überprüft und ausgebaut und Expert*innen unterstützen regionale Behörden dabei, die Verteilung der Vakzine zu planen und sicher zu gewährleisten.

Über die Einführung einer möglichen allgemeinen Impfpflicht in Deutschland für alle Erwachsenen entscheidet der Bundestag in freier Abstimmung (Gewissensentscheidung ohne Fraktionsdisziplin) vermutlich im März - am 26. Januar haben wir im Deutschen Bundestag dazu in einer ersten dreistündigen „Orientierungsdebatte“ das Pro und Kontra sachlich und fair diskutiert. Die Debatte können Sie in der Mediathek des Bundestages anschauen – es lohnt sich! Fakt ist: wenn sich bei uns ab Sommer 2021 – als genug wirksamer Impfstoff für alle Menschen in Deutschland bereit stand - deutlich mehr Menschen freiwillig hätten impfen lassen, dann müssten wir aktuell nicht über eine Impfpflicht mit solch einer Dringlichkeit zum Schutz der vulnerablen Gruppen diskutieren, aber die Impfquote ist bei uns in Deutschland leider immer noch viel zu niedrig. Meine persönliche Meinung zur Impfpflicht können Sie seit dem 27. Januar auf meiner Homepage ausführlich und differenziert nachlesen: ich bin – ab 18 Jahren – dafür.

Mit freundlichen Grüßen

Bettina Hagedorn 

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