Frage an Britta Haßelmann bezüglich Gesundheit

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Britta Haßelmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Thomas M. •

Frage an Britta Haßelmann von Thomas M. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Haßelmann,
in 18 europäischen Ländern gibt es bei der Organspende das Gesetz der Widerspruchslösung : Jeder ist Spender & wer nicht spenden will, kann widersprechen. In Deutschland gilt die Entscheidung & hier sterben bei der momentanen Gesetzeslage jedes Jahr über 1000 Menschen die auf der Warteliste stehen. Man wartetet in Deutschland z.B. auf eine Niere 7- 10 Jahre & in Spanien oder Österreich dagegen nur 1 Jahr, weil es dort die Widerspruchslösung gibt !
Ich fühle mich als Betroffener in Deutschland benachteiligt - gegenüber den Ländern mit Widerspruchslösung !
Was sagen sie zur Widerspruchslösung ?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Müller,
es ist an der Zeit, die Diskrepanz zwischen der Bereitschaft zur Organspende und den immer noch zu wenigen Spenden zu verringern. Denn die generelle Bereitschaft in der Bevölkerung ist groß, Organe zu spenden. Doch zu wenige Menschen haben ihre Entscheidung auf einem Organspendeausweis oder in der Patientenverfügung dokumentiert.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat einen Vorschlag in die Debatte zur Organspende eingebracht. Er spricht sich für eine Widerspruchsregelung aus. Danach soll jeder und jede automatisch für eine Spende infrage kommen, solange er oder sie selbst oder die Angehörigen nicht ausdrücklich widersprechen. Diese Auffassung teile ich nicht.

Auch wenn ich der Auffassung bin, dass im Sinne wartender Betroffener endlich mehr getan werden muss.
Eine solche neue Regelung betrifft allerdings zwei Seiten: Die möglichen Empfänger*innen einer Organspende und die Spendenden. Die Interessen und die Bedenken beider Seiten müssen – auch damit eine neue Regelung die Akzeptanz der Organspende in der Bevölkerung nicht verringert – sorgfältig abgewogen sein. Die Widerspruchsregelung wäre ein zu starker Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen. Denn der Gesetzgeber würde damit eine sehr persönliche Entscheidung eines jeden einzelnen vorwegnehmen, die dann nur mit aktivem Widerspruch aufgehoben werden könnte. Hinzu kommt: Die eigene Haltung und Meinung kann sich im Laufe des Lebens ändern.
Ich bin ich der Überzeugung, dass es einen Vorschlag braucht, der dem Anspruch auf Selbstbestimmung Rechnung trägt und dennoch eine Erhöhung der Organspenden ermöglicht und so mehr schwerkranken Menschen hoffentlich helfen kann. Menschen brauchen eine niedrigschwellige Möglichkeit, aktiv ja zur Organspende zu sagen. Ich schließe mich daher dem Vorschlag von Annalena Baerbock, Katrin Göring-Eckardt und anderen an, das wiederkehrende Beantragen eines Ausweises für die Befragung zur Organspende zu nutzen.
Jeder Erwachsene muss spätestens alle zehn Jahre seinen Personalausweis oder Reisepass erneuern. Zu diesem Zeitpunkt könnte jede Frau und jeder Mann gefragt werden, ob er oder sie bereit ist, Organe zu spenden. Beantragt man einen Ausweis, erhielte man ausführliche und unabhängige Informationen zur Organspende, die Möglichkeit eines persönlichen Gesprächs oder einer Telefonberatung für weitere Fragen. Holt die Person den Ausweis ab, müsste sie sich dann damit befassen und entscheiden: Möchte sie alle oder einzelne Organe spenden, möchte sie dies explizit nicht oder aktuell darüber noch nicht entscheiden – oder wer soll im Unglücksfall darüber entscheiden? Diese Angaben werden in einem verbindlich einzurichtenden Organspendenregister zentral vermerkt. Dafür müsste das Meldegesetz geändert werden. Darüber ließe sich mehr Rechtssicherheit herstellen.
Ich bin zuversichtlich, dass sich dadurch die Zahl der Spendenden erhöhen wird und gleichzeitig die Selbstbestimmung der Menschen beachtet bleibt. Gleichzeitig braucht es aber auch im Gesundheitswesen und in den Krankenhäusern dringend strukturelle Verbesserungen, die Aufklärung, Ansprechpartner und klare Strukturen in den Krankenhäusern vorsehen.

Mit freundlichen Grüßen
Britta Haßelmann

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