Frage an Christian Schmidt von Georg P. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sie sagten der Nachrichtenagentur Reuters am 12.01.2014, an Differenzen im Agrarbereich werde das Abkommen TTIP nicht scheitern. Sie zeigten sich optimistisch, dass in den Verhandlungen mit den USA auch der Schutz regionaler Herkunftsbezeichnungen durchgesetzt werden könne. Kürzlich hatten Sie mit Äußerungen für Irritationen gesorgt. Sie waren so verstanden worden, als könnten durch TTIP in Zukunft Produkte regionaler Herkunftsbezeichnungen wie der Schwarzwälder Schinken oder Spreewaldgurken auch aus den USA kommen. Ihre aktuelle Stellungnahme erweckt den Eindruck Produkte mit regionaler Herkunftsbezeichnungen wie Schwarzwälder Schinken etc. können problemlos auch nach Inkrafttreten des TTIP geschützt bleiben. Das ist zwar keine glatte Lüge aber eine ganz heimtückische Falle, denn durch das Investitionsschutzabkommen kann ein Konzern den Markenschützenden Staat auf Ersatz des möglichen "Gewinnentgang" wegen Wettbewerbsbehinderung klagen. Und das vermutlich mit Erfolg. Den Staat, der unter dem Druck der Klage, den Markenschutz oder seinen sozialen Standard aufrecht möchte ich gerne sehen. Meine Frage: Haben Sie diese Möglichkeit nicht erkannt, oder nahmen Sie sie billigend in Kauf?
Mit freundlichem Gruß
Georg Pichler
Sehr geehrter Herr Pichler,
danke für Ihre Nachfrage und Ihr Interesse an dem Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP).
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstützt die Bemühungen der EU-Kommission um den Abschluss einer transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA. Das geplante Freihandelsabkommen bietet gute Chancen für die deutsche Wirtschaft. Auch die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft kann von dem Abkommen profitieren. Eines ist dabei klar: Alle Produkte auf dem europäischen Markt müssen wie bisher den Vorschriften der EU genügen, und zwar unabhängig davon, woher die Produkte kommen. Mein Anliegen ist es, in den Verhandlungen das europäische und nationale Verbraucherschutzniveau zu erhalten - sowie die Regelungshoheit darüber – und gerade nicht den Schutz auszuhebeln. Das heißt die hohen europäischen Schutzstandards bleiben auch für Produkte aus den USA erhalten. Das heißt auch: Wir können auch neue Standards festlegen, wenn wir dies für notwendig erachten. Diese Maßgabe für das Abkommen ergibt sich auch aus dem Mandat, das die Mitgliedstaaten der EU-Kommission für die Verhandlungen gegeben haben. Die EU-Kommission hat stets betont, dass sie sich an dieses Mandat halten wird. Wir werden die einzelnen Verhandlungsschritte daran messen.
In diesem Zusammenhang hat die EU-Kommission mehrfach geäußert, dass sie im Rahmen der TTIP-Verhandlungen darauf besteht, dass die in Europa geschützten geografischen Angaben und geschützten Ursprungsbezeichnungen auch in den USA wirksam geschützt werden. Die geschützte geografische Herkunftskennzeichnung dient dem Schutz und der Förderung traditioneller und regionaler Lebensmittelerzeugnisse. Zu dem Prinzip dieser Kennzeichnung stehe ich und halte daran fest. Der Verbraucher in den USA soll sich beim Einkaufen wie hier in Europa jederzeit darauf verlassen können: Was auf der Verpackung drauf steht, muss auch drin sein.
Eine eindeutige und unmissverständliche Verbraucherinformation und Transparenz sind die Voraussetzung dafür, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher sich frei entscheiden können. Das gilt auch für gentechnisch veränderte Produkte. Eine Kennzeichnung in Form eines Barcodes – wie von den Amerikanern ins Gespräch gebracht – kann dabei in Europa höchstens eine ergänzende Kennzeichnung darstellen.
Zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS) hat die EU-Kommission den Bericht über die öffentliche Konsultation zu Investitionsschutz und ISDS vorgelegt. Darin werden vor allem vier Bereiche identifiziert: die Wahrung der Regulierungshoheit der Staaten, die Arbeitsweise und Zusammensetzung der Schiedsgerichte, das Verhältnis ISDS zu nationalem Rechtsweg und Berufungsmechanismus. Aufbauend auf diesem Bericht wird die Europäische Kommission demnächst Vorschläge vorlegen, wie diese Konsultationsergebnisse umgesetzt werden sollen. Dabei wird sich auch zeigen, inwieweit Investor-Staat-Schiedsverfahren in Abkommen der EU mit Staaten mit entwickelten Rechtsordnungen erforderlich sein werden.
Aus meiner Sicht / aus Sicht des BMEL / ist es besonders wichtig, dass es über den Investitionsschutz vor Ungleichbehandlung oder direkter Enteignung hinaus zu keinen weitergehenden Einschränkungen des Gestaltungsspielraums des europäischen oder nationalen Gesetzgebers als nach geltendem Verfassungsrecht kommt. Ich vertrete das Ziel, dass ein solches Abkommen die Parlamente nicht daran hindern darf, Sachverhalte für die Bürger zu regeln – auch nicht durch die Androhung von Schadenersatzklagen. Auch muss ein transparentes Verfahren der Schiedsgerichte mit unparteilichen Schiedsrichtern sichergestellt sein.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Schmidt