Ist es üblich das sich Botschafter in die inneren Angelegenheiten eines Landes einmischen und die Regierung öffentlich bloß stellen um ihren Willen durchsetzen?

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Christoph de Vries
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Frage von Daniel P. •

Ist es üblich das sich Botschafter in die inneren Angelegenheiten eines Landes einmischen und die Regierung öffentlich bloß stellen um ihren Willen durchsetzen?

Ich weiß um die derzeitige Ausnahmesituation, dennoch kann es nicht sein das man den Eindruck gewinnen könnte, Herr Melnyk regiere die Bundesrepublik.
Beinahe täglich neue Spitzen gegen die Regierung und das Land.
Wann ist es genug?
Mit freundlichen Grüßen

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CDU

Sehr geehrter Herr P.,

haben Sie herzlichen Dank für Ihr Schreiben zum Verhalten des Ukrainischen Botschafters in Deutschland, Dr. Andrij Melnyk.

Ich halte die Äußerungen des Botschafters angesichts des Krieges und der Bedrohung seines Volkes, darunter auch Familienmitglieder und Freunde, sowie auch angesichts der zögerlichen Haltung der Bundesregierung bei der Unterstützung seines Landes und der persönlichen und politischen Nähe vieler SPD-Spitzenpolitiker zum Kriegstreiber Putin in der Vergangenheit für nachvollziehbar und verständlich. Sicherlich entspricht seine Wortwahl nicht der diplomatischen Zurückhaltung, die man von einem Botschafter in ruhigen Zeiten erwartet, aber diese Zeiten haben wir auch nicht.

Dass die Äußerungen des Botschafters von manchen Politikern offenbar als unerträglich wahrgenommen werden, liegt einerseits an der großen medialen Aufmerksamkeit, die seine Auftritte und Interviews finden. Die Ursache dafür ist offenbar, dass die Medien diese Äußerungen für bedenkenswert und interessant halten.

Andererseits liegt die Ursache für die auffällige Gereiztheit einiger Politiker auch darin begründet, dass der Botschafter seine Finger in die Wunde legt, wenn er die frühere Anbiederung an Putin-Russland beklagt.

Auch die Kritik an dem unentschlossenen und bremsenden Agieren der Regierung basiert ja auf Tatsachen und ist insofern sachlich nicht falsch.

Dies sehen die Journalisten und auch viele Menschen so und insofern bereichern Andrij Melnyks Äußerungen eher die Debatte. Ob jede Äußerung auch politisch klug ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber ich persönlich habe dafür jedenfalls Verständnis in einer Situation, wo ein Botschafter täglich an Deiner Seite seiner Regierung für die Existenz und Freiheit seines Landes und für das Leben von Millionen ukrainischer Menschen kämpft.

Allen, die sich über den ukrainischen Botschafter aufregen, empfehle ich, die Bilder dieses Krieges anzusehen und sich in seine Situation zu versetzen.

Zudem sollte jedem bewusst sein, dass die Position Melnyks eine parteiische ukrainische Position ist, ebenso wie der russische Botschafter die Position seiner Regierung vertritt. Bei letzterem stört sich aber offenbar niemand daran. Ich empfinde deshalb die Kritik am ukrainischen Botschafter eher als gekränkte Eitelkeit und als Scheuen einer sachlichen Auseinandersetzung mit seinen Äußerungen. Diese sollte jedoch das Mittel der Wahl sein, statt sich wie ein bockiges Kind zu echauffieren.

Um auf Ihre Frage zurückzukommen, wann es genug sei, hier möchte ich eine Gegenfrage stellen: Halten Sie es tatsächlich für angemessen, wenn Deutschland den Botschafter eines befreundeten Staates, das sich gegen einen Überfall erwehren muss, zur persona non grata erklärt und seine Ausreise erzwingt, nur weil er sich unbequem und vielleicht auch manchmal polemisch äußert?

Denn dies intendiert Ihre Frage jedenfalls aus meiner Sicht. Damit wird der Eindruck erweckt, das Hauptproblem des Krieges sei nicht der barbarische russische Überfall, sondern ein unbequemer ukrainischer Botschafter. Diese Sicht teile ich keineswegs.

Mit freundlichen Grüßen

Christoph de Vries

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