Was tun Sie, um sich für eine sofortige Luftbrücke für Afghanistan einzusetzen?

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Delara Burkhardt
SPD
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Frage von Ronja v. •

Was tun Sie, um sich für eine sofortige Luftbrücke für Afghanistan einzusetzen?

Wir brauchen eine sofortige Evakuierung all derjenigen, die für deutsche Organisationen und Ministerien gearbeitet haben. Ohne Einzelnachweis von Bedrohung. Visa on arrival. Evakuierung auch ohne Reisepass, nur mit Ausweis. Alle großen Städte bis auf Kabul sind inzwischen eingenommen. Die Kämpfe in Kabul haben begonnen. Es zählt jede Stunde und die Hilfe muss JETZT anlaufen.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau v. W.-S., 

 

zunächst bitte ich um Verzeihung, dass meine Antwort auf Ihre Frage zu einem so wichtigen Thema erst so spät kommt. Die Lage war lang auch für mich unübersichtlich.

das sehe ich genau so wie Sie. Evakuierungen waren dringend nötig.  Deswegen bin ich sehr froh, dass unter Außenminister Heiko Maas – zwar mit einigen Anlaufschwierigkeiten, das möchte ich nicht leugnen, aber dann stabil – eine Luftbrücke nach Afghanistan aufgebaut wurde, die schnellstmöglich Menschen aus Kabul evakuierte. Mir ist wichtig, dass dabei nicht nur an Botschafter*innen gedacht wurde, sondern vor allem Alle mitgedacht wurden: Auch Mitarbeiter*innen der Friedrich-Ebert-Stiftung, besonders aber unsere örtlichen Hilfen und Frauen und Personen mit besonderem Schutzstatus.

Durch die Lage in Kabul ergaben sich viele Schwierigkeiten, die einer Luftbrücke nicht zuhilflich waren. Landung und Start gestalteten sich schwer, aber allein die Ankunft am Flughafen und das Zusortieren der zu evakuierenden Personen war eine große Herausforderung. Deswegen befand sich ein Kernteam der deutschen Botschaft weiter vor Ort, um die Koordinierung der Evakuierung deutscher Staatsangehöriger sowie von Ortskräften zu übernehmen. Hinzu kommt, dass die Taliban Kabul kontrollierte und kontrolliert – sie ließen afghanische Personen nicht auf den Flughafen. Menschen, die die Arbeit der deutschen Botschaft oder der Bundeswehr vor Ort unterstützt haben, konnten so gar nicht zu ihren Flügen gelangen. Das galt besonders für diejenigen, die nicht in Kabul wohnten. Wir waren froh, dass die Bundeswehr in Kabul vor Ort war und den Flugbetrieb der Luftbrücke begleiten konnte. So konnte wenigstens etwas Sicherheit geschaffen werden.

Deutschland hat in den vergangenen Wochen bereits 2.500 Ortskräfte identifiziert. Dieser Personenkreis wurde nun noch einmal deutlich erweitert. Durch unseren Einsatz und unsere Tätigkeit in Afghanistan haben wir eine Verantwortung für alle Menschen, die uns geholfen haben, weil sie jetzt gefährdeter denn je sind. Sobald sie in Deutschland sind, erhalten sie ein Visum und eine Aufenthaltsgenehmigung.

Für uns ist ganz klar: Wir müssen so viele Menschen retten wie möglich. Nicht nur unsere Staatsbürger*innen und Ortskräfte, sondern alle, die sich im Umfeld des Flughafens befinden. Jetzt, nachdem die Luftbrücke geschlossen ist, müssen wir weiteren gefährdeten Familienangehörigen die Einreise nach Deutschland ermöglichen. Außerdem müssen wir dafür sorgen, so schnell wie möglich humanitäre Hilfe vor Ort zu unterstützen.

Unter der neuen Außenministerin bleibt Afghanistan weiter ein Thema. Mittlerweile stellt die Taliban begehrte Pässe aus, mit denen Menschen ausreisen können. Die Initiative „Kabul Luftbrücke“ fliegt auf Spendenbasis und eigene Organisation weiter Menschen aus Kabul aus. Die Lage im Land spitzt sich durch die Konkurrenz zwischen Taliban und Islamischem Staat (IS) leider immer weiter zu. Immer wieder liest man von einer angespannten Stille, aber auch von Frauen, die aus Frauenhäusern zu ihren gewalttätigen Ehemännern fliehen mussten, weil das für sie die sicherste Unterkunft ist. Das ist furchtbar. Die Hilfsorganisationen, die mittlerweile eingeschränkt wieder ihre Arbeit aufnehmen, sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Da muss man einfach ehrlich sein: In Afghanistan werden gerade Menschen- und besonders Frauen- und Kinderrechte außer Kraft gesetzt und humanitäre Fortschritte der letzten 20 Jahre in Windeseile zerstört. Die Mehrheit des Landes steht nicht hinter der Taliban. Leider müssen westliche Staaten trotzdem mit einer demokratisch nicht legitimierten Regierung verhandeln, um den Menschen im Land helfen zu können.

Die EU hat zugesichert, bis 2022 etwa 40.000 Afghanen aufzunehmen. Das wird nicht einfach, aber notwendig ist es. Deutschland hat 25.000 Aufnahmezusagen ausgesprochen – davon sind erst etwa 10.000 in Deutschland angekommen. In der EU verzeichnet man einen deutlichen Anstieg der Asylanträge aus Afghanistan. Die Chance auf Anerkennung dieser Anträge ist gerade sehr hoch. Dennoch: Die Lage im Land ist und bleibt desaströs. Auch die Lage in den Flüchtlingslagern in den Anrainerstaaten Afghanistans, wo Menschen über den Landweg hinflüchten, ist schlecht. Die Gestaltung von weiteren Ausflügen von Ortskräften hängt leider stark daran ab, was die Taliban tut. Die neue Außenministerin hat zugesagt, dass sie Bemühungen der Ausreise intensivieren möchte. Der Koalitionsvertrag sieht ein humanitäres Aufnahmeprogramm vor. Außerdem ist die Familienzusammenführung in der Evakuierung weiterhin vorgesehen. Genauere Bestrebungen in dieser Angelegenheit können Sie hier nachlesen: https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/regierungspressekonferenz/2502732

Diese Antwort ist nicht hoffnungsvoll und nicht zufriedenstellend für Sie, möchte ich schätzen. Das ist sie für mich auch nicht. Es ist leider gerade alles, was möglich ist. Wir müssen uns jede Form der Polemik sparen – es geht hier um eine echte Krise für Menschen- und Frauenrechte. Ja, es muss dringend im Nachhinein aufgearbeitet werden. Schuldzuweisungen wären unangebracht. Es darf aber nicht zum Manipulationsfaktor umgemünzt werden. Man darf nicht vergessen, dass es sich hier um echte Menschen, nicht einfach um Zahlen handelt. Diese Menschen haben Deutschland an vielen Stellen unterstützt. Es ist unsere Pflicht, jetzt für sie Verantwortung zu übernehmen und sie zu schützen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Delara Burkhardt

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