Frage an Frank Henkel bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

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Frank Henkel
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Frage an Frank Henkel von Tom M. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Henkel,

Sie werben mit einem Plakat, auf dem die Verschuldung der Stadt thematisiert wird. Diese liegt derzeit bei etwa 63 Mrd. Euro. Dies entspräche doch etwa 18.500 € je Bürger, oder? Nun stellt sich mir natürlich die Frage, wie sich die Schulden zusammensetzten und wie sie entstanden sind. So frage ich mich explizit:

- Was hat uns der "Berliner Bankenskandal" ( http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Bankenskandal ) gekostet, bzw. mit wieviel belastet er noch immer den Haushalt und wie wurde er von Ihrer Partei aufgearbeitet?

- Wie können Schulden in solchem Umfang getilgt werden, wenn man bedenkt, dass selbst die Zinszahlung je Jahr und Bürger bei etwa 700 Euro liegen dürften?

- Wieviele soziale Projekte und wieviel Stadtentwicklung wäre möglich, würden diese Schulden nicht in dem Maße bestehen? Hierbei interessiert mich insbesondere, wie Sie den Verlauf der Berliner Schulden ohne die Sonderbelastung durch Bürgschaften, für die Rettung der Bankgesellschaft Berlin sehen

Die Frage nach den Profiteuren möchte ich hier aussen vor lassen, jedoch fragen ich mich, ob nicht die Verluste sozialisiert und vom Steuerzahler getragen werden müssen, während wir für die verbleibenen Anteile nur einen Bruchteil dessen erhalten haben, was die Rettung gekostet haben dürfte.

Mit freundlichen Grüßen

Tom Meyer

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Sehr geehrter Herr Meyer,

die Berliner CDU hat sich - im Gegensatz zu der ebenfalls involvierten SPD - ausdrücklich zu ihrer Verantwortung für den sog. Bankenskandal bekannt. Anders als die damals beteiligten CDU-Politiker bekleiden der damalige Fraktionsvorsitzende Wowereit, der regelmäßig an den Sitzungen des Senats teilnahm und daher über alle Vorgänge im Zusammenhang mit der Bank bestens informiert war, als auch die frühere Finanzsenatorin Fugmann-Heesing als damalige Fachaufsicht für die Bank noch immer öffentliche Ämter.

Die Berichte der zwei parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum "Bankenskandal" stellen in aller Ausführlichkeit und für jedermann einsehbar dar, dass mehrere Dutzend Personen, Vorstände und leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Geschäftspolitik betrieben haben, die einseitig auf Wachstum im Immobiliengeschäft Ostdeutschlands setzte und dabei kollektiv die banküblichen Vorsichtsmaßnahmen unbeachtet ließ. Daneben gab es gravierende Organisationsversagen.

Bezüglich der von SPD und LINKEN betriebenen Verschuldungspolitik von zusätzlich 22 Milliarden Euro in 10 Jahren wird zwar gern die Legende bemüht, dass die Ursache hierfür in der Bankenpleite zu suchen sei, tatsächlich hat aber der Senat einräumen müssen, dass SPD und LINKE wegen der Bank bisher keinen einzigen Euro Schulden machen mussten. Vielmehr ist durch den Zwang, die Bank verkaufen zu müssen, ein Milliardengewinn für Berlin entstanden, der inzwischen für den Kauf von verlustbringenden Fondsanteilen allerdings fast völlig verwirtschaftet worden ist.

Zur ersten Teilfrage:

Direkte Belastungen des Haushalts durch die Bankgesellschaft Berlin hat es bisher nicht gegeben.

Bis Ende 2008 hat die Bankgesellschaft (einschließlich Veräußerungserlös) dem Land Berlin Liquiditätszuflüsse von insgesamt ca. 7 Mrd. Euro und einen Haushaltsüberschuss in Höhe von 2,5 Mrd. Euro eingebracht.

Das aus der Bankgesellschaft resultierende Eigenkapital bei der IBB und der BIH betrug ca. 650 Mio. €.

Auch im Jahr 2011 liegt der Überschuss aus der Bankgesellschaft noch im Milliardenbereich.

Seit 2005 wurden vom rot-roten Senat aus der Rücklage zur Finanzierung der Risikoabschirmung für 1,8 Mrd. Euro aus unserer Sicht wertlose Fondsanteile von den Privateigentümern aufgekauft. Wir haben das konstruktiv begleitet, weil dies die Voraussetzung für den Verkauf der BIH Berliner Immobilien Holding, in der die verbliebenen Risiken der Bankgesellschaft zusammengefasst sind, sein sollte. Der BIH-Verkauf sollte Berlin nach den Vorstellungen von SPD und Linke mit einem Schlag von allen verbliebenen Risiken der alten Bankgesellschaft befreien. Mit dem politischen Verzicht auf den Verkauf (der nach Angaben des Finanzsenators ein gutes Geschäft gewesen wäre), sind die Ankäufe der Fondsanteile neu zu bewerten: Es wurden mit dieser Entscheidung Beträge im dreistelligen Millionenbereich "verbrannt". Die Rücklage zur Finanzierung der Risikoabschirmung in Höhe von ca. 4,6 Mrd. Euro ist dadurch bis auf ca. 570 Mio. Euro verbraucht.

Mit dem Erwerb der Fondsanteile und dem Abbruch der Verkaufsbemühungen hat sich der SPD/Linke-Senat faktisch wieder in den Besitz des notleidenden Geschäfts der Bankgesellschaft Berlin gebracht. Die BIH (jetzt statt der Bankgesellschaft) ist für Berlin wieder im Immobiliengeschäft aktiv tätig.

Für 2012 und 2013 sind von Rot-Rot jeweils 140 Mio. Euro für Finanzzuweisungen an die BIH geplant. Darüber hinaus sind Bürgschaften in Höhe von 224 Mio. Euro für den Erwerb weiterer wertloser Fondsanteile vorgesehen.

Zudem ist zu bedenken, dass die damalige Krise der Bankgesellschaft nach den heutigen Erfahrungen mit der jüngsten Finanzkrise durchaus beherrschbar gewesen wäre. Dies war damals jedoch aus (bundespolitischen Gründen nicht opportun, denn sowohl die SPD als auch die damals in der Bundesregierung vertretenen Bündnis 90/Die Grünen waren vor dem Hintergrund der Stärke der Berliner CDU an Neuwahlen in Berlin interessiert. Wie sich später gezeigt hat, wurde die Bankgesellschaft ja erfolgreich saniert.

"Die Berliner CDU" wie Sie schreiben, also die 13.000 Mitglieder, die Abgeordneten, Stadträte und Bezirksverordnete, die vor 10 Jahren nichts mit der Geschäftsführung der Bankgesellschaft zu tun hatten, haben - so meine ich - kollektiv ausreichend gebüßt. Die Berliner CDU hat 2001 und 2006 jeweils nur noch die Hälfte der Wählerstimmen der letzten Wahl vor dem "Bankenskandal" erhalten und wurde in die politische Opposition geschickt, die damals im Senat handelnden CDU-Mitglieder und der CDU-Fraktionsvorsitzende haben sich damals alle aus der aktiven Politik zurückgezogen.

Zur zweiten Teilfrage:

Die Berliner Schulden sind im Wesentlichen in zwei Phasen entstanden. In der ersten Phase nach der Wende wurden mit der Kreditaufnahme die erheblichen Investitionsbedarfe für die Infrastruktur in den östlichen Bezirken finanziert, die politisch allseits geforderte Übernahme der öffentlich Beschäftigten Ost-Berlins, die Lohnangleichung Ost-West, die umfangreichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen etc. Mit Beginn der 13. Legislaturperiode wurde 1996 mit der Haushaltskonsolidierung begonnen, die auch in der 14. Wahlperiode - mit einer SPD-Finanzsenatorin - fortgesetzt wurde. Nach dem Bruch der Großen Koalition durch Klaus Wowereit Mitte 2001 wurde dieser Kurs aufgegeben und nach den Neuwahlen wieder eine massive Verschuldungspolitik betrieben, die allerdings auch den Entscheidungen der Rot-Grünen Bundesregierung geschuldet war (z.B. Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer). Ergebnis war ein Aufwuchs der Berliner Verschuldung um mehr als 20 Mrd. Euro in zehn Jahren.

Schulden in Höhe von 62 Mrd. Euro können nur allmählich getilgt werden. Der Zinsaufwand ist für 2012 und 2013 mit 2,25 Mrd. Euro veranschlagt. Nach unserer Auffassung enthält der Berliner Haushalt erhebliche Effizienz- und Effektivitätsreserven, die eine schrittweise Konsolidierung noch möglich machen. Leider haben es die beiden Wowereit-Senate trotz dreier verlorener Verfassungsgerichtsverfahren versäumt, ein betriebswirtschaftliches Steuerungssystem für die Berliner Verwaltung einzuführen und die strukturelle Konsolidierung in Angriff zu nehmen. Wir haben die höchste Arbeitslosenquote aller Bundesländer und dementsprechend eine deutlich unterdurchschnittliche Wirtschaftsleistung. Unser Ziel ist es, beides wenigstens auf Bundesdurchschnitt zu bringen. Im Allgemeinen sind die Hauptstadtregionen die wirtschaftlichen Zentren der jeweiligen Staaten. Bei moderaten Konjunkturverläufen müsste dies und eine eiserne Haushaltsdisziplin mindestens zwei Jahrzehnte durchgehalten werden, um eine deutliche Reduzierung der Schuldenlast zu erreichen.

Zur dritten Teilfrage:

Ohne Verschuldung würden nach dem Haushaltsplan 2012 ca. 1,1 Mrd. Euro und 2013 ca. 1,5 Mrd. Euro zur Verfügung stehen. Ohne Verschuldung hätte Berlin aber auch eine andere Entwicklung genommen: 1990 hätte man die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes Ost nicht übernommen (Massenproteste, Auffanggesellschaften?), die Sanierung (eigentlich der Neubau) der Infrastruktur im Ostteil Berlins wäre unterblieben (Massenabwanderung in die alten Bundesländer, keine Wirtschaftsansiedlungen und Arbeitsplätze, fehlende Steuereinnahmen?), kein Zufluss von privatem Kapital in Wohngebäude (der Staat hätte ja nicht sanieren können, mangels Krediten) etc. Die Teilung der Stadt wäre nur dürftig übertüncht worden. Diese Aufgaben würden jetzt immer noch zum großen Teil vor uns liegen, aber die Leistungsträger und Investoren hätten die Stadt längst verlassen, die Bundesregierung wäre wahrscheinlich gar nicht erst gekommen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Frank Henkel