Vollständiges Handelsembargo gegen Russland ?

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Frank Junge
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Frage von Holger S. •

Vollständiges Handelsembargo gegen Russland ?

Sehr geehrter Herr Junge,
als Mitglied Ihres Wahlkreises darf ich Sie dazu ermuntern, über ein vollständiges Handelsembargo gegen Russland nachzudenken und zunächst die Öl- später die Gaslieferungen vollständig auszusetzen.
Die Möglichkeit warm zu duschen, ist nichts gegen ein Menschenleben in der Ukraine. Die Wohlstandseinbußen müssen wir für unsere Freiheit alle tragen. Ich denke, dass sich hier ein überparteilicher Konsens mit der CDU erreichen lässt. M.E. befinden wir uns bereits im Krieg mit Russland, der derzeit noch kalt ist. Wir Deutsche tragen durch unsere mutwillig herbeigeführte Abhängigkeit von russischem Gas eine Mitverantwortung für das militärische Erstarken Russlands (herzlichen Dank an Dr. Angela Merkel für diesen schweren strategischen Fehler). Wir stehen vor den Trümmern unserer Russlandpolitik. Die schnellstmögliche Herstellung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr und der Entzug von Einnahmen könnte die baltischen Staaten schützen.

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Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Frage zu den Sanktionen angesichts des Überfalls Russlands auf die Ukraine. Der völkerrechtswidrige Angriff Putins auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende. Es ist das erste Mal seit über 80 Jahren, dass auf europäischem Boden ein Land einen großflächigen militärischen Überfall auf ein friedliebendes Nachbarland gestartet hat. Vor allem die Frauen, Männer und Kinder in der Ukraine zahlen einen hohen Preis. Ihnen gelten unsere volle Solidarität und Unterstützung.

Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben daher schnell und entschlossen Sanktionen in nie gekanntem Ausmaß ergriffen und behalten sich weitere Sanktionen vor. Sie sprechen in diesem Zusammenhang vor allem den Energiesektor an. Ich möchte ganz deutlich sagen: Unser Ziel ist es, die hohe Abhängigkeit von russischen Importen bei fossilen Energieträgern so schnell wie möglich zu überwinden. Aber dabei werden wir gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass dies geordnet und auf eine Weise erfolgt, die uns die erforderliche Zeit gibt, eine alternative und nachhaltige Versorgung sicherzustellen. Wichtigster Schlüssel für eine Energiesouveränität bleibt deshalb die Energiewende. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist deshalb auch eine Frage der nationalen und europäischen Sicherheit.

Sie schlagen vor, die Öl- und Gaslieferungen aus Russland vollständig auszusetzen. Wir alle ringen mit dieser Frage. Natürlich können wir in einer solch dramatischen Lage nichts kategorisch ausschließen – auch einen Boykott nicht. Weil die russische Invasion und ihre Folgen uns noch lange beschäftigen werden, ist es wichtig, dass wir die Konsequenzen unserer Handlungen sorgfältig abwägen. Bei allen Sanktionen steht am Anfang auch die Frage, ob wir selbst in der Lage sind, diese mehrere Jahre durchzuhalten. Denn ein solcher Schritt, sofort aus russischem Gas und Öl auszusteigen, muss durchdacht werden, denn er hat weitreichende Konsequenzen für das Wirtschaftsleben und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land.

Ich stimme Ihnen zu, dass wir eine leistungsfähige Bundeswehr brauchen, die ihren Teil zur gemeinsamen Sicherheit in der NATO beiträgt. Dafür hat Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar in seiner Regierungserklärung eine umfassende Modernisierung angekündigt: Mit 100 Milliarden Euro sollen in den kommenden Jahren notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben finanziert werden. Gleichwohl bleiben diplomatische Lösungen für uns im Zentrum, wenn es um Konfliktbewältigung geht. Und Sicherheit ist vielschichtig. So geht es zum Beispiel auch darum, sich zu stärken gegen Cyberangriffe und Desinformationskampagnen. Besonders wichtig bleibt auch die entwicklungspolitische Zusammenarbeit. So ist neben den USA Deutschland der größte Geldgeber für die Ukraine und den Aufbau einer starken Zivilgesellschaft: seit 2014 mit knapp zwei Milliarden Euro.

Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Positionierung zu den von Ihnen aufgeworfenen Punkten verständlich darlegen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Junge

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