Frage an Fritz Felgentreu bezüglich Familie

Portrait von Fritz Felgentreu
Fritz Felgentreu
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Fritz Felgentreu zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Moritz K. •

Frage an Fritz Felgentreu von Moritz K. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Dr. Felgentreu,

ich habe 2 Fragen an Sie zu Ihrem aktuellen Wahlprogramm:

1. Wie möchten Sie die Integration, die Sie sich zum Ziel gesetzt haben umsetzen und wie möchten Sie das dann finanzieren?

2. Wie realistisch sehen Sie die Umsetzung dieses Zieles?

Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen,

Moritz Klein

Portrait von Fritz Felgentreu
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Klein,

bitte entschuldigen Sie die späte Antwort; im Wahlkampfstress ist Ihre Frage, deren Inhalt mir eigentlich besonders am Herzen liegt, ein bisschen untergegangen. Ich hoffe, die Antwort erfolgt noch so rechtzeitig, dass Sie etwas damit anfangen können.

Die wichtigste Grundlage für echte Integration ist für mich, dass Menschen von ihrem Arbeitseinkommen leben können und nicht auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Für die Teilhabe am politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben ist diese wirtschaftliche Integration meines Erachtens die Voraussetzung. In Neukölln sind sehr viele Menschen von diesem Integrationsziel weit entfernt - ich erinnere nur daran, dass von den 300.00 Neuköllnern aus über 100 Nationen heute knapp 75.000 von ALG II leben.

Die Zahlen und die Situation in unseren Kiezen zeigen, dass wir einen weiten Weg vor uns haben. Der für mich dabei zentrale Ansatz: Unser Bildungssystem - d.h. vor allem Kita und Schule - muss so gut aufgestellt sein, dass es auch solche Kinder auf ein Erwerbsleben vorbereiten kann, die in ihren Familien dafür weder Vorbilder noch Unterstützung haben. Dafür brauchen wir erhebliche Qualitätsverbesserungen, die ich hier nur stichwortartig und mit wenigen Beispielen anreißen möchte: Die Kita muss Sprachdefizite soweit ausgleichen können, dass jedes Kind in der 1. Klasse in deutscher Sprache schul- und lernfähig ist. Alle Schulen müssen Ganztagsschulen sein, damit die Kinder, wenn sie um 16 Uhr nach Hause gehen, auch dann auf den nächsten Schultag vorbereitet sind, wenn sie zuhause keinen Arbeitsplatz haben. In den Schulen muss es - möglichst kostenlos - gesundes Essen geben. Die Schulpflicht muss konsequent durchgesetzt werden. Als Vorbilder und Ansprechpartner für Eltern brauchen wir mehr Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund. Wir brauchen kleine Klassen und kostenlose Lernmittel. Das Leistungsniveau muss durch Vergleichsarbeiten objektiv feststellbar sein (usw.).

Die gute Kita und die gute Schule der Zukunft haben wir noch nicht, aber ein Land wie Finnland zeigt und, dass wir sie haben könnten. Das Geld dafür sollte vor allem aus zwei Quellen kommen: dem von der SPD geforderten Bildungssoli (2% mehr Einkommensteuer auf hohe Einkommen über 125.000 Euro im Jahr) und einem langsamen Umsteuern bei der Familienförderung. Wie Finnland, aber auch Frankreich und die USA, sollten wir bei der Familienförderung weniger auf die Individualförderung (in Form von Kindergeld und pro Kopf einer Familie zugewiesenen Leistungen) als auf die institutionelle Förderung, also den Aufbau hervorragender Bildungseinrichtungen, setzen. Ein Beispiel: hätten wir auf die Kindergeld-Erhöhung von 10 Euro im Januar verzichtet, dann hätte von demselben Geld das letzte Kita-Jahr bundesweit kostenlos angeboten werden können.
Ich halte die Umsetzung dieses Zieles für realistisch, wenn die Notwendigkeit großer Anstrengung von den politischen Kräften im Land erkannt wird. Wir Neuköllner sind da weiter als die meisten. Deshalb sehe ich es als meine Aufgabe an, im Bundestag das Bewusstsein für die schwierige Lage vieler Innenstadtquartiere in Deutschland zu schärfen. Denn unsere Probleme gibt es in kleinerem Maßstab längst auch in den meisten anderen Großstädten. Ich bin überzeugt: Neukölln kann Vorbild sein - dank seiner Analyse der gesellschaftlichen Entwicklung, aber auch mit den Ideen, die hier entwickelt worden sind. Campus Rütli, Stadtteilmütter, das Ganztagsgymnasium Albert Schweitzer und viele andere große und kleine Projekte zeigen, mit welchen Instrumenten vor allem Kinder und Jugendliche auf dem Weg zu Emanzipation und Integration erfolgreich gefördert werden können.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Fritz Felgentreu