Frage an Fritz Felgentreu bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Fritz Felgentreu
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Frage an Fritz Felgentreu von Otto E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Fraktionszwang? Ich erbitte Ihre Meinung Herr Doktor Felgentreu.
Die durch den Koalitionsvertrag entstehende Mehrheit von über 80% der Stimmen im Bundestag ermöglicht Gesetze bis zur Grundgesetzänderung! Das muss verhindert werden. Eine solche absolute Regierungsmehrheit ist grundsätzlich schädlich für eine Demokratie. Natürlich gibt es viele Gründe und dringende Fragen, die eine sichere Mehrheit der Stimmen im Bundestag wünschenswert erscheinen lassen. Eine Minderheitsregierung wäre dann aber gezwungen, Vorschläge zu machen denen eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten zustimmen könnte, im Sinne des Volkes. Warum nicht? Voraussetzung wäre allerdings die Aussetzung des Fraktionszwanges. So könnten Bundestagsabgeordnete als Volksvertreter und nicht als Fraktionsvertreter abstimmen.
Im Sinne der repräsentativen Demokratie sind nach Art.38 GG Bundestagsabgeordnete "Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen". Nach Art.46 GG darf ein Abgeordneter "zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse getan hat ..... zur Verantwortung gezogen werden". In der Realität besteht jedoch ein durch kein Gesetz legitimierter Fraktionszwang, nach dem die Abgeordneten abzustimmen haben, wie ihre Partei es vorschreibt und nicht, was ihnen das Volk und ihr Gewissen sagt. Leider gibt es zahlreiche soziale und gesellschaftliche Begründungen und Zwänge, die einen Abgeordneten zum Koalitionszwang verleiten. Absolute Priorität hat jedoch das Grundgesetz! Das gilt auch für den Lobbyismus und Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Aber schon Aristoteles sagt: Tugend ist das richtige Maß zwischen zwei Extremen. Und ein jüdisches Sprichwort lautet: Wenn du für die Lösung eines Problems nur zwei Möglichkeiten siehst, dann nimm die dritte.

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SPD

Sehr geehrter Herr Einsporn,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen gerne beantworte. Der sogenannte „Fraktionszwang“ steht nicht im Widerspruch zur grundgesetzlichen Gewissensfreiheit von Abgeordneten. Es handelt sich dabei letztlich um eine Verabredung aller Abgeordneten einer Fraktion, sich untereinander zu unterstützen, um gemeinsam verabredete Ziele durchzusetzen. Weil eines dieser Ziele sein kann, aus einer Minderheitenposition heraus trotzdem das Land zu regieren, dehnt sich diese fraktionsinterne Absprache bei Regierungsparteien auf die gemeinsam verabredeten Ziele der Koalition aus.
Als einzelner Abgeordneter muss ich bei jeder Abstimmung prüfen, ob mein Gewissen mich stärker an diese Abmachung oder stärker an eine inhaltliche Position bindet, die im Widerspruch zu der Abmachung stehen kann. Eine Gewissensentscheidung ist es so oder so. Der „Fraktionszwang“ hat den Vorteil, dass er Mehrheiten sichert – im Zweifel auch für etwas, das ich selbst durchsetzen möchte und wofür ich die Stimmen meiner Fraktion brauche. Deshalb würde ich mich auch nur in sehr grundsätzlichen Fragen darüber hinwegsetzen. Meine Gewissensfreiheit wird dadurch jedoch in keiner Weise geschmälert.

Mit bestem Gruß

Fritz Felgentreu