Frage an Gabriele Dobusch bezüglich Finanzen

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Gabriele Dobusch
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Frage von Hans-H. P. •

Frage an Gabriele Dobusch von Hans-H. P. bezüglich Finanzen

Der erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg erhält nach Maßgabe der einschlägigen Besoldungsvorschriften ein monatliches Gehalt plus Aufwandsentschädigung von 13.941,74 €, das sind p. a. einschließlich der Weihnachtsgratifikation etwa 180.000,- €.
Der Vorstandsvorsitzende der HSH-Nordbank erhält nach den bekanntgewordenen Informationen neben seinem Vorstandsgehalt (in unbekannter Höhe) eine Sonderzahlung in Höhe von knapp 3.000.000,- €. Das ist mehr als das 16-fache des Bürgermeister-Einkommens. Der Finanzsenator begründet dies mit der außerordentlichen Leistungsfähigkeit des Vorstandsvorsitzenden und dem großen Maß an Verantwortung, welche dieser Mann getragen hat.
Ich habe dazu folgende Fragen:
1. Schließt die außerordentliche Leistung und das Maß an Verantwortung des Herrn Vorststandsvorsitzenden auch die jetzige Situation der HSH-Nordbank ein?
2. Sind die Fähigkeiten des Herrn Vorstandsvorsitzenden und seine Erfolge um ein 16-faches höher zu bewerten als die Fähigkeiten und Leistungen des ersten Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg und hat die Bürgerschaft dann nicht den falschen Mann zum Bürgermeister gewählt?
3. Trifft es zu, dass die Eigentümer der HSH-Nordbank, nämlich u.a. die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg, als öffentliche-rechtliche Körperschaften, im Interesse der Haushaltswahrheit und –Klarheit verpflichtet sind, den sie kontrollierenden Verfassungsorganen umfassende und vollständige Auskunft zu erteilen und dass diese Pflicht nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen unterlaufen werden kann und darf ?
4. Es gab eine Zeit, in der eine deutsche Münze die Rand-Umschrift "Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ enthielt. Halten Sie es für möglich, dass heute die Umkehrung dieser Regel zur Maxime politischen Handelns geworden ist?

Diese Fragen stelle ich allen abgeordneten des Wahlkreises.
Frdl. Grüße
Hans-H.Ploen

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Hallo Hans-H. Ploen,

Ihre Frage erreicht mich erst jetzt nach meinem Urlaub. Ich beantworte Sie aber- gerade angesichts der neuesten Erreignisse rund um das Thema HSH-Nordbank - sehr gerne.

Zunächst einmal: Natürlich hat die Bürgerschaft aus meiner Sicht den falschen Bürgermeister gewählt! Zu dem Finanzsenator, den der sich ausgesucht habe, komme ich noch...

Dann zur Frage nach dem angemessenen Einkommen. Sie schreiben, der Erste Bürgermeister Ole von Beust käme im Jahr auf ca. 180.000,- ?. (Das Durchschnittseinkommen von Männern in Hamburg liegt übrigens knapp unter 45.000 ?, das von Frauen bei gut 35.000 ?.)
Nun weisen Sie darauf hin, dass der Vorstandsvorsitzende der HSH-Nordbank, Herr Nonnenmacher, zusätzlich drei Millionen erhalten solle. Mal abgesehen davon, dass das eventuell noch gar nicht alles gewesen ist, fällt mir dazu aus aktuellem Anlass der scheidende Porsche-Vorsitzende ein, der sich seinen Abgang mit 50 Millionen versen ließ. Und dann gibt es noch den Mann, der zu viel wollte? (ZEIT, 30.7.), Jens-Peter Neumann, Investment-Banker. Der hat nicht nur die Krise mit ausgelöst?, sondern auch bereits 3 Millionen kassiert und will nun noch 1,5 Millionen dazu. 3 Millionen zum Bleiben bei dem einen, 50 Millionen zum Scheiden bei einem anderen, 1,5 Millionen bei dem anderen - Geld fließt wohl egal wie, ob erfolg- oder verlustreich agiert wurde.
Ob irgend ein Mann, irgend eine Führungspersönlichkeit soviel Millionen wert ist? (Für wen oder was eigentlich? Für das Unternehmen? Für die Eigner/innen? Für die Belegschaft? Die Wirtschaft? Die Konjunktur?)

Es soll übrigens etwas mit mangelndem Verhandlungsgeschick zu tun haben, dass der durchschnittliche Lohnunterschied zwischen dem, was Frauen in Deutschland für gleiche oder gleichwertige Arbeit gegenüber dem bekommen, was Männer erhalten, bei ca 23 Prozent.
Angesichts der Schuzpe, die es meines Erachtens braucht, um solche Boni oder Abfindungen auszuhandeln und einzufordern wie oben beschrieben, und zwar TROTZ der Verantwortung für Schulden in Milliardenhöhe, ist da wohl was dran (auch wenn ich das nicht für ausschlaggebend halte). Soviel Zockermentalität und Selbstüberschätzung (samt Siegergebahren, siehe Ackermann) haben wir Frauen (noch?) nicht drauf.
Weiß ich ein Patentrezept gegen all diese Fehlentwicklungen? Nein. Aber es richtig, im Untersuchungsausschuss, den meine Fraktion eingefordert hatte, den Vorgängen rund um die HSH-Nordbank nachzugehen. Es ist richtig, nicht nur auf deutscher, sondern zumindest auf europäischer Ebene nach gemeinsamen Regularien zu suchen, die wüste Spekulationen auf Kosten der Allgemeinheit, schnelle Gewinnmitnahmen und ähnliche Auswüchse in Zukunft zumindest erschweren. Und Verantwortung sollte wieder groß geschrieben werden. Übrigens auch (vor allem?) die der Politik! Spätestens die Krise hat uns in puncto Privatisierung eines Besseren belehrt. Der Staat hat eben doch noch nicht ausgedient. Und die Ideen von Herrn Freytag, bei der HSH-Nordbank noch weniger politische Verantwortung zu übernehmen (geht eigentlich noch weniger in seinem Falle?) sind nicht nur lächerlich, sondern unverantwortlich!
So. Und weil ich ja gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion bin, erlaube ich mir zum Schluss auch noch den Hinweis, dass es aus meiner Sicht EIN Beitrag zu mehr Bodenhaftung und Realitätssinn wäre, nach norwegischem Vorbild eine verbindliche Quote für Vorstände und Aufsichtsräte einzuführen: mindestens 40 Prozent Frauen und Männer (bei den 200 größten deutschen Unternehmen sind derzeit 7,8 Prozent Frauen) würde die derzeitige Situation schon gewaltig verändern und den sich dauernd gegenseitig hochpuschenden Insider-Kreis zumindest zeitweise durcheinanderwirbeln!

Beste Grüße

Gabi Dobusch (MdHB)

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