Frage an Helge Braun bezüglich Wirtschaft

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Helge Braun
CDU
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Frage von Anne K. •

Frage an Helge Braun von Anne K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Braun,

ohne lange Vorrede möchte ich Sie direkt fragen: WERDEN SIE DEM ZUSTIMMEN, DASS ALTE, Z.T. ERSCHRECKEND MARODE AKWs LÄNGER LAUFEN DÜRFEN? … und damit die alte ignorante Auffassung, dass man eine derartig heikle Hinterlassenschaft wie den Atommüll einfach an Tausende von Generationen abschieben darf, fortgesetzt wird? Dass dieses Risiko quantitativ noch 15 Jahre lang vermehrt wird? Dass der neuen, arbeitsintensiven Branche der zukunftsträchtigen Energieversorgung dicke Steine in den Weg gelegt werden, nur um die Interesse einiger wenige Großkonzerne zu schonen? Dass eine derartig breite Allianz aus Atomkraftgegnern in der Bevölkerung vor den Kopf gestoßen wird und damit der Frust und die Vorurteile über die "Konzernokratie" noch größer wird?

Ich denke, es ist allerhöchste Zeit, die Risiken dieser Abstimmung für den Glauben an die Demokratie der Menschen im Land, ernst zu nehmen!

Insofern, hoffe ich auf eine deutliches NEIN! gerade von Ihnen, dem als Arzt die Gesundheit aller Mitmenschen, auch der zukünftigen, am Herzen liegt!

Mit freundlichen, frühherbstlichen Grüßen
Anne Klatt

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CDU

Sehr geehrte Frau Klatt,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie nach meiner Meinung zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken fragten.

Die CDU strebt eine bezahlbare und dabei sowohl sichere als auch umweltverträgliche Energieversorgung an. Derzeit steht die Strompolitik allerdings vor großen Herausforderungen. Die deutsche Stromwirtschaft ist in bedeutendem Umfang vom Import fossiler Rohstoffe wie Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran abhängig. Die momentan steigenden Preise schlagen sich auf den Strompreis nieder. Überdies stehen fossile Brennstoffe nicht unbegrenzt zur Verfügung. Zukünftige Lieferengpässe erfordern es daher, unseren Strommarkt von Brennstoffimporten unabhängig zu machen. Der im Jahr 2000 getroffene Atomkonsens und der im Jahr 2002 beschlossene Atomausstieg setzen den Strommarkt zusätzlich unter Druck. Die mit dem Abschalten von Atomkraftwerken einhergehende Reduzierung der Stromversorgung muss anderweitig ausgeglichen werden. Für ein abgeschaltetes Kernkraftwerk mit einer Jahresleistung von 1,2 GW müssten zwei Kohlekraftwerke mit einer Jahresleistung von jeweils 600 MW oder drei Gaskraftwerke mit jeweils 400 MW oder 240 Windkraftanlagen mit jeweils 5 MW Jahresleistung betrieben werden.

Da die erneuerbaren Energien momentan noch nicht in der Lage sind, alleinig ausreichend und konstant Strom zu produzieren, wären wir deshalb auf größeren Stromimport und höheren Einsatz fossiler Brennstoffe angewiesen. Die Klimapolitik beabsichtigt aber neben einer Förderung der erneuerbaren Energien auch, zur Bekämpfung des Treibhauseffekts den CO²-Ausstoß zu reduzieren.

Eine Laufzeitverlängerung für unsere Atomkraftwerke schenkt uns indessen die nötige Zeit, um erneuerbare Energietechniken zu entwickeln und den Stromverbrauch zu senken. In diesem Zusammenhang sind die Effizienzsteigerung bei Endgeräten, der Ausbau privater Photovoltaikanlagen und die zukünftige Nutzung der Fusionskraft, die bis zum Jahr 2100 circa 20 bis 30 Prozent des europäischen Strombedarfs decken könnte, zu nennen.

Ich bin deshalb der Auffassung, dass die Kernenergie als Brückentechnologie zur Verwirklichung unserer Ziele in ökologischer und wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll ist.
Das im Oktober 2010 verabschiedete Energiekonzept enthält erstmals ein umfassendes Finanzierungs- und Maßnahmenprogramm zum Atomausstieg und zur Förderung erneuerbarer Energien. In Zukunft sollen die erneuerbaren Energien den Hauptanteil der Energieversorgung übernehmen. Ihr Anteil am Energieverbrauch soll bis zum Jahr 2030 30 Prozent und im Jahr 2050 schließlich 60 Prozent ausmachen. An der Stromversorgung soll der Anteil sogar auf 50 Prozent bis zum Jahr 2030 und auf 80 Prozent bis 2050 steigen.

Das Energiekonzept behindert also nicht den Ausbau der erneuerbaren Energien, sondern fördert sie. Die Laufzeitverlängerung sieht eine abnehmende Auslastung der Kernkraftwerke in Fünf-Jahres-Schritten vor. Während das geltende Atomgesetz noch eine Auslastung von 95 Prozent unterstellt, wird diese ab dem Jahr 2017 auf 90 Prozent und ab dem Jahr 2022 auf 85 Prozent gedrosselt. Es bleibt außerdem beim bisherigen Einspeisevorrang der erneuerbaren Energien, deren Anteil sich in den kommenden Jahren deutlich erhöht.

Um den Ausbau erneuerbarer Energien zu unterstützen, wird dieser über einen „Energie- und Klimafonds“ finanziert. Beginnend mit 300 Millionen Euro im kommenden Jahr, wächst der Finanzrahmen ab dem Jahr 2017 auf voraussichtlich etwa drei Milliarden Euro jährlich an. Zusätzlich wird aus dem Sondervermögen ab dem Jahr 2011 beim BMWi ein Energieeffizienzfonds nach Maßgabe des Wirtschaftsplans des Energie- und Klimafonds aufgelegt, womit zusätzlich Anreize für umfassende Energieeffizienzmaßnahmen für Verbraucher, Mittelstand und Kommunen gesetzt werden. Auch die erfolgreiche Nationale Klimaschutzinitiative des BMU wird ab dem nächsten Jahr mit weiteren monetären Mitteln aus dem Sondervermögen nach Maßgabe des Wirtschaftsplans des Energie- und Klimafonds ausgestattet.

Ihre Sorge bezüglich einer wachsenden „Konzernokratie“ kann ich in diesem Zusammenhang nicht teilen. Die zu entrichtende Kernbrennstoffsteuer wird die anfallenden Gewinne von E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW um insgesamt 2,3 Milliarden Euro jährlich bis zum Jahr 2016 verringern. Zwischen 2011 und 2016 werden die vier großen Energieversorger zusätzlich 1,4 Milliarden Euro in ein Sondervermögen des Bundes zahlen. Ab dem Jahr 2017 wird dann von jeder Kilowattstunde Kernenergiestrom, der aus der Laufzeitverlängerung stammt, 0,9 Cent in dieses Sondervermögen eingezahlt, womit das Volksvermögen um mehr als 16 Milliarden Euro erhöht wird.

Nicht zuletzt werden im Rahmen des Effizienzfonds und der Nationalen Klimaschutzinitiative u.a. den Kommunen Mittel in dreistelliger Millionenhöhe zur Verfügung gestellt.

Wenngleich meines Erachtens eine Laufzeitverlängerung unserer Atomkraftwerke unvermeidlich ist, verstehe ich Ihre Sorge hinsichtlich der Sicherheit der Atomkraftwerke und der Lagerung des giftigen Atommülls. Selbstverständlich müssen sowohl die weiterbetriebenen Atomkraftwerke als auch die Zwischenlager den hohen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards entsprechen. Die Verlängerung der Laufzeit für die in Deutschland betriebenen 17 Atomkraftwerke beträgt im Durchschnitt 12 Jahre. Für die ältesten 7 Kraftwerke, die im Jahr 1980 in Betrieb genommen wurden, wird die Laufzeit lediglich um 8 Jahre verlängert, für die jüngeren Kraftwerke hingegen um 14 Jahre. Darüber hinaus weisen deutsche Kernkraftwerke im internationalen Vergleich den umfassendsten Grundschutz gegen gewaltsame Einwirkungen von außen, beispielsweise gegen gezielten Flugzeugabsturz auf.

Als Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung und setze ich große Hoffnungen in neue umweltfreundliche Technologien. Die Verlängerung der Laufzeiten ist für mich deshalb lediglich eine notwendige und vorübergehende Maßnahme zur Gewährleistung einer baldigen Stromversorgung durch erneuerbare, klimagerechte Energiequellen, die dennoch Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit für private Endverbraucher und Unternehmen garantieren.

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