Frage an Hermino Katzenstein bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Hermino Katzenstein
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Helmut H. •

Frage an Hermino Katzenstein von Helmut H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Eine Familie mit Ursprungsland Albanien wurde in einer Nacht- und Nebelaktion nach 16-monatigem Aufenthalt abgeschoben, eine Musterfamilie im Sinne positiver Integration.
Die 14-jährige Tochter ist Klassenbeste auch in Deutsch und Mathematik.
Die 9-jährige Tochter, hat fehlerfrei Deutsch gelernt und entwickelte sich in der Schule ebenfalls ausgezeichnet.
Die Mutter mit guten Deutschkenntnissen machte aktuell eine sehr erfolgreiche Ausbildung zur Altenpflegerin (ausgebildete albanische Krankenschwester).
Altenpflege ist ein absoluter Mangelberuf. Wir haben einen Pflegenotstand in der Altenpflege der sich in den nächsten Jahren noch wesentlich verschlimmern wird.
Der Vater hatte sich im Rahmen eines 1 Euro-Jobs im Bauhof der Stadt Neckargemünd nützlich gemacht. Eine Baufirma in Neckargemünd bot eine unbefristete Anstellung aber der Antrag auf Arbeitserlaubnis ist nun seit mehr als 7 Monaten immer noch nicht bearbeitet und beantwortet.
Eine anwaltliche Vorsprache beim Landratsamt und eine Petition scheiterten an der Ignoranz und Gleichgültigkeit der Behörden.
Aus welchen Gründen ...
- erfolgt eine Abschiebung für Flüchtlinge die eine hervorragende Integrationsleistung zeigen?
- erfolgt eine Abschiebung von Flüchtlingen, die in einem absoluten Mangelberuf arbeiten und so einen positiven Beitrag zur Lösung unseres Altenpflegenotstands leisten könnten?
- bearbeiten die Behörden einen Antrag auf Arbeitsgenehmigung seit 7 Monaten nicht, obwohl so auch ein positiver Beitrag zur Kostendämpfung der Staatshaushalte erwirtschaftet werden könnte?
- ist die Politik und sind die Behörden nicht in der Lage und willens zu differenzieren, zwischen Flüchtlingen die integrationsfähig und wertvoll für unsere Gesellschaft sind und solchen die Sprachkurse und Integration verweigern?
- werden die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer frustriert und demoralisiert durch einen Fall wie diesen, deren mühevollen Arbeitseinsätze ein wesentlicher Beitrag zur Integrationsleistung darstellen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Helmut (wir kennen uns ja persönlich),

entschuldige die späte Antwort, aber ich war in den letzten Wochen nahezu permanent unterwegs - und bin ja auch noch regulär berufstätig.

Die Geschichte mit der Nacht-und-Nebel--Abschiebung ist sehr bedauerlich - vor allem für die Familie B. selber!

Nach meiner Kenntnis hatte die Familie leider *nur eine **Aufenthaltsgestattung*. Nach derzeitiger Rechtslage erlangen Personen, die eine Aufenthaltsgestattung besitzen, mit der Aufnahme einer Arbeit oder einer Ausbildung kein gesondertes Aufenthaltsrecht. Die Integrationsleistung des Einzelnen spielt bei der Prüfung des Asylantrags im Hinblick auf die Gewährung von asylrechtlichem Schutz keine Rolle.

Bei Personen mit einer *Duldung hingegen *werden die individuellen Umstände und Integrationsleistungen bei der Verlängerung der Duldung bzw. bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels berücksichtigt.

Das ist sehr ärgerlich - aber wir haben derzeit nicht die politischen Mehrheiten für eine freundlichere und humanere Asylgesetzgebung. Wir Grüne setzen uns ja für den sogenannten "Spurwechsel" ein - dieser bedeutet, dass Menschen ohne Bleibeperspektive nach den Asylgesetzen in das Verfahren zur Arbeitsmigration wechseln können, ohne dass sie erst in ihre Heimat zurückkehren müssen, um den Antrag dann von dort zu stellen. Bedauerlich ist es zudem , dass es bei den momentanen Bundes(!)gesetzen keinen "Sonder"Spielraum für Menschen gibt, die zwar kein Anrecht auf Asyl/Schutz haben, sich aber sehr integrierungsfähig und -willig zeigen - wie die Familie B.

Ich gehe davon aus, dass die Familie vor der Abschiebung ein Schreiben zwecks freiwilliger Ausreise erhalten hat. Sie müsste auch ein Angebot für ein Beratungsgespräch erhalten haben. Wenn dies nicht wahrgenommen wird und die Ausreise nicht freiwillig erfolgt, kommt danach eine Abschiebung. Da sind den Behörden die Hände gebunden.

Bedauerlich ist es, dass diese Abschiebung mitten in der Nacht erfolgte, da dies für die Kinder (und alle übrigen Bewohner*innen des Hauses) sehr belastend und Angst-einflößend ist.

Mit besten Grüßen

Hermino Katzenstein

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