Rot - Grün ist mit seinem Afghanistan-Einsatz gescheitert und mit seiner Prostitutionspolitik- beides vor 20 Jahren. Werden Sie sich an der Fortführung einer gescheiterten Idee beteiligen?

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Jamila Anna Schäfer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Ina H. •

Rot - Grün ist mit seinem Afghanistan-Einsatz gescheitert und mit seiner Prostitutionspolitik- beides vor 20 Jahren. Werden Sie sich an der Fortführung einer gescheiterten Idee beteiligen?

Guten Tag,

als Rechtsanwältin engagiere ich mich ehrenamtlich für Umdenken in der Prostitutionspolitik. Heute fordern Politiker/Lobbyisten immer noch dasselbe wie vor 20 Jahren: "Menschenhändler, Zuhälter und Ausbeuter sollen stärker verfolgt und bestraft werden". Aber sie bekommen die Kriminalität nicht in den Griff. Man muss erkennen, wenn man sich selbst belügt. Schlimm aber, wenn Politiker wieder wegsehen und der Gesellschaft vortäuschen man könne alles regeln. Noch schlimmer wenn man auf Kosten der Schwächsten Gesetze macht, mit denen andere Milliardengeschäfte machen. Prostitution ist heute schon in der Illegalität - alles andere ist Lobby-Lüge. Die rot-grüne Gesetzgebung ist auch hier hoffnungslos. Schluss damit. Werden Sie sich an der Fortführung einer gescheiterten Idee beteiligen? Oder denken Sie über die Chancen und Hoffnungen nach, die das Nordischen Modell bietet? Im Gegensatz zu Afghanistan, gibt es einen konstruktiven Lösungsvorschlag.

VG I.H.

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Hansmann,

vielen Dank für Ihre Frage.

Ohne Zweifel hat das Prostitutionsgesetz seine Ziele nicht erfüllt. Die Arbeitsbedingungen vieler Menschen in der Prostitution haben sich durch das Gesetz nicht verbessert. Denn weiterhin findet ein Großteil der Prostitution im Dunkelfeld statt und vielen Menschen fehlt nach wie vor der Schutz vor sexueller Ausbeutung. Darum muss das Gesetz umfassend evauliert und reformiert werden.

Wir haben in Deutschland eine eindeutige Gesetzeslage gegen Menschenhandel und die Ausbeutung von Menschen in der Prostitution. Aber die Durchsetzung dieser Gesetze ist viel zu schwach, weil die Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden nicht ausreichen. Hier müssen wir ansetzen und die Behörden besser ausstatten. Außerdem haben viele Betroffene Angst oder nicht ausreichend Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen oder auszusteigen. Darum müssen niedrigschwellige Anlaufstellen ausgebaut werden. Zeug*innen müssen durch ein Aufenthaltsrecht vor Abschiebungen geschützt werden.

Es braucht mehr Prävention und Aufklärung in Deutschland und in den Herkunftsländern. Prostitutionsstätten müssen strenger kontrolliert werden.

Dennoch bezweifle ich, dass ein Verbot der Prostitution zum Ziel führt. Prostitution besteht weiterhin in der Illegalität. Das Geschäft würde vollständig in die Illegalität abgedrängt und ich befürchte gerade Frauen wären schutzloser und rechtloser als jetzt. Auch wenn man die Prostituierten selbst nicht bestrafen würde, wäre die Verquickung von organisierter Kriminalität und Prostitution noch stärker und die Zugänge für akzeptierende Beratung- und Ausstiegshilfen noch schwieriger.

Zu Afghanistan: Der Afghanistan-Einsatz hat seine Ziele nicht erreicht. Viele sprechen nun von einer Zäsur für westliche Außenpolitik. Aber kaum jemand sagt was das heißt. Ich bin überzeugt, dass das Ziel, Demokratie und Menschenrechte in Afghanistan zu stärken, niemals falsch war. Doch die Wege, die wir eingeschlagen haben, haben nicht zum Ziel geführt. Auch weil wir das eigentliche Ziel zu sehr aus den Augen verloren haben.

Es kann nicht sein, dass bei einem Bundeswehreinsatz, der Entwicklungsarbeit absichern soll, viel mehr Geld in militärische Absicherung gesteckt wird, als in die Entwicklungsarbeit selbst. Dass während des teuersten Krieges in der Geschichte der Menschheit, afghanische Kinder beim Müll sammeln mehr Geld für ihre Familien nach Hause bringen als wenn sie in die Schule gehen. Dass Abschiebungen aufrechtzuerhalten der Bundesregierung mehr wert ist, als ein realistischer Lagebericht. Dass Ortskräfte, die für unser Militär oder Demokratieprojekte arbeiten, dafür am Ende mit ihrem Leben bezahlen.

Deshalb darf Zäsur eben nicht heißen, dass wir uns von Menschenrechten verabschieden, es muss heißen, dass wir umso kohärenter und glaubwürdiger für sie eintreten müssen in allen Politikfeldern. Sonst ist unsere Politik schlicht unglaubwürdig. Über Frieden und Sicherheit nachzudenken darf nicht erst beginnen, wenn beides schon in Gefahr ist. Vorsorge und Nachhaltigkeit muss gerade auch in der Außenpolitik unsere Leitlinie sein.

Ich hoffe ich konnte Ihre Frage beantworten.

Mit freundlichen Grüßen
Jamila Schäfer

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