Frage an Jan Philipp Albrecht bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

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Jan Philipp Albrecht
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Frank M. •

Frage an Jan Philipp Albrecht von Frank M. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Hallo Herr Albrecht,

über diverse soziale Netzwerke wird in hunderttausenden Postings mal wieder der Hass gegen die EU und ihre Regelungswut geschürt. Bevor ich mich diesem Strom anschließe, möchte ich gern Ihre Einschätzung zu diesem Thema erfahren - ich vertraue nämlich der Presse und diesem Hörensagen nicht mehr. Stimmt es, dass in die Freiheit privater Gemüse- oder Obstzüchter eingegriffen werden soll, zu Gunsten großer Nahrungsmittel- und Saatgutkonzerne?

http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/04/23/eu-will-anbau-von-obst-und-gemuese-in-gaerten-verbieten/

Gibt es eine Kurzumschreibung für die tatsächlichen Beweggründe - diese alberne Vorstellung von EU-Politik kann doch nicht Realität sein?

Vielen Dank für die Mühe und Antwort.

Beste Grüße
FM

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Frank Martis,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich teile Ihr Unverständnis über den Vorschlag der Kommission über ein neues Saatgutrecht in Europa. Mein Fraktionskollege und zuständiger Fachpolitiker Martin Häusling, Mitglied und Koordinator für die Grünen/EFA im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, kommentierte die Pläne der Kommission am 06.05.13 in einer Pressemitteilung:

"Die Vorlage der EU-Kommission für ein neues, europaweites Saatgutrecht ist ein Schlag ins Gesicht all jener Züchter, die sich seit Jahren um mehr Artenvielfalt im Acker-, Obst- und Gemüseanbau kümmern. Mit der Vereinheitlichung des Rechts, das die gegenseitige Anerkennung des nationalen Rechts ablösen soll, werden teure europaweite Zulassungsverfahren nötig. Das schwächt gerade die vielen innovativen mittelständischen Zuchtunternehmen, die sich diese Verfahren nicht werden leisten können.
Gestärkt werden sollen stattdessen Konzerne, die ein Interesse an einem auf wenige, aber hochprofitable Sorten beschränktes Saatgutspektrum haben, das allein auf hohen Output gezüchtet ist. Es profitieren die Erzeuger von Hybrid-Saatgut und jene Unternehmen, die nun mit Rückendeckung der Kommission globale Märkte bedienen und dabei ein „Rundumsorglos-Paket“ mit Saatgut, Dünger und Pestiziden anbieten.
Verprellt aber werden jene, denen es um die Erzeugung regionaler Sorten und von Saatgut für den ökologischen Markt geht. Ihnen werden zwar Sonderrechte zugestanden. So bleiben zwar Erzeugnisse von Unternehmen registrierungsfrei, die weniger als zwei Millionen Euro Umsatz haben und weniger als zehn Mitarbeiter haben. Damit werden sie jedoch in eine Nische abgedrängt oder zu Hobbyzüchtern degradiert. Dort gehören sie aber nicht hin, denn auch kleine Erzeuger benötigen den vollen Zugang zum Markt. Der soll ihnen künftig verwehrt bleiben, folgt man den heute veröffentlichten Plänen der Kommission.
Es stellt sich die Frage, warum wir überhaupt ein europaweit gültiges Saatgutrecht brauchen? Ich bin durchaus für die Harmonisierung der Rechtssysteme, nicht aber für die Zentralisierung, denn sie zerstört im Saatgutbereich die schöpferische Kraft kleiner Unternehmen und Initiativen." (siehe: http://www.martin-haeusling.eu )

Ich schließe mich dieser Argumentation an. Statt die Artenvielfalt in Europa zu schützen, wird der Vorschlag die Artenvielfalt in Europa zerstören. Zwar hat die Kommission Ende April Berichte zurückgewiesen, nach denen auch HobbygärtnerInnen von der Regulierung betroffen wären, jedoch dürften nach den Plänen der Kommission im Handel nur solche Saatgüter verkauft werden, welche ein teures Zulassungsverfahren hinter sich haben. Ein Zulassungsverfahren kann bis zu 12.000 Euro kosten - kleinere Saatguthersteller können sich das nicht leisten und werden vom Markt verdrängt. Dadurch wird eine Monopolisierung des Saatgutmarktes zu Gunsten von Unternehmen wie Monsanto gefördert. Dass diese zunehmend Hybrid-Sorten in den Handel bringen, die nicht vermehrt werden können, zeigt worum es in dieser Richtlinie wirklich geht: um die Profite großer Agrarkonzerne.

In diesem Sinne freue ich mich über den öffentlichen Protest, den die Pläne der Kommission ausgelöst haben. In der Tat bedarf es allgemein einer noch größeren europäischen Öffentlichkeit, die Vorschläge und Diskussionen kritisch begleitet. Wir Grüne werden uns im Europäischen Parlament mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die geplante Saatgutverordnung in dieser Form nicht verwirklicht werden wird. Wir werden für einen echten Schutz der europäischen Artenvielfalt und für die Rechte von Kleinbauern und Hobbygärtnern eintreten.

Mit freundlichen Grüßen

Jan Philipp Albrecht