Frage an Jan Philipp Albrecht

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Jan Philipp Albrecht
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage an Jan Philipp Albrecht von Jan S.

Sehr geehrter Herr Albrecht,

wie stehen Sie dazu, dass die EU die ausgesprochen effektive [1] Operation Mare Nostrum eingestellt (oder zumindest nicht unterstützt) hat und infolge dessen auch in diesem Jahr wieder zahllose Menschen gestorben sind, die durch Mare Nostrum wahrscheinlich gerettet worden wären? Sind die Grenzsicherung durch Triton und Frontex und die wirtschaftlichen Bedenken, die damit einhergehen, in Ihren Augen mehr wert als die Leben dieser ertrunkenen Menschen? Plant die EU eine neue Operation zur Seenotrettung oder wird weiter auf eine allem Anschein nach ineffektive [2] und damit schlichtweg verantwortungslose und menschenverachtende Methode gesetzt? Warum?
Ist alternativ vielleicht geplant, sicherere Reisewege für Geflüchtete zu öffnen?

Von allgemeinen Diskussionen abgesehen interessiert mich auch Ihre persönliche Meinung sowie die der Grünen.

Vielen Dank.
J. S.

[1] http://www.sos-europe-amnesty.eu/triton-is-no-substitute-for-life-saving-mare-nostrum-news/
[2] https://www.amnesty.org/en/articles/news/2015/04/mediterranean-crisis-50-fold-increase-in-deats-amid-european-inaction/

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter J. S.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.

Die aktuelle Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer ist erschreckend und unerträglich, das Verhalten der Europäischen Union beschämt unsere gesamte Grüne Fraktion im Europäischen Parlament zutiefst!

Endlich hat das Europäische Parlament am 29.04.2015 in seiner Resolution zu den Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer einen humanitären Seenotrettungseinsatz nach dem Vorbild der italienische Rettungsaktion Mare Nostrum gefordert. Eine Mehrheit im Parlament ist damit einem von Ska Keller für die Grüne/EFA-Fraktion eingereichten Änderungsantrag gefolgt. Unten mehr dazu.

Die Europafraktion der Grünen fordert außerdem einen radikalen Wandel in der europäischen Flüchtlingspolitik. Hier sind unsere wichtigsten Forderungen:

http://www.greens-efa.eu/fileadmin/dam/Documents/Green_demands_for_a__radica
l_shift_of_EU_asylum_policies_final_DE.pdf

Die Resolution ist ein klares Signal an die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission, mehr für die Rettung von Flüchtlingen zu tun. Der Wortlaut des angenommenen Änderungsantrags zu einem humanitären Seenotrettungsprogramm lautet:

[The European Parliament] calls for a robust and permanent humanitarian European rescue operation, which, like Mare Nostrum, should operate in the high sea and to which all Member States should contribute financially and with equipment and assets; urges the EU to co-fund the operation.

Als Sofortmaßnahme fordert das Parlament außerdem, dass das Einsatzgebiet von Triton ausgeweitet wird. Weitere wichtige Forderungen:

Ohne es explizit so auszusprechen fordert das Europaparlament eine Alternative zum Dublin-System. Es fordert die Kommission auf, bindende Quoten für die Verteilung von Asylsuchenden unter den Mitgliedsstaaten einzuführen. Das Parlament will außerdem mehr legale und sichere Zugangsmöglichkeiten für Flüchtlinge in die EU schaffen. Es fordert die Mitgliedsstaaten auf, mehr Flüchtlinge über das Resettlementprogramm des UNHCR aufzunehmen und mehr humanitäre Visa auszustellen. Unsere weitere Forderung nach einer Befreiung von SyrerInnen von der Visumspflicht für Europa hat leider keine Mehrheit gefunden.

Außerdem fordert das Europäische Parlament den Ministerrat auf, die Aktivierung der Richtlinie zum vorrübergehenden Schutz "ernsthaft in Erwägung zu ziehen". Die Richtlinie sieht bei einem großen Zustrom von Flüchtlingen einen Solidaritätsmechanismus zwischen den Mitgliedstaaten vor.

Weniger zufrieden sind wir mit Forderungen nach einem verstärkten Kampf gegen Schlepper, denen in der Resolution auch die Alleinverantwortung für die vielen toten Flüchtlinge zugeschrieben wird. Da haben sich leider die Konservativen durchgesetzt.

Diese Katastrophe kann keinen Augenblick länger hingenommen werden und
Europa muss sich endlich seiner Verantwortung bewusst sein.

Mit freundlichen Grüßen
Jan Philipp Albrecht