Frage an Kirsten Kappert-Gonther bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Kirsten Kappert-Gonther
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Herwig L. •

Frage an Kirsten Kappert-Gonther von Herwig L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

1. Welche Schwerpunkte setzen Sie, um Bremen voranzubringen in Ihrer Arbeit als zukünftiges Mitglied des Bundestages?
2. Welche Position werden Sie in der Flüchtlingsfrage vertreten?
3. Welche Position werden Sie in der "Dieselfrage" vertreten?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr L.,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich im Folgenden der Reihe nach beantworten möchte.

1. Welche Schwerpunkte setzen Sie, um Bremen voranzubringen in Ihrer Arbeit als zukünftiges Mitglied des Bundestages?

Mein Mandat in der Bremischen Bürgerschaft übe ich seit 2011 aus. In dieser Zeit habe ich mich insbesondere in den Bereichen Gesundheits-, Religions- und Kulturpolitik für mehr gesellschaftliche Teilhabe und eine gerechtere Verteilung von Chancen eingesetzt. Dieses Engagement will ich mit nach Berlin tragen und mich dort für den Zugang zu einem guten Gesundheitssystem für alle, bessere Bedingungen in der Pflege und für eine Verbesserung der Versorgung psychisch kranker Menschen einsetzen. Als Ärztin sehe ich täglich in meiner Praxis, was Menschen benötigen und umtreibt – und welche Bedarfe sich daraus ergeben. Der Bundestag ist das Forum, in dem Strukturen geschaffen werden können, die dazu taugen, Gerechtigkeit herzustellen, Teilhabe für alle zu ermöglichen und den oder die Einzelne zum eigenverantwortlichen Handeln zu befähigen.

Meine Heimatstadt Bremen wird einen zentralen Bezugspunkt in meiner Arbeit einnehmen. Auf der einen Seite will ich Bremens Erfahrungen gelebter kultureller Vielfalt und interreligiösen Dialogs mit nach Berlin nehmen – auch der Bund kann in vielen Bereichen von unserem kleinen Bundesland lernen. Auf der anderen Seite werde ich mich in Berlin für Bremer Interessen stark machen. An erster Stelle steht hier für mich die Bekämpfung von Kinderarmut: Im Bundestag wollen wir Grüne ein großes Reformpaket auf den Weg bringen, um Kinderarmut zu bekämpfen, Familien finanziell zu entlasten und die Unterstützung von Alleinerziehenden deutlich zu verbessern. Wir wollen damit in die Entwicklung lebenswerter Quartiere, in Kindertagesstätten, Schulen, Stadtbüchereien, Jugendzentren und bezahlbare Wohnungen investieren – all das sind Orte, auf die Menschen mit wenig Geld besonders angewiesen sind, von deren guter Ausstattung aber die gesamte Gesellschaft profitiert. Ebenso setze ich mich für Investitionen in Bildung und öffentliche Infrastruktur ein, um Bremen weiterhin als Forschungs- und Entwicklungsstandort zu fördern und auszubauen.

Nicht zuletzt ist für mich als Grüne klar: Klimaschutz ist eine der zentralen politischen Aufgaben der Zukunft – lokal, national und global. Ich will, dass auch künftig die Menschen sauberes Trinkwasser und gute Luft zum Atmen haben. Dafür brauchen wir eine konsequente Verkehrswende und den vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien. Ich werde mich für eine Agrarwende und das Ende der Massentierhaltung einsetzen.

2. Welche Position werden Sie in der Flüchtlingsfrage vertreten?

Als Grüne streite ich in erster Linie für eine humane, menschenrechtsorientierte und gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik. Weltweit sind über 65 Millionen Menschen auf der Suche nach Schutz für sich und ihre Familien. Sie fliehen vor Krieg, politischer Vertreibung und Verfolgung, immer häufiger auch vor den Folgen der Klimakrise und Umweltzerstörung.

Wir Grüne kämpfen entschlossen für das individuelle Grundrecht auf Asyl. Der uneingeschränkte Zugang zu einem fairen Asylrechtsverfahren muss garantiert sein. Die inhumanen Asylrechtsverschärfungen der letzten Jahre lehnen wir ab. Sie behindern vielfach die Integration. Mit uns gibt es auch keine Grundgesetzänderung für eine Obergrenze beim Asylrecht.

Wir Grüne wollen Integrationsangebote von Anfang an allen Schutzsuchenden öffnen. Dazu braucht es einen Anspruch auf Teilnahme an gut ausgestatteten Integrationskursen, angemessen bezahlte Kursleiter*innen, eine möglichst dezentrale Unterbringung und den Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe, Bildung und Ausbildung sowie arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Ausländerbehörde, Jobcenter respektive die Bundesagentur für Arbeit und das Sozialamt sollen die Neuankommenden aus einer Hand beraten.

Auch auf internationaler Ebene muss an den Stellschrauben gedreht werden: Wir arbeiten darauf hin, dass alle europäischen Mitgliedstaaten eine solidarische Flüchtlingspolitik unterstützen. Wir wollen wieder offene Grenzen im Schengen-Raum. Europa hat gegenüber Afrika eine historische Verantwortung und wir sind vielfältig miteinander verbunden. Wir wollen einen Grünen Zukunftspakt mit den Ländern in Afrika, der gemeinsam erarbeitet wird und der die Agenda der Afrikanischen Union unterstützt. Im Zentrum stehen zivile Krisenprävention und der Aufbau von rechtsstaatlichen Strukturen sowie funktionierende Steuersysteme. Wir wollen eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung fördern durch den Ausbau erneuerbarer Energien sowie sozial-ökologische Investitionen. Insbesondere verfolgen wir hierbei eine gerechte Agrar- und Handelspolitik mit einer fairen Zusammenarbeit mit afrikanischen Produzent*innen und einer nachhaltigen Weiterentwicklung der afrikanischen kleinbäuerlichen Landschaft. So schaffen wir Perspektiven für die Menschen in Afrika.

3. Welche Position werden Sie in der "Dieselfrage" vertreten?

Spätestens die Dieselskandale zeigen, dass Gesundheits- und Klimaschutz entscheidende politische Aufgaben der Zukunft sind. Jährliche Messungen zeigen, dass vielerorts Grenzwerte bei Feinstaub und Stickoxiden überschritten werden. Hauptursache sind Millionen von Dieselautos, die infolge der Tricks und Manipulationen der Autoindustrie die Grenzwerte im Alltagsbetrieb oft um ein Vielfaches überschreiten. Wir wollen, dass die betroffenen Autos so schnell wie möglich auf Kosten der Hersteller nachgerüstet werden, damit die Halter*innen nicht die Leidtragenden von Fahrverboten sind.

Unsere Autos sollen nicht nur im Labor die vorgeschriebenen Grenzwerte einhalten. Was zählt, ist der Verbrauch auf der Straße. Anders als die Große Koalition, die den Betrug der Autokonzerne an Umwelt und Verbraucher*innen gedeckt und vertuscht hat, finden wir Grüne uns nicht damit ab, dass Abgasvorschriften für Pkw nur auf dem Prüfstand eingehalten werden. Wir werden diesen Schwindel und die bewusst in Kauf genommene Verletzung unserer Gesundheit beenden. Abgas- und Verbrauchstests müssen realistisch und ihre Ergebnisse nachvollziehbar werden.

Um die Menschen zu schützen und die Schadstoffbelastung der Atemluft zu verringern, wollen wir eine blaue Plakette einführen, emissionsfreie Mobilität fördern, einen Großteil der Beförderungsleistung auf den ÖPNV und das Rad verschieben, die notwendige Nachrüstung von Baumaschinen, Dieselloks et cetera fördern und so die Einhaltung strenger Luftreinhaltungsnormen sicherstellen. Nur so kann es gelingen, die Luft in unseren Städten sauber zu bekommen.

Für mich als Grüne ist klar: Ab 2030 sollen nur noch abgasfreie Autos neu zugelassen werden. Das Zeitalter der fossilen Verbrennungsmotoren ist dann zu Ende. Elektromobilität als Chance für eine klimafreundliche Mobilität ist aber mehr, als nur den Verbrennungsmotor in Autos durch einen Elektromotor zu ersetzen. Dafür sind jetzt die steuerlichen, fiskalischen und infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen. So kann Deutschland die Klima- und Umweltziele erfüllen und die Industrie ihre Entwicklungsarbeit verlässlich auf die gesamte Elektromobilität ausrichten. Wer an Diesel- und Ottomotoren festhält, hemmt die Fahrzeugindustrie, sich fit für das 21. Jahrhundert zu machen.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Kirsten Kappert-Gonther

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