Wird der Gesundheitsausschuss die neuesten Zahlen zu ME/CFS-Erkrankten in Deutschland im Jahr 2022 von der KBV umgehend einholen oder ist dies sogar bereits bekannt?

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Kirsten Kappert-Gonther
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Frage von Stefan A. •

Wird der Gesundheitsausschuss die neuesten Zahlen zu ME/CFS-Erkrankten in Deutschland im Jahr 2022 von der KBV umgehend einholen oder ist dies sogar bereits bekannt?

Durch die Anhörung im Gesundheitsausschuss des Dt. Bundestages zu ME/CFS im April 2023 wurde durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, für viele überraschend genau, bekannt, dass in Deutschland vor der Pandemie schon 350.000 bis 400.000 ME/CFS-Behandlungsfälle (mit Diagnose G93.3 nach ICD-10‐GM) vorlagen, im Jahr 2021 wurden bereits knapp 500.000 Patienten dokumentiert. Hinzu kommen die nach wie vor hohe Dunkelziffer sowie weitere Fälle infolge Corona und vielen anderen Infekten ab dem Jahr 2022. Wird der Gesundheitsausschuss die sehr relevanten neuesten Zahlen für das Jahr 2022 von der KBV und ggf. zusätzlich den Krankenkassen umgehend einholen und veröffentlichen? Diese Transparenz bei ME/CFS wäre für die Politik, Forschung, Ärzteschaft und Gesellschaft sehr wichtig. Kann die KBV verpflichtet werden, diese sehr relevanten Zahlen künftig jährlich für das Vorjahr schnellstmöglich zu veröffentlichen? Die KBV tat dies leider von sich aus nie. Es wäre aber enorm wichtig gewesen.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr A., danke für Ihre Anfrage.

Die Zahlen der KBV sowie Zahlen aus anderen Quellen fließen grundsätzlich ein in die Arbeit der Mitglieder der demokratischen Fraktionen im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages.

Es gibt allerdings weitere Zahlen, die öffentlich zugänglich sind und die auch in die Beratungen einfließen. Insgesamt muss nach unterschiedlichen Quellen davon ausgegangen werden, dass es durchaus abweichende Schätzungen zur Diagnose und damit Prävalenz von ME/CFS gibt, die auf dem Ausschluss anderer mit Fatigue in Verbindung gebrachter Erkrankungen basieren, da bislang kein praktikabler Biomarker zur Verfügung steht.

Die KBV weist daher auch in ihrer Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung hin, dass „[d]ie sichere Diagnose eines ME/CFS dennoch bislang durch die Verwendung unterschiedlicher diagnostischer Kriterien erschwert wird […]. Zwar konnte sich zuletzt ein Konsens zu Kernsymptomen der ME/CFS finden, dennoch sind abweichende Angaben zu obligatorischen und fakultativen Symptomen oder auch der Mindestdauer von Symptomen in den aktuell gängigsten Kriterien zu finden.“

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) geht auf Basis von internationalen Studien davon aus, dass in Deutschland etwa 0,1 Prozent von ME/CFS betroffen sind und nimmt rund 70.000 Erkrankte an. Das IQWiG sieht die weite Spanne der Schätzungen als Folge der schwierigen Diagnose, die sich nicht auf klare Kriterien wie bestimmte Blutwerte berufen kann. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der sich in der öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss auf die Veröffentlichung des IQWiG bezog, geht davon aus, dass sich die Zahl der Betroffenen aufgrund der Corona-Pandemie noch vergrößern wird.

Der Bundestag hat im Dezember mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz den Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragt, bis Ende dieses Jahres eine Richtlinie für die interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik von Long-Covid und ähnlichen Krankheitsbildern wie etwa ME/CFS zu erarbeiten. Darauf werden wir genau schauen und ggf. etwaige Schritte zur Erhebung und Veröffentlichung von Diagnosedaten abwägen.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Kirsten Kappert-Gonther

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