Frage an Ludwig Hartmann bezüglich Wirtschaft

Porträt von Ludwig Hartmann.
Ludwig Hartmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Manfred K. •

Frage an Ludwig Hartmann von Manfred K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Hartmann,

vermutlich wollen auch Sie bzw. die Grünen den Wirtschaftsstandort Bayern fördern und ausbauen wie die seit zig-Jahren regierende CSU es in der Vergangenheit nicht ganz erfolglos getan hat.
Wie wollen Sie das konkret für den Mittelstand in Bayern (Handwerk, Dienstleistungssektor, Bauern) erreichen und welche Projekte nehmen die Grünen sich vor?

Mit freundlichen Grüßen

Manfred K.

Porträt von Ludwig Hartmann.
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Manfred K.,

Vielen Dank für ihr Interesse an meiner Person und an Grüner Wirtschaftpolitik für Bayern.

"Nicht ganz erfolglos" ist denke ich eine korrekte Bezeichnung der bayerischen Wirtschaftspolitik. Statt sich etwa um die Versorgung des ländlichen Raums mit Breitbandanschlüssen zu kümmern, setzt die Staatregierung milliardenschwere Prestigeprojekte in den Sand und verteilt nach dem Gießkannenprinzip Subventionen, die vor allem von Großbetrieben genutzt werden können. Zwar kann man allein nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung davon ausgehen, dass irgendwo ein paar verdorrte Früchte mehr eingefahren werden können, aber mit Effizienz und nachhaltiger Wirtschaftpolitik hat dies sicherlich nichts zu tun.

Ich stehe hinter den Beschlüssen meiner Partei und den zahlreichen Initiativen unserer Grünen Landtagsfraktion. Wir Grüne stellen uns den Herausforderungen moderner Wirtschaftspolitik als multidimensionales Zusammenwirken vieler Politikbereiche. Grüne Wirtschaftspolitik für Bayern heißt: die ökologische Modernisierung voranbringen, den Mittelstand fördern, sozial Schwache am gesellschaftlichen Reichtum beteiligen, Innovationen anschieben und unterstützen, die kommunale Daseinsvorsorge garantieren, das Bildungssystem leistungsfähig, hochwertig und gerecht gestalten, eine gut funktionierende, ökologisch und sozialverträgliche Infrastruktur schaffen.

Da Sie speziell nach unseren Projekten für den Mittelstand nachgefragt haben, will ich auch nur diesen Punkt weiter ausführen:

- Bildungspolitik ist Mittelstandspolitik
Investitionen in Bildung und Forschung müssen weiter erhöht werden, um einer
stärker international ausgerichteten Hochschulausbildung Impulse geben zu können. Es gilt den Wissenstransfer aus Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen wie auch die Forschungsförderung generell stärker in die Richtung kleiner und mittlerer Unternehmen zu lenken. Durch die stärkere Verbindung der Hochschulforschung mit den Forschungsinstituten und dem Mittelstand können Hunderttausende neue Arbeitsplätze entstehen. Zur Finanzierung möchten wir Mittel aus dem Subventionsabbau verwenden. Außerdem kann es nicht sein, dass jeder 10. Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlässt. Eine längere gemeinsame Schulzeit, flächendeckende Versorgung mit Ganztagsschulen, mehr Lehrerinnen und Lehrer, kleinere Klassen, mehr individuelle Förderung und mehr Vielfalt sind unsere Grünen Leitziele für die bayerische Bildungspolitik. Denn nur von Anfang an gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können den Mittelstand nachhaltig effizient unterstützen.
Zur Optimierung der Ausbildungsmöglichkeiten junger Menschen fordern wir
ferner
- Ganztagsschulen, in denen berufsbezogenes Wissen in Theorie und Praxis vermittelt wird;
- eine intensivere Zusammenarbeit der Schulen mit regionalen Ausbildungsnetzwerken;
- den Zusammenschluss von kleinen Firmen in einem Ausbildungsverbund;
- anerkannte Ausbildung in Vollzeit-Berufs- und Fachschulen;
- die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Betriebe zur beruflichen
Ausbildung.

- Umweltpolitik ist Mittelstandspolitik
Erfolgreiche Wirtschaftspolitik und erfolgreiche Umweltpolitik stellen für uns keinen Widerspruch dar, im Gegenteil: Moderne Wirtschaftspolitik lässt sich auch an Nachhaltigkeit und ökologischer Tragfähigkeit messen. Besondere Anliegen grüner Wirtschaftspolitik waren und sind die Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen und die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe. Denn das sich mit grünen Projekten schwarze Zahlen schreiben lassen, ist längst belegt: Energetische Sanierung, der Ausbau von Solartechnik und Windkraft oder die Einführung des Dosenpfandes (gegen den Widerstand der Staatsregierung) dienen nicht nur dem Umweltschutz, sondern stärken Handwerksbetriebe bzw. mittelständische Brauereien und sorgen für eine hohe Wertschöpfung in den bayerischen Regionen. Wir wollen deshalb die Bayerische Bauordnung ändern mit dem Ziel, die Nutzung erneuerbarer Energien bei Neubauten verpflichtend zu machen. Außerdem müssen die Einhaltung der Energiesparverordnung wirksam überprüft und Maßnahmen zur Energiesanierung besser gefördert werden. Wir Grüne setzen auf die Förderung umwelt- und ressourcenschonender, intelligenter Technologien und Produktionsverfahren, weil dieser Bereich auch im globalen Maßstab immer wichtiger wird. Umweltschutz ist ein wichtiger Standortfaktor, gerade auch in und für Bayern. So ist etwa der Tourismus, zweitgrößter Wirtschaftszweig in Bayern, darauf angewiesen, dass Natur und Umwelt in Bayern nicht weiter zerstört werden.

- Grüne Politik ist Mittelstandspolitik
Wir Grüne machen gezielte Politik für den Mittelstand. Mittelstandsfeindliche Aktionen der CSU, wie die Begünstigung von Großmärkten auf der grünen Wiese, die Blockade des Dosenpfandes oder das Überfordern kleiner und mittelgroßer Unternehmen mit überbürokratischen Anforderungen, wird es mit uns nicht geben.
Wir wollen dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge möglichst in kleinen Losen vergeben werden, also weniger an Generalunter- oder -übernehmer gehen.

Wir fordern deshalb die Umsetzung des ursprünglich von der CSU selbst mit erarbeiteten und unterstützten Mittelstandsfördergesetzes, wie es in den Änderungsanträgen der grüne Landtagsfraktion im Bayerischen Landtag in 2007 eingebracht wurde.
Es gilt die Wirtschafts- und Strukturförderung in Bayern zu reformieren. Die schier endlose Zahl von Förderprogrammen ist für viele kleinere und mittlere Unternehmen unüberschaubar und kann deshalb von ihnen auch nicht systematisch genutzt werden. Umgekehrt werden durch diese Intransparenz Mitnahmeeffekte begünstigt.
So hat aus Grüner Sicht die Herstellung von Transparenz und die Evaluierung
der einzelnen Fördermaßnahmen Vorrang. Die Förderprogramme müssen thematisch
konzentriert und übersichtlicher ausgestaltet werden.
Ferner sollte die starke Konzentration auf Investitionsförderung aufgegeben werden. Statt dessen werden wir Grüne mehr auf Beratungsprogramme, z.B. Finanzierungs-, Übernahme- und Gründungsberatung, und auf Programme, welche die Eigenkapitalbildung insbesondere in kleineren und mittelständischen Unternehmen, unterstützen bzw. der Konsolidierung dienen, setzen.

- Bundespolitische Rahmenbedingungen
Die rot-grüne Bundesregierung hat mit einer Reihe von Maßnahmen die Bedingungen für umweltgerechtes Wirtschaften und für eine erfolgreiche Regionalwirtschaft verbessert. Zu nennen sind hier insbesondere die Ökosteuer und das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG).
Bündnis 90/Die Grünen wollen den mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG)
und dem Ganztagschulprogramm begonnenen Weg fortsetzen. Wir wollen einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr, die Gebührenbefreiung des letzten Vorschuljahres und die Höherqualifizierung von Erzieherinnen und Erziehern auf Hochschulniveau. Damit wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mütter und Väter deutlich verbessert. Dem Mittelstand stehen so Hunderttausende qualifizierter Arbeitnehmer mehr zur Verfügung.
Mit der Handwerksreform und der gezielten Förderung der Selbstständigkeit aus der Arbeitslosigkeit heraus haben wir einen regelrechten Gründungsboom in Deutschland ausgelöst. Wir wollen den Gründungsgeist und den Ideenreichtum der Bürger weiter fördern und weitere Berufe von dem Meisterzwang befreien.

Wir Grüne in Bayern wollen keine Förderung überkommener Strukturen oder sündteurer Prestigeprojekte, keine Staats- und keine Spezlwirtschaft.

Ich hoffe Ihnen mit diesen Zeilen eine befriedigende Antwort geliefert zu haben. Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen selbstverständlich weiterhin zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Ludwig Hartmann

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