Wieso fließen Unmengen an deutschen Steuergeldern für Projekte, deren Nutzen für das deutsche Volk nicht ersichtlich sind, ins Ausland, während man dem deutschen Steuerzahler Kürzungen zumutet?

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Matthias Mieves
SPD
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Frage von Jürgen C. •

Wieso fließen Unmengen an deutschen Steuergeldern für Projekte, deren Nutzen für das deutsche Volk nicht ersichtlich sind, ins Ausland, während man dem deutschen Steuerzahler Kürzungen zumutet?

Wieso ist die Bundeswehr in Auslandeinsätzen, während gejammert wird sie sei noch nicht mal in der Lage Deutschland zu verteidigen, weil die Ausrüstung fehlt oder marode ist?
Wieso bekommen Länder wie Indien und China deutsche Entwicklungshilfe?
Wer zahlt die Waffen für die Ukraine?
Wieso zahlen wir Gelder an die Palästinenser und jetzt wohl auch den Libanon, wo wir doch hinter Israel stehen (Deutsche Staatsräson!)
Wieso Entwicklungshilfe für Syrien? Die Syrer sind doch eh bald alle bei uns. Unterstützen wir Assad?
Wieso gehen die Parlamentarier nicht mal als Vorbild beim Sparen voran (Diäten und sonstige Bezüge, Größe der Parlamente auch der Bundesländer)?
Wozu brauchen wir ein neues Kanzleramt für 800 Mio?
Wieso arbeiten bei uns so wenige Ukrainer im Vergleich zu anderen europ. Ländern?
Ich könnte noch stundenlang weiter machen, weil ich nicht verstehe warum man das deutsche Volk zu gunsten von Ausländern so abzockt. Möchte man die AfD an die Macht bringen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr C.,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die mir die Gelegenheit gibt, allgemein und auch konkret im Hinblick auf Ihre Einzelfragen die Falschbehauptung auszuräumen, Deutschland gäbe viel Geld für „andere“ aus, aber wenig für „das eigene Volk“. Dazu einleitend zwei Zahlen, die für sich sprechen: Trotz des Sparzwangs für den Bundeshaushalt 2024 werden unsere Bürgerinnen und Bürger durch Steuersenkungen um 15 Mrd. Euro entlastet. Es wird zudem ganz normal die jährliche Rentenerhöhung geben (kein Einfrieren der Renten, geschweige denn Kürzungen), die Sozialleistungen bleiben ebenfalls stabil. Die zweite wichtige Zahl: Deutschland hat seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine mit den drei großen Entlastungspaketen die inländischen Bürger und die Wirtschaft um 96 Mrd. Euro in der Energiekrise entlastet bzw. unterstützt.

Und hier kommen die Antworten in Stichpunkten auf Ihre Einzelfragen:

1. Falls Sie die Entwicklungshilfe meinen: Diese hilft nicht nur den Menschen in den betroffenen Ländern, sondern auch uns. In einer globalisierten Welt haben z. b. Bürgerkriege und Hungersnöte in anderen Ländern mittelbare und auch unmittelbare negative Auswirkungen auf uns in Europa. Zudem wird im Zuge der Haushaltskürzungen auch bei der Entwicklungshilfe gespart - nicht nur (wie Ihre Frage suggeriert) - bei Haushaltsposten, die uns intern betreffen. Das Thema Entwicklungshilfe werde ich bei nachfolgenden Antworten nochmals aufgreifen.

2. Bei Auslandseinsätzen agiert die Bundeswehr punktuell, mit kleinen Einheiten und in Kooperation mit anderen NATO-Partnern. Das ist eine andere Ausgangsposition, als wenn Deutschland beispielsweise wie die Ukraine  von einem anderen Land militärisch angegriffen würde. Um die Bundeswehr auf allen Ebenen fit für die möglichen Herausforderungen der Zukunft und damit auch kriegstauglich zu machen, wie Boris Pistorius, unser Bundesminister der Verteidigung sagt, gibt es das Sondervermögen Bundeswehr über 100 Mrd. Euro. Damit kann die Bundeswehr Mittel zusätzlich zum jährlichen Etat aus dem Bundeshaushalt investieren.
 

3. Zunächst zu China:  Deutschland zahlt keine Entwicklungsgelder an China. Seit 2010 gibt es keine bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mehr zwischen Deutschland und China. Die noch bestehende Zusammenarbeit des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit China konzentriert sich darauf, dass beide Länder gemeinsam sogenannte globale öffentliche Güter bereitstellen und schützen wollen, wie etwa Klimaschutz und Gesundheit.

Dass China trotzdem in den Statistiken zur offiziellen Entwicklungszusammenarbeit auftaucht, liegt unter anderem daran, dass zum Beispiel Kosten für chinesische Studierende an deutschen Hochschulen dort eingerechnet werden. Dieser Austausch ist im deutschen Interesse, da viele der chinesischen Studierenden nach ihrem Studium zu den engen wirtschaftlichen Beziehungen beitragen, indem sie zum Beispiel für deutsche Unternehmen arbeiten, die eng mit China zusammenarbeiten.

Zu Indien: Auch hier gibt es keine klassische Entwicklungshilfe sondern punktuelle Zusammenarbeit. Das Ziel dabei ist es, gemeinsam mit Indien globale Herausforderungen wie den Klimawandel zu bekämpfen. Denn hierfür ist eine Kooperation mit großen und aufstrebenden Ländern wie Indien zwingend. Auch geopolitisch ist Indien als größte Demokratie der Welt ein wichtiger Partner.

Anders als in Ländern mit einem niedrigeren Bruttoinlandsprodukt funktioniert die Zusammenarbeit mit Indien zu rund 90 Prozent über günstige Kredite. Das bedeutet: Indien zahlt diese Mittel verzinst wieder zurück. Für den größten Teil der deutsch-indischen Zusammenarbeit ist daher gar kein Steuergeld nötig. Entscheidend ist: Wenn diese Investitionen dazu führen, dass das bevölkerungsreichste Land der Welt sich in Richtung Klimaneutralität entwickelt, profitieren am Ende alle Menschen weltweit, egal, ob in Indien oder in Deutschland.

4.Die Waffen, die Deutschland für die Ukraine liefert, werden aus dem Staatshaushalt gezahlt. Die Unterstützung der Ukraine ist im deutschen und europäischen Interesse. Russland strebt eine  Besetzung der Ukraine an, was für Putin bedeutet, dass er sein Reich erweitern würde, um strategische Bereiche wie das Schwarze Meer zu kontrollieren. Das gäbe ihm die Möglichkeit, von dort aus ggf. auch Angriffe gegen Europa einfacher koordinieren zu können.

Putin strebt im Übrigen mittel- bis langfristig ein russisches Reich in Grenzen an, die bis in die jetzige EU reichen. Gerade die Baltischen Staaten liegen in Putins Interesse und ein Überfall dort nach Vorbild der Ukraine wäre denkbar und problematisch, da durch diesen Angriff der Nato-Bündnisfall eintreten würde.

5.  Bei den Ländern, die Sie aufzählen, muss die Zivilbevölkerung unverschuldet leiden. Man kann z. B. nicht wegen der Gräueltaten der Hamas den hungernden palästinensischen Zivilisten Hilfe versagen. Auch die aktuelle Lieferung von Medikamenten ist ein grundlegendes Gebot der Humanität. Derzeit werden in den wenigen Krankenhäusern im Gaza-Streifen schwer verwundeten Kindern Beine oder Arme ohne Betäubung amputiert.

Generell werden die Mittel der Bundesregierung in den Palästinensischen Gebieten unter strengen Kriterien zweckgebunden für ausgewählte Projekte eingesetzt. Die strengen Kontrollmechanismen, die für alle Projekte in den Palästinensischen Gebieten gelten, umfassen eine engmaschige und mehrstufige Überprüfung von lokalen Partnern und ihren Mitarbeitenden, von Material, das in den Gazastreifen eingeführt wird, sowie von Finanzflüssen.

Für Syrien gilt das Gleiche. Wir unterstützen keinen Diktator wie Assad.

Übrigens sind alle Hilfsleistungen, die Sie mit Ihren Fragen kritisieren keine deutschen Alleingänge.

6.  Der Deutsche Bundestag wird durch die Wahlrechtsreform der Ampel mit der nächsten Bundestagswahl deutlich kleiner. Die Zahl der Abgeordneten sinkt dann von aktuell 736 auf maximal 630, eine Verkleinerung von mindestens 106 Sitzen. Für diese wegfallenden Mandate werden die Kosten für Mitarbeiter, Büros, Reisen und Diäten eingespart, wodurch Gelder in dreistelliger Millionenhöhe eingespart werden.

7.  Das Kanzleramt soll nicht neu gebaut werden, sondern muss vergrößert werden, um mehr Büros zu schaffen. Das Kanzleramt bekommt neue Abteilungen zugeordnet. Ich persönlich hätte dennoch zunächst geprüft, ob nicht mit erweiterten Homeoffice-Modellen der vorhandene Platz für Arbeit in Präsenz ausgereicht hätte.
 

8.  In Deutschland steigt die Erwerbstätigkeitsquote der Ukrainerinnen (es leben vorwiegend geflüchtete Frauen bei uns) seit einigen Monaten deutlich. Das hängt damit zusammen, dass für die Arbeitsaufnahme gute Deutschkenntnisse und Kinderbetreuung (KiTa-Platz) nötig sind. Das kommt nicht von heute auf morgen. Deutsch ist zudem eine besonders schwer zu erlernende Sprache für Menschen aus Osteuropa. Im Vergleich dazu ist Polnisch einfacher zu lernen für Ukrainer, und auch die Nähe des Landes machte es schon immer einfacher für Ukrainer dort zu arbeiten. Bereits vor dem Krieg arbeiteten schon mehr als 380.000 Ukrainer auf Baustellen in Polen. Daher ist dort auch die Arbeitsquote der Ukrainer wesentlich höher als in Deutschland.

Zum Abschluss gehe ich gerne noch auf die letzten beiden Sätze Ihrer Frage ein: Ich glaube Ihnen unbesehen, dass Sie noch stundenlang mit ähnlichen „Fragen“ weitermachen könnten, denn alleine im Internet kursieren Unmengen komplett falscher oder verkürzter, aus dem Zusammenhang gerissener Meldungen, von denen die meisten diesen Zweck haben: Populistische Erzählungen zu bedienen, gegen Ausländer Stimmung zu machen und die Bevölkerung zu spalten.

Der AfD nützen natürlich solche Meldungen, und es ist kein Geheimnis, dass viele dieser tendenziösen, halbwahren bis komplett falschen Schlagzeilen aus AfD-nahen Kanälen stammen.  Fakten helfen zur besseren Einordnung ganz ungemein.  

Nicht nur mit Blick auf die aktuellen Berichte zu dem Treffen rechtsradikaler Personen in Potsdam ist deutlich geworden, dass es der AfD nicht um rechtskonservative Positionen geht, sondern dass diese Partei unsere parlamentarische Demokratie in Deutschland zunächst schwächen will, um sie dann zu zerstören.

Konstruktive Kritik und der fair ausgetragene Wettstreit um den besten Weg zur Lösung unserer Probleme stärken unsere Demokratie. Fake News und Co sind ausschließlich destruktiv und lenken von den wichtigen Zukunftsfragen ab (Zukunft der Arbeit, Stabilisierung der Sozialsysteme im demografischen Wandel, Klimaschutz als Daseinsvorsorge etc.) . Lassen Sie uns also gemeinsam für die Demokratie und Meinungsvielfalt eintreten!

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Mieves

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