Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die aus dem Coronatopf entnommenen Mittel wieder zurück fließen und für Forschung und Betreuung von Erkrankten an Postcovid, ME/CFS und PostVac eingesetzt werden?

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Matthias W. Birkwald
DIE LINKE
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Frage von Riccardo R. •

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die aus dem Coronatopf entnommenen Mittel wieder zurück fließen und für Forschung und Betreuung von Erkrankten an Postcovid, ME/CFS und PostVac eingesetzt werden?

Diese Krankheiten sind in ihrem Ausmaß (mehr als 2 Mio. Betroffene allein in Deutschland) nicht nur persönliche Tragödien sondern auch mit enormen wirtschaftlichen Verlusten für unser Land verbunden.

Wir befinden uns in einer stillen humanitären Katastrophe, ca. 2 Mio. Erkrankte, ohne Therapie, Anlaufstellen und adäquate Versorgung. Viele davon, meist junge, zuvor arbeitende Menschen, sind bettlägerig.

Bisherige Maßnahmen der Ampel - nicht mehr als einen Tropfen auf dem heißen Stein. Dies ist eine DIREKTE Folge der Pandemie. Daher fordern wir Betroffene mindestens 500 Millionen Euro für 5 Jahre für die Forschung und Versorgung (Aufbau Kompetenzzentren im KOA-Vertrag) der Krankheitsbilder VOR der Löschung des "Kredites ZUR BEKÄMPFUG DER PANDEMIEFOLGEN".

Vielen Dank für Ihre Hilfe

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr R.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Zuschrift.

Meine Fraktion DIE LINKE beschäftigt das Thema ME/CFS seit vielen Jahren. Bereits 2013 haben wir die Versorgungslage in einer parlamentarischen Anfrage thematisiert (https://dserver.bundestag.de/btd/17/124/1712468.pdf). Wir haben 2021, noch zur Regierungszeit der Union, in einem Antrag gefordert, dass mehr Forschungsmittel für ME/CFS und Long-COVID zur Verfügung gestellt werden sollten (https://dserver.bundestag.de/btd/19/292/1929270.pdf). Dies ist jedoch mit den Stimmen von Union, SPD und AfD bei Enthaltung der FDP gegen unsere und die Stimmen der Grünen abgelehnt worden (https://dserver.bundestag.de/btd/19/308/1930801.pdf).

Es ist beschämend für die Bundesregierung, dass die große Aufmerksamkeit für Long-COVID erst notwendig war, um das Thema ME/CFS als Ganzes wahrzunehmen. Noch immer ist die Datenlage zur Zahl und zur Situation bis hin zur Gesundheitsversorgung der ME/CFS-Erkrankten desolat. Der Informationsstand in der Ärzteschaft hat sich nach unserer Wahrnehmung seit der Corona-Pandemie zwar etwas verbessert, er ist aber immer noch katastrophal niedrig. Die Bundesregierung und die Koalition wiegeln dieses Problem mit fehlender Zuständigkeit ab und verweisen auf die Ärztekammern, Fachgesellschaften oder den Gemeinsamer Bundesausschuss. Doch wir LINKEN meinen: Wenn das System hier nicht funktioniert, muss die Politik eingreifen. Es darf nicht sein, dass eine häufige und so stark einschränkende Erkrankung ein weißer Fleck im Behandlungsgeschehen bleibt. Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich die im Koalitionsvertrag versprochenen Kompetenzzentren ME/CFS voranzubringen und zu fördern. Die Aus- und Weiterbildung muss verpflichtend den großen Rückstand bei der Verbreitung des Wissens um ME/CFS aufholen. Und das gilt uneingeschränkt auch für PostVac.

Die Bundesregierung muss energisch darauf hin arbeiten, dass die vielen Fehlbehandlungen in der Praxis wegen fehlendem Verständnis für die Krankheit aufhören und die Betroffenen schneller an eine korrekte Diagnose sowie Behandlung nach Stand des Wissens kommen. Sehr kritisch sehen wir die immer noch weit verbreitete Praxis, wonach Aktivierung als Therapieoption empfohlen wird, obwohl das nach vielen Berichten von Patientinnen und Patienten und ärztlichen Fachleuten der falsche Weg ist.

Der Fraktion DIE LINKE ist das große Problem bewusst, dass es für die vielen von ME/CFS Betroffenen nach wie vor keine ursächliche Therapie und keine biologischen Marker gibt. Nicht nur für diese Krankheit würde es helfen, wenn mehr nichtkommerzielle Gesundheitsforschung vom Bund gefördert werden würde. Dies fordern wir seit vielen Jahren in einem Volumen von zwei Milliarden Euro pro Jahr immer in den Haushaltsberatungen des Bundes. Damit sollen nichtkommerzielle Arzneimittel- und Methodenforschung gefördert werden. Das wäre deswegen so wichtig, weil für viele Krankheiten die konventionelle kommerzielle Forschung offenbar nicht in der Lage ist, Ergebnisse zu liefern. Das gilt in besonderem Maße auch für ME/CFS und PostVac.

Allerdings wird dieser Änderungsantrag bedauerlicherweise in jeder Haushaltsberatung regelmäßig von der jeweiligen Regierungsmehrheit abgelehnt.

Zu Long COVID haben wir im Juli 2022 in einem Antrag (https://dserver.bundestag.de/btd/20/025/2002581.pdf) gefordert, Hilfen für Betroffene aus einem Pandemiefonds zu finanzieren sowie ausreichend finanzielle Mittel zur Stärkung der Gesundheitswissenschaften bereitzustellen, insbesondere für Projekte der Public-Health-Forschung und der nichtkommerziellen klinischen Forschung. Dabei sollen insbesondere auch die Erforschung von Langzeit- und Folgesymptomen sowie die Therapieforschung zur Behandlung von Long-COVID eine hervorgehobene Rolle spielen. Auch dieser Antrag wurde leider von allen anderen Fraktionen abgelehnt (https://dserver.bundestag.de/btd/20/033/2003312.pdf). Dass Gesundheitsminister Lauterbach Anfang 2023 angekündigt hat, 100 Millionen Euro für die Entwicklung eines optimalen Versorgungskonzepts für Menschen mit Long Covid bereitzustellen, weckte in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit und Hoffnungen bei den Betroffenen. Allerdings gibt es bis heute keine weiteren Informationen aus dem Gesundheitsministerium, wann und wem dieses Geld zur Verfügung gestellt werden soll.

Wir begrüßen sehr, dass es die Nationale klinische Studiengruppe ME/CFS gibt und dass der Bund hierfür Forschungsgelder bewilligt hat. Wir setzen uns dafür ein, dass die Forschungsmittel verstetigt und merklich erhöht werden.

Mit dem Abschluss des ME/CFS-Antrags der CDU/CSU haben alle Fraktionen des Bundestages im Gesundheitsausschuss die Dringlichkeit des Themas anerkannt. Leider haben die Ampel-Koalitionsfraktionen die Initiative trotzdem abgelehnt. Wir haben ihm zugestimmt und wir werden weiter Druck machen und bieten unsere Kooperation allen demokratischen Parteien an. Wir finden es sehr bedauerlich, dass die Koalitionsfraktionen auch in dieser wichtigen Frage nicht über ihren Schatten springen und wenigstens ihrerseits fundierte Vorschläge zur Verbesserung der Situation der ME/CFS-Betroffenen und der PostVac-Betroffenen vorgelegt haben.

Unter https://www.linksfraktion.de/suche/suchergebnisse/?tx_solr%5Bq%5D=CFS können Sie die Reden meiner Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen zum Thema ME/CFS nachlesen oder anschauen. Ihr Anliegen werde ich gerne meinen Fraktionskolleginnen und -kollegen im Bereich der Gesundheits- und der Finanzpolitik zukommen lassen.

Mit freundlichen Grüßen und Ihnen vor allem gesundheitlich das Beste wünschend,

Ihr Matthias W. Birkwald MdB

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