Frage an Monika Lazar bezüglich Finanzen

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Monika Lazar
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Frage von Rene U. •

Frage an Monika Lazar von Rene U. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Lazar,

haben Sie als Abgeordneter dem ESM-Vertrag und Fiskalpakt zugestimmt?

und damit...

•der Vergemeinschaftung der Schulden, welche die Reichen immer reicher macht?
•die Haushaltshoheit der Bundesregierung schwächt um dem ESM vollen Zugriff auf unsere
Steuergelder zu ermöglichen, einem Konstrukt welcher nicht wählbar und abwählbar ist?

•einem Zutritt zum ESM-Vertrag zugestimmt, aus welchem es keine Austrittsklausel gibt?

Wo ist unsere Freiheit für die wir 1989 auf die Straße gegangen sind?

Auch wenn hier kein externen Links erwünscht sind, so kann ich nicht mit eigenen Worten die Vielzahl der
Kritikpunkte am ESM wiedergeben.

Daher anbei ein Link zu einem Video bei youtube, in welchem in 17 Minuten einige Paragraphen des ESM und einige
wichtige EU-Akteure zititert werden und die Funktion des ESM erklärt wird.
Auch das das Direktorat des ESM ernannt wird und keinerlei parlamentarische Kontrolle existiert und dass diese ebenfalls vor Gesetz immun sind
und keinerlei Rechenschaft über ihre Forderungen und Entscheidungen ablegen müssen.
Ich halte dieses Video für notwendig, um den Grund meiner Anfrage zu verstehen.
Wurden diese Punkte im Parlement oder in der Fraktion besprochen. Was ist die Haltung dazu?

Vielleicht ist der Inhalt des Videos auch völlig falsch, aber dann sollten sich diese Argumente widerlegen lassen.

http://www.youtube.com/watch?v=h_9iKlnqU6Y&feature=related

Was sind Ihre Argumente für den ESM oder besser ihre Sichtweise gegenüber den Argumenten dagegen?

Mit freundlichen Grüßen

Rene Urbanski

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Urbanski,

danke für Ihre Anfrage, auf die ich gern eingehe. Das Video spiegelt meiner Ansicht nach nicht die Tatsachen des ESM wider. Der ESM wird dort als eine Art "unkontrollierbarer Krake über ganz Europa" dargestellt, die Deutschland jeden eigenen Handlungsspielraum nimmt. Wäre das wirklich so, hätte ich nicht zugestimmt. Ich halte den ESM in der angespannten Lage für ein notwendiges Element zur Stabilisierung. Da die Volkswirtschaften der Euroländer sehr eng verflochten sind, kann ich nicht in "wir in Deutschland" und "die anderen in Europa" unterscheiden, das wäre eine Illusion.

Dass der ESM nicht gegen geltendes Recht verstößt, hat das Bundesverfassungsgericht am 12.9.2012 klargestellt. Demnach sind die Regelungen des ESM mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Urteil pocht auf die Einhaltung der demokratischen Rechte des Deutschen Bundestages. Es stellt klar, dass die Haftungsgrenze Deutschlands von 190 Milliarden Euro beim ESM ohne die Zustimmung des Bundestages nicht erhöht werden darf. Das war auch immer unsere grüne Position. Durch die Regelungen zur Einbeziehung des deutschen Parlamentes sehe ich die Haushaltssouveränität unseres Landes gewährleistet. Dass die finanztechnische Durchführung von besonderen Fachgremien geleitet wird, finde ich sinnvoll, denn die meisten Abgeordneten sind keine Finanzmarktexperten.

Über den ESM kursieren viele Falschaussagen. So stimmt es z.B. nicht, dass Deutschland ohne ein eigenes Mitspracherecht gezwungen werden kann, innerhalb von sieben Tagen ein von Europa festgelegtes Kapital zu überweisen. Die entsprechende Passage im ESM-Vertrag bezieht sich nämlich nur auf schon genehmigtes Kapital, welches durch die nationalen Parlamente bzw. Regierungen zugesagt wurde. Bevor Zahlungen veranlasst werden dürfen, muss immer eine Zustimmung des Parlamentes erfolgt sein. Die Sieben-Tage-Frist gilt für die technische Durchführung von Zahlungen; eine grundlegende parlamentarische Debatte im Vorfeld wird natürlich länger als 7 Tage gedauert haben.

Irrtümer gibt es auch in Bezug auf den Gouverneursrat. Dieser ist keineswegs ein unabhängiges Gremium, das völlig autonome Entscheidungen über europäische Steuermittel treffen darf. Die Mitglieder des Gouverneursrats gehören den jeweiligen Regierungen an und sind an die Entscheidungen ihrer Parlamente gebunden. Grundsätzlich darf keine wesentliche Entscheidung ohne die vorherige Zustimmung oder Beteiligung des Deutschen Bundestages getroffen werden. Das Plenum muss bei folgenden Entscheidungen zustimmen: Veränderung des Stammkapitals, Veränderung des maximalen Darlehensvolumens und Änderung der Finanzhilfeinstrumente. Bevor ein Land unter den Rettungsschirm kommt, muss das Plenum sogar zweimal zustimmen. Dabei ist die erste Abstimmung zwingend, um einem Mitglied grundsätzlich Hilfe zu gewähren. Die zweite Abstimmung ist erforderlich, um dem Land tatsächlich Hilfen zu zahlen. Hierfür muss eine Einigung der Troika (Vertreter des Euroraums, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds) mit dem Mitgliedsstaat vorliegen: ein Memorandum of Understanding mit detaillierten Auflagen und eine Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität, mit den Finanzierungsbedingungen und den einzelnen Instrumenten. Nur mit einem vorherigen zustimmenden Votum des Bundestages darf der deutsche Vertreter im Gouverneursrat einem entsprechenden Beschlussvorschlag zustimmen. Erteilt der Bundestag dieses Votum nicht, muss der deutsche Vertreter den Beschlussvorschlag ablehnen.

Da es nur Hilfen gegen Auflagen gibt, ist der ESM auch kein Fass ohne Boden. Kredite werden nur vergeben, wenn der Empfänger laut einer sogenannten Schuldentragfähigkeitsanalyse seine Schulden tatsächlich tragen kann. Der Bundestag hat weiterhin das Recht, über jede Hilfe souverän zu entscheiden und diese gegebenenfalls abzulehnen. Dieses Recht gilt natürlich für alle Eurostaaten.

Der ESM steht nicht in der Lizensierungspflicht, weil er keine Bank ist und keinen Zugang zu Zentralbankliquidität besitzt. Um dies zu ändern, müsste die EZB einem Antrag des ESM auf Zugang zu Refinanzierungsgeschäften stattgeben. Das ist rechtlich sehr umstritten, denn die EZB darf gegenüber dem Staatssektor der EU (inkl. seinen Einrichtungen wie etwa dem ESM) keine Kredite gewähren. Eine solche Staatsfinanzierung ist der EZB rechtlich verboten.

Ich könnte noch viele Details behandeln. Die entscheidende Grundsatzfrage scheint mir aber zu sein, ob man auf ein starkes, geeintes Europa setzen möchte oder lieber auf einen abgeschotteten deutschen Nationalstaat. Ich wünsche mir das erste, deshalb habe ich den ESM bejaht.

Anders sieht es für mich mit dem Fiskalpakt aus. Diesen habe ich abgelehnt. Meine Gründe können Sie in dieser persönlichen Erklärung nachlesen: http://www.monika-lazar.de/index.php?id=78&tx_ttnews[tt_news]=962&cHash=570b4d4613

Mit freundlichen Grüßen
Monika Lazar