Frage an Monika Lazar bezüglich Gesundheit

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Monika Lazar
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Frage von Therese M. •

Frage an Monika Lazar von Therese M. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Lazar,

Die Probleme in der Geburtshilfe sind bekannt, auch dem zuständigen Minister. Die Lage ändert sich aber nicht zum besseren, im Gegenteil, jetzt sollen auch noch außerklinische Geburten durch die Krankenkassen stark eingeschränkt werden, da nur noch bis zum ET+1 von diesen bezahlt.
Gerade vor dem Hintergrund, dass Deutschland vor wenigen Tagen zum Geburtenschwächsten Land der Welt gemacht wurde, sollten dann nicht alles getan werden, junge Familien zu unterstützen. Als Mutter von 2 Kindern unter 3 ist die Vorstellung, ein eventuelles drittes Kind ohne oder nur mit geringer Hebammenunterstützung zu bekommen, unerträglich.
Die Frage der Hebammen ist nicht nur eine Frage der Mütter oder der Familien. Es ist eine Frage des Selbstbestimmungsrecht und danach, wie wir als Gesellschaft den Beginn des Lebens begleiten wolle.

In wie fern engagieren Sie bzw ihre Fraktion sich für die Belange der Hebammen?

Viele Grüße
Therese Metz

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Metz,

vielen Dank für Ihr Schreiben zur Situation der Hebammen.

Wie Sie wissen, liegt uns die Absicherung der Hebammentätigkeit sehr am Herzen. Und ebenso wichtig ist es uns, dass die Wahlfreiheit für werdende Eltern, wo sie ihr Kind bekommen möchten, bestehen bleibt. Darum nehmen wir die massiv steigenden Haftpflichtprämien für Hebammen und Geburtshelfer mit großer Sorge zur Kenntnis. Wir haben mit den uns zur Verfügung stehenden parlamentarischen Instrumenten immer wieder auf die bestehende Problematik der Finanzierung der Haftpflichtversicherung hingewiesen. 2014 haben wir einen Antrag dazu vorgelegt (BT-Drs. 18/850, s. Anlage), in dem wir die Bundesregierung auffordern, schnell eine Lösung zu finden.

Es hat uns gefreut, dass im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Koalition zu lesen ist: "Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Geburtshilfe ist uns wichtig. Wir werden daher die Situation der Geburtshilfe und der Hebammen beobachten und für eine angemessene Vergütung sorgen." Mit der Einlösung dieses Versprechens hapert es allerdings.

Zwar gibt es die gesetzliche Vereinbarung, den Hebammen die Mehrausgaben für die Haftpflichtversicherung durch die gesetzlichen Krankenkassen zu vergüten, doch das geschieht vor allem über Zuschläge zu den einzelnen Leistungen. Hebammen mit wenigen Geburten können die Kostensteigerungen durch die hohen Haftpflichtprämien so weiterhin nicht kompensieren - mit der Folge, dass sie sich komplett aus der Geburtshilfe zurückziehen. Gesundheitsminister Gröhe wollte diesem Zustand durch die Einführung des Sicherstellungszuschlags begegnen, der eigentlich zum 1.7.2015 - pünktlich zur nächsten Erhöhung der Haftpflichtprämien - in Kraft treten sollte.

Doch die Ausgestaltung des Sicherstellungszuschlags wird - genauso wie die Vergütungserhöhungen - der Selbstverwaltung, also den Verhandlungen zwischen den Hebammenverbänden und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) überlassen. Und diese Verhandlungen scheitern derzeit gerade an der Definition der Qualitätskriterien, vor allem - wie Sie richtig anmerken - bei der Überschreitung des errechneten Geburtstermins. Wenn nämlich der errechnete Geburtstermin überschritten ist, wollen die Kassen Hausgeburten nicht mehr bezahlen. Grundsätzlich will der GKV-SV, dass fortan konkrete - absolute und nicht absolute - Ausschlusskriterien gelten. Bei den absoluten wird die Hausgeburt nicht bezahlt, bei den nicht absoluten wird eine individuelle Entscheidung getroffen. Die sollen aber nicht die Hebammen allein treffen, sondern die Hebammen gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten.

Die Hebammen argumentieren, dass die Ausschlusskriterien nicht evidenzbasiert sind. Darum müsse immer eine individuelle Entscheidung getroffen werden. Sie nehmen für sich in Anspruch, dass sie diese Entscheidung in den meisten Fällen selbst treffen können bzw. selbst entscheiden, wann ein Arzt konsultiert wird. Insofern würde die Einführung von Ausschlusskriterien einen harten Einschnitt für das Selbstverständnis der Hebammen bedeuten. Die Entscheidungsfreiheit der Frauen, wo und wie sie ihr Kind zur Welt bringen möchten, würde eingeschränkt. Allerdings gelten diese Ausschlusskriterien bereits seit 2008 bei Geburtshäusern, damals haben die Hebammen zugestimmt.

Für uns bleiben das Kindeswohl und die Erhaltung der Wahlfreiheit der werdenden Mütter und Eltern oberstes Ziel. Darum sollten die Kompetenzen der Hebammen nicht in Frage gestellt werden. Hebammen können die Frau und ihre individuelle Situation am besten beurteilen. Es ist absurd, dass die Krankenkassen nun damit drohen, künftig die Bezahlung einer Hausgeburt beim Überschreiten des Geburtstermins zu verweigern. Davon wäre die Hälfte aller Frauen betroffen. Die Konfliktparteien sollten zügig an den Verhandlungstisch zurückkehren und eine pragmatische und sinnvolle Lösung finden.

Mit einer bloßen Steigerung der Vergütung allein kann das Problem der steigenden Haftpflichtprämien allerdings nicht vollends gelöst werden. Hebammen-Haftpflichtversicherungen sind für die Versicherer eher unattraktiv und immer steigen aus dem Geschäft aus. Die Bundesregierung versucht, dieses Problem mit dem Regressverzicht der Kranken- und Pflegekassen gegenüber den Versicherern aufzufangen. Das bedeutet, die Kassen können sich die Gelder, die sie für die Behandlung und Pflege von Kindern mit Geburtsschäden ausgeben, nicht mehr von den Versicherungen zurückholen.

Leider ist der Regressverzicht der Bundesregierung so schlecht gemacht, dass er nicht zu einer Senkung der Kosten für die Haftpflichtversicherung führen wird. Er wird nämlich nicht in Fällen grober Fahrlässigkeit gelten. Bei der Anhörung im Ausschuss waren die Sachverständigen einig, dass durch diese Einschränkung allenfalls 5% aller Kosten, die bei Geburtsschäden entstehen, eingespart werden kann. Dafür wird es aber zu vermehrten Anstrengungen der Kassen kommen, der Hebamme im Schadensfall grobe Fahrlässigkeit nachzuweisen. Zudem ist der Regressverzicht nur für freiberufliche Hebammen vorgesehen. Das lässt sich kaum begründen, da auch festangestellte Hebammen wegen mangelnder Versicherungshöhe der Kliniken oftmals eine zusätzliche Haftpflichtversicherung brauchen, ganz zu schweigen von denjenigen Kliniken, die gar keine Versicherungen haben. Wir halten darüber hinaus eine Beschränkung auf Hebammen allgemein für fragwürdig, denn auch andere Gesundheitsberufe leiden massiv unter steigenden Haftpflichtprämien.

Wir fordern daher die Regressbeschränkung als eine kurzfristige Lösung, um schnell Abhilfe schaffen zu können. Wir fordern sie aber für alle Geburtsschäden, und wir wollen sie nur befristet, für einen Übergangszeitraum, bis eine Lösung für alle Gesundheitsberufe gefunden ist. Wir halten die Übertragung der Regelungsprinzipien der Unfallversicherung auf eine Berufshaftpflichtversicherung für alle medizinischen Berufe für vielversprechend. Damit würde das Problem von Grund auf angegangen, da die Prinzipien der Unfallversicherung, wie bspw. nicht gewinnorientierte Prämien, Versicherungspflicht und Stärkung der Patientensicherheit mit den Anforderungen an eine Berufshaftpflicht für Gesundheitsberufe vereinbar sind. Darum fordern wir die Bundesregierung auf, im Rahmen einer grundlegenden Neuordnung der Haftpflichtversicherung für Gesundheitsberufe diese Möglichkeit zu prüfen.

Die Situation sowohl der Hebammen als auch der werdenden Eltern kann nicht losgelöst von der Versorgungssituation gesehen werden. Eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung mit Geburtshilfe muss dauerhaft gesichert werden. Dazu fordern wir die Bundesregierung auf, eine regelmäßige Bestandsaufnahme der geburtshilflichen Versorgung in Deutschland vorzunehmen. Auf deren Basis können dann Empfehlungen zur Verbesserung und zur Gewährung einer flächendeckenden und qualitätsgesicherten Versorgung abgegeben werden.

Bis jetzt hat die Bundesregierung viel versprochen, die Lösungsvorschläge sind aber nur halbherzig und verbessern die Situation der Hebammen und der werdenden Eltern nicht. Wir werden uns weiterhin für nachhaltige Lösungen für die Hebammen und für den Erhalt der Wahlfreiheit einsetzen.

Viele Grüße

Monika Lazar