Frage an Natascha Kohnen bezüglich Wirtschaft

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Natascha Kohnen
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Frage an Natascha Kohnen von Max M. bezüglich Wirtschaft

Liebe Frau Kohnen,

Ihrem Abstimmungsverhalten entnehme ich, dass Sie sich gegen eine Liberalisierung des Ladenschlussrechts in Bayern eindesetzt haben. Damit stimmen Sie zwar mit der Haltung Ihrer Partei in Bayern, aber nirgendwo sonst im Bundesgebiet mit überein. Wo die SPD ansonsten mitregiert - und egal in welcher Koalition - wurde in allen anderen Bundesländern eine Liberalisierung vorgenommen, auch bei einer Alleinregierung der SPD wie in Rheinland-Pfalz. Können Sie mir erklären (mit vernünftigen Gründen!), warum die SPD in Bayern hier gegenüber allen anderen SPD-Landesverbänden eine abweichende Haltung einnimmt? Können Sie mir dann auch erklären, warum Ihre Parteifreunde in den anderen Ländern anderer Meinung sind als die Bayern-SPD und warum darin kein parteiinterner Widerspruch zu sehen ist?

Mit freundlichen Grüßen

Max Munter

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Munter,

als bayerische Landtagsabgeordnete bin ich vor allem Volksvertreterin der Bürgerinnen und Bürger in diesem Bundesland. Mein Abstimmungsverhalten im bayerischen Landtag muss sich daher vor allen Dingen an die Anforderungen in Bayern orientieren.

Eine Gesamtschau im Sinne der Koordination zwischen den Bundesländern macht nur bei Sachgebieten Sinn, in denen einheitliche Standards in allen Ländern zum Vorteil der Bürgerinnen und Bürger sind.

Ob nun in Bayern längere, oder kürzere Ladenöffnungszeiten bestehen, bringt beispielsweise für die Menschen in Berlin keinerlei Vorteil in der Sache, sondern betrifft die Menschen in Bayern. Hier überwiegen die Nachteile für die Betroffenen stark:

Die Arbeitsplätze im Einzelhandel sind überwiegend Frauenarbeitsplätze. Eine Aufhebung des Ladenschlusses wäre ein familienpolitischer Rückschritt. Insbesondere Alleinerziehenden ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nahezu unmöglich. Das öffentliche, wie private Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen für alle Altersstufen in Bayern orientiert sich nicht an den Öffnungszeiten des Einzelhandels.

Bayern hat ein weniger urbanes Profil als die Stadtstaaten oder andere Bundesländer, in denen der ländliche Raum weniger prägend ist. Eine weitere Konzentration von Geschäften auf der „grünen Wiese“ und damit eine Verschlechterung des wohnortnahen Einzel- und Fachhandelsangebots - insbesondere außerhalb der Ballungsräume - wäre die Folge. Von der Verödung des ländlichen Raums wären vor allen Dingen Senioren und generell Bevölkerungsschichten, die auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen sind, negativ betroffen.

Für kleinere Einzelhändler, Handwerker und mittelständische Betriebe wäre eine Liberalisierung existenzgefährdend: lange Öffnungszeiten rechnen sich bei gleich bleibenden - oder u.U rückläufigen Umsätzen nicht. Die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger ändert sich ja nicht mit etwaigen Öffnungszeiten.
Untersuchungen für Berlin und Brandenburg ergeben, dass die ansässigen kleinen und mittleren Unternehmen wegen der höheren Kosten im Vergleich zum Umsatz die großzügigen Öffnungszeiten nicht nutzen können. Der Gesamtumsatz verschob sich zugunsten der Filialisten mit Unternehmens- (und -steuerlichen) Sitz in den anderen Bundesländern (vornehmlich NRW, Ba-Wü und Bayern).

Studien bezüglich der Entwicklung des Einzelhandels ab 2006 infolge der Freigabe der Ladenöffnungszeiten an die Länder, belegen, dass sich verlängerte Öffnungszeiten nicht in Umsatzimpulsen niederschlagen. So verzeichnete Bayern in 2008 für den Einzelhandel ein dreifaches Umsatzplus in Vergleich zu Berlin. Bemerkenswert an der Entwicklung in 2008 ist, dass die Flächenländer Rheinland-Pfalz, Sachsen, Bayern und das Saarland entweder unverändert bzw. in der Ausgestaltung der Ladenöffnungszeiten eher moderate Grenzen der Abendöffnung (bis 22.00 Uhr) geregelt haben, überdurchschnittlich im Umsatz zugelegt haben.

Man kann daher festhalten, dass die Öffnungszeiten Umsatzverschiebungen zugunsten der Großen in der Branchen mit sich bringen, aber keine Umsatzsteigerung in der Einzelhandelsbranche insgesamt.

Hinzu kommt ein gesamtgesellschaftlicher Aspekt: durch verlängerte Arbeitszeiten wäre das Engagement Ehrenamtlicher in Vereinen, Verbänden oder Kirchen stark beeinträchtigt.

Sehr geehrter Herr Munter, angesichts der überwiegenden Nachteile verlängerter Ladenöffnungszeiten bitte ich Sie, uns in dieser Haltung zu unterstützen.

Mit besten Grüßen
Natascha Kohnen, MdL