Sehr geehrter Herr Haser, was ist ihr Standpunkt zu dem aktuellen Brückenumbau in Leutkirch und der damit verbundenen Debatte über eine Umbenennung der „Mohrenbrücke"?

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Raimund Haser
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Frage von Lea G. •

Sehr geehrter Herr Haser, was ist ihr Standpunkt zu dem aktuellen Brückenumbau in Leutkirch und der damit verbundenen Debatte über eine Umbenennung der „Mohrenbrücke"?

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Zunächst einmal würde ich mir wünschen, dass der Bau erfolgreich verläuft und die Brücke sobald als möglich wieder öffnet. Sowohl für die Innenstadt, die Geschäfte und die Gastronomie, aber auch für die Verkehrsbewegungen durch Leutkirch durch ist jeder Tag einer geschlossenen Hauptbrücke einer zu viel.

Was den Namen der Brücke angeht, so hat die Brücke meines Wissens nach offiziell gar keinen. Zumindest weist weder ein Schild noch eine Plakette auf den Namen hin, anders zum Beispiel als in Wangen, wo die Gallusbrücke den kämpfenden Gallus zeigt. Man nennt diese Eschachbrücke im Volksmund - und daher wohl auch in der Verwaltung - Mohrenbrücke, weil sie die Brücke am Gasthaus Mohren ist. Wenn man also eine Namensdiskussion führen möchte, muss man sie mit der Brauerei Härle über den Namen der Wirtschaft an der Eschachbrücke, die zufällig am Gasthaus Mohren liegt, führen. Das hat die Zeitung ja schon getan, und den Worten und der Begründung von Gottfried Härle kann ich mich nur anschließen.

Um die Namensgebung „Mohr“ zu verstehen, muss man ein bisschen ausholen. Das tue ich gerne: Die ersten Touristen, wenn man so will, waren Pilgerer in Zeiten der großen Christianisierung der Kelten, Germanen und Alemannen, sprich der ganzen Welt. Um diese Pilgerer „zu sich“ zu ziehen - frühes Marketing - benutzten die damaligen Wirte Wirtshausnamen, die auf Heilige verwiesen oder auf das Leben von Christus selbst. So ist der „Löwen“ das Attribut des Evangelisten Markus (siehe der Löwe im Namen des Eiscafé San Marco in Leutkirch), der Stier, bei uns „Ochsen“ genannt (Metzgerei Brenner), ist das Attribut des Evangelisten Lukas und der „Adler“ (Ausnang) steht für den Evangelisten Johannes. Hinzu kommen Namen wie „Sternen“ (Drei Könige) oder Kreuz (Leidensgeschichte Jesu) oder die Rose (Zeichen für die Jungfrau Maria). Diese Namensgebung ist mehr als 1500 Jahre alt! Sie hat sich in späteren Zeiten fortgesetzt, gar nicht mehr der Religion wegen, sondern weil diese Namen bekannt für Gastfreundschaft waren, ähnlich der Namensgebung fremdländischer Küche, die heißen heute ja auch oft „Jadegarten“ oder „Napoli“, unabhängig davon wer darin kocht und backt.

Diese Tradition der christlichen Namensgebung hat sich später weiterentwickelt auf andere „Branchen“. Die Rochus-Apotheke in Wangen geht auf den Hl. Rochus zurück, der bei Krankheit und Aussatz helfen soll.

Und damit wären wir bei der Ehrerbietung, die einem Heiligen namens Moritz (der Maure) durch die Namensgebung von Apotheken und Gasthäusern wiederfahren ist: Im Mittelalter, in einer Welt, in der alles was fremd war, mal grundsätzlich nichts Gutes verheißen hat, nimmt man sich ausgerechnet einen schwarzen Heiligen als Patron. Das war sicher ein mutiger Schritt und einer, der ja auch Toleranz forderte. Auch schwarze Menschen sind Kinder Gottes! Das hat sicher nicht jedem gefallen.

Der Heilige Moritz war ein Ägypter, der wohl aus Theben stammte, er stand wohl als Hauptmann im Dienst der römischen Armee. Er hatte sich früh zum Christentum bekannt, noch ehe das römische Reich christlich wurde. Man weiß ja: Erst im Jahr 311 war es Römern erlaubt, Christen zu sein. Vorher wurden sie verfolgt und ermordet. Moritz war dennoch schon vorher christlich und verweigerte dies auch nicht, als es um sein eigenes Leben ging: Er starb den Märtyrertod rund 20 Jahre vor der Christianisierung des Römischen Reiches, weil, und das ist spannend: weil er beim Übergang über die Alpen nicht gegen Christen in die Schlacht ziehen wollte! Er war also ein Beschützer, einer, der für seinen Glauben und den Schutz des Lebens anderer Menschen starb. Ein wahrhaft gutes Symbol und ein toller Namensgeber, wie ich finde. Schade dass sich dafür heute wohl niemand mehr interessiert.

Man kann sich daher denken, dass ich eher dazu neige, den Menschen zu raten, stolz darauf zu sein, dass ihre Vorfahren schon so fortschrittlich waren, dass sie einen schwarzen Heiligen als Namenspatron rausgesucht haben, als ihre Nachfahren dafür zu kritisieren, dass sie daran festhalten.

Die Diskussion in Leutkirch, die ich nur am Rande verfolge, weil ich für solche vom Zaun gebrochenen Spalt-Debatten nur wenig Sympathie habe (sie lösen die Probleme der Menschen nicht, und davon gibt es gerade genug…), passt in die meines Erachten nach „woken“ Debatten unserer Zeit, die sich vor allem durch intellektuelle Abgrenzung - das ist der schlimmste und folgenschwerste Rassisimus unserer Zeit, weil er mitten in unserer Gesellschaft ausgelebt wird - auszeichnen. Wenn zum Beispiel gegen Bismarck zu Felde gezogen wird, weil er ein Kolonialist gewesen sein soll, dann empfehle ich die Lektüre von Gordon A. Craig: Deutsche Geschichte von 1866 bis 1945, in der klar zum Ausdruck kommt, dass es eben genau „die Medien“ und „das Volk“ waren - siehe auch Christopher Clark „Die Schlafwandler“ -, die den internationalen „run“ auf den afrikanischen Kontinent forderten, während Bismarck stets betonte dass „Europa sein Afrika“ sei und dass er diese Einsätze für Schmu hielt. Dass vor diesen Standbildern Geschichte-Studenten gegen ihn demonstrieren, erzählt mehr über manchen Professor an der Uni als über Bismarck selbst.

Also. Wer etwas für die Welt tun will, soll sich im Leben solidarisch zeigen, soll bei der Integration, zum Beispiel beim Spracherwerb von Flüchtlingen und Asylbewerbern helfen, soll sich für die Integration schwach Gebildeter in den komplizierten deutschen Arbeitsmarkt einsetzen, der soll sich für die Menschen, um die es geht, für ihre Geschichten interessieren, soll über sie schreiben, mit ihnen sprechen, ihnen helfen. Es gibt so vieles was ehrenamtlich und kommunalpolitisch zu tun ist, da muss man seine Zeit nicht mit seltsamen Debatten vergeuden.

Und dann noch ein Rat, wie man jetzt, da alles ziemlich verfahren ist, weitermachen sollte: Wenn ein im Kern und zu Beginn vielleicht gut gemeintes politisches Engagement, das ich überhaupt nich schmälern will, weil der Ursprungsgedanke ja der „Kampf gegen Rassismus“ war, darin endet, dass eine in meinen Augen auf falscher Basis geführte Namensgebungsdiskussion die Gesellschaft spaltet, dann sollte man sich im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts auf andere Politikfelder konzentrieren.

 

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