Frage an Rasmus Andresen bezüglich Technologiefolgenabschätzung

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Rasmus Andresen
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christian W. •

Frage an Rasmus Andresen von Christian W. bezüglich Technologiefolgenabschätzung

Guten Tag Herr Andresen,
wie stehen Sie zur automatischen Gesichtserkennung und welche negativen Aspekte der automatischen Gesichtserkennung kennen Sie?
Vielen Dank im Voraus für die Beantwortung meiner Frage!
Mit freundlichen Grüßen
Christian Wildt

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Wildt,

Vielen Dank für ihre Frage zum Thema automatische Gesichtserkennung.

Ich bin dafür, den Einsatz der biometrischen Gesichtserkennung, auch bekannt unter dem Begriff „intelligente Videoüberwachung“, im öffentlich Raum per Gesetz zu verbieten.

Demokratien leben von der Verfügbarkeit unüberwachter öffentlicher Räume, in denen sich Individuen frei bewegen können. Die Überlegungen zur flächendeckenden Einführung biometrischer Gesichtserkennung stellen diese rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit in Frage und drohen, die relative Anonymität öffentlicher Räume nachhaltig zu beenden. Die Digitale Gesichtserkennungssoftware gefährdet so die Privatsphäre in öffentlichen Räumen.

Aufgeschaltet auf vorhandene Videokameras wie in China ist sie ein Symbol der Überwachung in autoritären Staaten. Ich bin hingegen dafür, die Freiheit der Innenstädte als Räume der Demokratie und der Grundrechtsausübung erhalten. Dazu braucht es den Schutz relativer Räume der Anonymität.

Ohne Zweifel bestehen auf Bahnhöfen und Flugplätzen besondere sicherheitspolitische Anforderungen. Die Einführung der Gesichtserkennung birgt jedoch nicht nur die beschriebenen Gefahren für die informationelle Selbstbestimmung. Darüber hinaus gibt es noch das Problem, dass die auf dem Markt befindlichen, unausgereiften Systeme die öffentliche Sicherheit eben nicht erhöhen: Pilotverfahren am Bahnhof Berlin-Südkreuz wiesen wiederholt so hohe Fehlerraten auf, dass mit tausendfachen Fehlspeicherungen und damit unzulässigen Grundrechtseingriffen täglich zu rechnen ist. Die „intelligente Videoüberwachung“ und biometrische Gesichtserkennung erhöhen die öffentliche Sicherheit also nicht, sie gefährden zudem Grundrechte wie die informationelle Selbstbestimmung massiv.

Die oben genannten Argumente gegen die biometrische Gesichtserkennung gelten natürlich nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Daher befürworte ich grundsätzlich auch ein Verbot dessen auf der Europäischen Ebene. Eben deswegen bin ich davon enttäuscht, dass die EU-Kommission in ihrem Whitepaper über künstliche Intelligenz vom 19. Februar lediglich Bedenken an der Sache äußert, aber kein Verbot vorschlägt. Hier ein Link zum Whitepaper: https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/commission-white-paper-artificial-intelligence-feb2020_en.pdf (Siehe Seite 20+21).

Ich hoffe, ich konnte ihre Fragen hinreichend beantworten.

Mit freundlichen Grüßen

Rasmus Andresen

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