Sehr geehrter Herr Riese,

Sie stellen mir da eine Frage, auf die es keine leichte Antwort gibt. Was ich "in der Zukunft von der EU erhoffe"? Lassen Sie mich versuchen, diese Frage nicht mit Verweis auf einzelne Aufgaben der EU oder auf Maßnahmen zu behandeln, sondern unter dem Gesichtspunkt, was dem Grunde nach für eine starke Orientierung am Projekt der europäischen Integration spricht.

Ich erhoffe mir von der EU ganz grundlegend dreierlei:

Die EU soll weiterhin ein Friedensprojekt sein. So ist sie nach dem 2. Weltkrieg zusammengewachsen. Der letzte große Schub kam mit den 10 neuen Mitgliedstaaten 2004, wodurch die europäische Spaltung von Jalta überwunden wurde. Europa hat eine Friedensverantwortung aber nicht nur nach innen und in der unmittelbaren Nachbarschaft, sondern auch global. Einheit in der Vielfalt und Multilateralismus sind dafür wichtige Ansätze.

Die EU hat eine große Verantwortung dafür, dass angesichts der globalisierten ökonomischen Vernetzung demokratische Selbstbestimmung, Freiheit und Menschenrechte nicht unter die Räder vermeintlicher oder realer Sachzwänge kommen. Die EU ist das historisch fortschrittlichste Projekt bei der notwendigen Suche nach trans-nationaler Demokratie einschließlich direkter Demokratie.

Die EU hat bessere Voraussetzungen als andere Weltregionen bei der Entfaltung eines neuen Entwicklungsmodells nach dem Maß der Solidarität und der Nachhaltigkeit. In der EU gibt es als positive Faktoren dabei eine insgesamt vergleichsweise fortschrittliche öffentliche Meinung, die Tradition des am Gemeinwohlorientierten Sozialstaats, hohe Bildungsniveaus und ein hohes Technologieniveau, ein gewaltiges Maß an Reichtum und recht stabile und demokratische politische Institutionen.

Mit freundlichen Grüßen,

Reinhard Bütikofer