Frage an Reinhard Bütikofer bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Reinhard Bütikofer
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Frage von Peter B. •

Frage an Reinhard Bütikofer von Peter B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Bütikofer,

gerade lese ich ein Buch von Herrn Gorbatschow. In seiner "Erinnerungen" schreibt er, dass Deutschland fast alle Abmachungen von 1989-1992 erfüllt habe.
Ein Versprechen aber, dass die Nato und die EU nicht gen Osten ausgedehnt wird, habe Deutschland bzw. der Westen nicht erfüllt.

Woher nimmt die EU sich eigentlich das Recht, sich ständig zu erweitern bzw. zumindest Abkommen zu schließen?
Hat die Ukraine nicht vielmehr selbst das Recht, zu entscheiden, welche Zukunft sie haben möchte und vor allem mit wem sie diese gestalten möchte? Zumals ie kulturell und sprachlich Russland sehr viel näher ist als irgendeinem EU-Staat.
Warum treten dann europäische Politiker mit Herrn Klitschko zusammen auf? Ist es nicht so, dass auch in der jetztigen ukrainischen Opposition zwielichtige Typen sitzen?

Warum fragt man nicht endlich die EU-Bevölkerung bei Erweiterungen und bei Abkommen?
Schließlich kann das auf die Menschen in der EU schwerwiegende Veränderungen mit sich bringen.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Bätschli

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Sehr geehrter Herr Bätschli,

Sie fragen, woher sich die EU das Recht nehme, "sich ständig zu erweitern". Nun erweitert sich die EU ja nicht, indem sie Länder zu einer Mitgliedschaft zwänge, sondern indem sie Länder, die beitreten wollen, nach langen Verhandlungen dann aufnimmt, wenn diese sich an die Rechtsordnung der EU halten und wenn die Mitgliedstaaten dem auch zustimmen.

Ich möchte daher die Frage herumdrehen: Woher nähme irgendjemand eigentlich das Recht, souveränen Nationen zu verweigern, dass sie der EU beitreten, wenn das ihr Wunsch ist und sie die Kriterien erfüllen? Hätte die EU beispielsweise Russland das Recht einräumen sollen, 2004 den baltischen Ländern den Beitritt zur EU zu verweigern? Was wäre das anderes gewesen als Beihilfe dabei, diesen Ländern die Selbstbestimmung abzusprechen?

Im Falle der Ukraine geht es gar nicht um eine Erweiterung der EU, sondern es wurde ein Assoziierungsabkommen verhandelt, das der Ukraine einen besseren wirtschaftlichen Zugang zur EU geboten hätte ohne Mitglied zu sein. Die Ukraine hat jedes Recht selbst zu entscheiden, ob sie dazu Ja sagen will. Erst wollte sie; dann wollte die Regierung nicht mehr, viele Menschen in der Ukraine aber immer noch; was in Zukunft wird, werden wir sehen.

Warum sollten europäische Politiker und Politikerinnen nicht mit Herrn Klitschko zusammen auftreten? Es gibt ja nicht nur auf der Seite des politischen Spektrums europäische Verbindungen. So ist zum Beispiel die Partei des ukrainischen Staatpräsidenten bei den europäischen Sozialdemokraten angedockt. Wenn Sie "zwielichtige Typen" suchen, werden Sie wahrscheinlich in dieser Regierungspartei am schnellsten fündig. Aber selbst zwielichtige Typen können sich ändern. Ich finde es nicht gut, dass Sie solche Vorwürfe als Ausrede nutzen, um sich vom Kampf vieler Menschen in der Ukraine für eine europäische Perspektive zu distanzieren.

Im Generellen bin ich übrigens sehr für mehr direkte Demokratie in Europa. Aber es wird noch einige Zeit dauern, bis das europäische Gefühl des Zusammenhaltes so stark ist, dass wir auch europäische Volksentscheide haben werden. Derzeit treffen in aller Regel die Parlamente Entscheidungen über Beitritte zur EU, so zuletzt im Falle Kroatiens. Dafür sind die Parlamente von den Wählerinnen und Wählern legitimiert.

Mit freundlichen Grüßen,

Reinhard Bütikofer

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