Wie bewerten Sie das Verhältnis von Corona-Inzidenz-, Impf- und Testzahlen vom 01.01.2022 am Bsp. Deutschland/Portugal, besonders im Hinblick auf eine allgemeine Impfpflicht und deren Wirksamkeit?

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Robert Habeck
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Frage von Nataly D. •

Wie bewerten Sie das Verhältnis von Corona-Inzidenz-, Impf- und Testzahlen vom 01.01.2022 am Bsp. Deutschland/Portugal, besonders im Hinblick auf eine allgemeine Impfpflicht und deren Wirksamkeit?

Sehr geehrter Herr Habeck, die Daten (Quelle https://www.corona-in-zahlen.de/, v. Johns Hopkins, RKI u.a.), die wegen der Anzahl der Tests gut vergleichbar sind, lassen die Impfung als einziges Mittel, geschweige denn als Pflicht, für mich kaum rational erklären: Deutschland wies 219.000 Tests (7-Tage Wert), Portugal , das im Herbst als Positivbeispiel in den Leitmedien galt, 232.000 Tests, Deutschland meldetet 26.000 Neuinfektionen, Portugal 30.000. Soweit, so ähnlich, inkl. einer Meldeverzögerung, die ich ohne Belege dennoch für Portugal genauso annehme. Nun lag Deutschland aber "nur" bei einer Impfquote von 70,6%, Portugal hingegen bei 89,5%. Beide verzeichnen einen vergleichbaren Boosteranteil von ü. 30%, der nun als Hauptwaffe gegen Omicron firmiert. Was, wenn auch 100% Impf-/Boosterquote die Pandemie nicht beenden? Gibt es einen Plan B? Z.B. systematische u. frühzeitige Behandlung/med. Beobachtung positv Getesteter mit Medikamenten, um Krankenhausaufenthalte zu verhindern?

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau D.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Ihre Frage bezieht sich im Wesentlichen auf die Wirksamkeit der Schutzimpfung. Aus medizinisch-epidemiologischer Sicht ist eine hohe Impfquote notwendig, um das Risiko sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren und SARS-CoV-2 an andere Menschen zu übertragen zu reduzieren. Die derzeitige Impfquote reicht dabei nicht aus. Zur Prävention stehen mehrere gut verträgliche, sichere und hochwirksame Impfstoffe zur Verfügung. Studien zeigen, dass Schutzimpfungen gegen COVID-19 nicht nur die geimpfte Person wirksam vor einer Erkrankung und insbesondere vor schweren Krankheitsverläufen (Individualschutz) schützen, sondern auch dazu führen, dass geimpfte Personen weniger zur Ausbreitung des Erregers beitragen.

Die in Deutschland zugelassenen Impfstoffe sind millionenfach erprobt, wirksam und sicher. Sie stellen die Wirksamkeit der Impfstoffe in Frage, weil sich auch Geimpfte weiterhin mit dem Virus infizieren und an COVID-19 erkranken können. Das ist aus mehreren Gründen ein Fehlschluss. Erstens war es nicht das Ziel der Impfung, eine Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus vollständig zu verhindern. Der Zweck der Impfung ist es die Wahrscheinlichkeit, schwer an COVID-19 zu erkranken, Langzeitfolgen wie Long-Covid zu erleiden oder gar zu versterben, erheblich zu senken. Bei vollständig gegen COVID-19 geimpften Personen ist diese Wahrscheinlichkeit um etwa 90% geringer als bei den nicht geimpften Personen. Die COVID-19-Impfstoffe tun also genau das, was sie tun sollen: sie schützen gut vor der COVID-19-Erkrankung.

Es kann jedoch auch trotz Schutzimpfung zu einer Infektion mit SARS-CoV-2 und zu einer COVID-19-Erkrankung kommen. Bei symptomatisch erkrankten Geimpften spricht man dann von einem sogenannten Impfdurchbruch. Diese nehme in der absoluten Zahl natürlich stark zu, wenn insgesamt die Infektionszahlen extrem in die Höhe schnellen, sprich: Je mehr aktive Corona-Fälle es gibt, desto höher die Wahrscheinlichkeit sich als Geimpfter zu infizieren. Zu bedenken ist auch, dass die Immunantwort unseres Körpers, also die Abwehrreaktion gegen den Virus den Erkrankungssymptomen sehr ähnlich sind. Das heißt nicht bei jeder positiv auf Sars-CoV-2 getesteten geimpften Person, die Erkältungssymptome aufweist, ist tatsächlich die Erkrankung ausgebrochen, sondern vielmehr das Immunsystem angesprungen.

Mit einer hohen Impfquote können wir somit verhindern, dass gleichzeitig viele schwer Covid-19 Erkrankte im Krankenhaus behandelt werden müssen und unser Gesundheitssystem überlastet wird, auch wenn es zukünftig zu lokalen Ausbrüchen kommt. Es können auch vollständig Geimpfte in Einzelfällen schwere Verläufe haben - das betrifft gerade ältere und immungeschwächte Patientinnen und Patienten - aber insgesamt wird die Anzahl der kritischen Covid-19 Patientinnen und Patienten in deutschen Krankenhäusern vorrangig von Ungeimpften dominiert. Hinzu kommt: Je höher die Impfquote, desto höher auch der Anteil der schweren Impfdurchbrüche. Wären 100 Prozent der Menschen geimpft, lägen auf den Intensivstationen 100 Prozent Geimpfte.

Zusätzlich zur Schutzimpfung ist auch der Einsatz von Therapeutika sinnvoll. Mit der jüngsten Zulassung von Paxlovid sind in der EU nun sechs Medikamente gegen Covid-19 für verschiedene Stadien der Krankheit zugelassen. Ein Großteil der Medikamente erzielt jedoch nur dann die Wirkung schwere Verläufe und somit Krankenhausaufenthalte zu vermeiden, wenn sie zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Erkrankung eingenommen werden – in der Regel wenige Tage nach Symptombeginn. Die Therapeutika sind als ergänzende Maßnahme zur Impfung gut, haben aber in der Anwendung aber natürliche Limits und sind deshalb eher nicht massentauglich. 

Wir hoffen, wir konnten Ihnen weiterhelfen!

Mit freundlichen Grüßen,

Team Robert Habeck

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