Frage an Rüdiger Kruse bezüglich Innere Sicherheit

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Rüdiger Kruse
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Frage von Gloria Nieves I. •

Frage an Rüdiger Kruse von Gloria Nieves I. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Kruse,

Deutschland will sich nicht direkt in Lybien engagieren. Bislang habe ich von Ihrer Partei keine Argumente gehört, warum sich Deutschland raushält. Ich lese immer nur, dass Sie skeptisch sind. Allerdings hat Deutschland an anderen Einsätzen teilgenommen, zum Bespiel in Afganistan oder im Sudan.

Ich würde mich freuen, wenn Sie mir die Argumente nennen würden, warum sich Deutsschland an bestimmten Einsätzen beteiligt, an anderen nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Gloria Nieves

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Nieves,

vielen Dank für Ihre Frage bei abgeordnetenwatch zum dem Libyeneinsatz der NATO.

Inzwischen ist seit dem Konflikt in Libyen einige Zeit verstrichen. Die NATO hat die Militärmission „Unified Protector“, in deren Rahmen Luftangriffe auf Infrastruktur und Streitkräfte des libyschen Machthabers Muammar Gaddafi durchgeführt wurden, am 31. Oktober 2011 abgeschlossen. Das militärische Eingreifen hatte am 22. März 2011 begonnen.

Basis für dieses Eingreifen war die Resolution 1973, die am 17. März 2011 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) verabschiedet wurde. Mit dieser Resolution wurde ein vollständiges Ende der Gewalt gegen Zivilisten gefordert, eine Flugverbotszone über Libyen eingerichtet und die Durchsetzung des Waffenembargos angemahnt. Mit der Resolution ging die Ermächtigung an die Mitgliedsstaaten der VN einher, diese Punkte durchzusetzen. Zusätzlich beschloss der VN-Sicherheitsrat die Verschärfung von Sanktionen und die erweiterte Umsetzung bereits wirksamer Maßnahmen. Dazu gehörten unter anderem Reisebeschränkungen für Mitglieder der libyschen Elite, das Einfrieren von deren Vermögenswerten im Ausland, sowie ein Lande- und Überflugverbot für libysche Fluglinien. Die Resolution wurde mit den Stimmen Frankreichs, der USA, des Vereinigten Königreichs, Bosnien und Herzegowinas, Portugals, Gabuns, Nigerias, Südafrikas, Kolumbiens und des Libanons verabschiedet. Neben Deutschland enthielten sich die Volksrepublik China, Russland, Brasilien und Indien.

Die Entscheidung zur Enthaltung wurde nach einem schwierigen und intensiven Abwägungsprozess getroffen. Die politischen Ziele, die mit der Resolution verbunden waren, teilte die Bundesregierung ausdrücklich. Es ging darum, den libyschen Präsidenten aus seinem Amt zu entfernen. Dennoch kam die Bundesregierung zu dem Schluss, sich an dem Einsatz nicht mit deutschen Streitkräften zu beteiligen und hat sich daher bei der entscheidenden Abstimmung der Stimme enthalten. Die deutsche Befürchtung, die zu der Enthaltung bei der Resolution geführt hat, war, dass sich der Militäreinsatz, der lediglich Angriffe der Luftwaffe vorsah, zu einem massiven Einsatz von Bodentruppen hätte entwickeln können. Ein solcher Einsatz von Bodentruppen hätte hohe Opferzahlen fordern können, auch unter Bundeswehrsoldaten. Im Nachhinein können wir feststellen: Dieser Fall ist glücklicherweise nicht eingetreten. Das primäre Ziel, die Ablösung von Staatchef Gadaffi und seines Clans, wurde erreicht. Dies war eine der Möglichkeiten, die Entwicklung hätte auch in eine gegenteilige Richtung laufen können.

Bei dem ISAF-Mandat in Afghanistan haben wir gesehen, dass sich eine Mission schnell ausweiten kann. So sah das Mandat, zu Beginn der Mission im Dezember 2001, eine Obergrenze von 1.200 deutschen Soldaten und eine Beschränkung auf die Hauptstadt Kabul vor. Heute (September 2012) liegt die Obergrenze bei 4.900 Bundeswehrangehörigen und der Einsatzbereich unter deutscher Verantwortung umfasst den gesamten Norden des Landes. Die Entscheidung gegen eine deutsche Beteiligung am Einsatz der NATO in Libyen fußte sicherlich auch auf den Erfahrungen, die wir in Afghanistan gesammelt haben.

Wirkliche, stichhaltige Kriterien, wann die Bundesregierung die Entsendung von deutschen Streitkräften unterstützt, kann es nicht geben. Dafür sind die Fälle in der Vergangenheit zu unterschiedlich gewesen und werden es auch in Zukunft sein. Die Entscheidung kann immer nur lage- und situationsabhängig getroffen werden. Grundsätzliche Voraussetzungen für eine deutsche Beteiligung an internationalen Militäreinsätzen sind die Legitimation durch den VN-Sicherheitsrat und eine Beteiligung im Rahmen unserer Bündnispolitik (NATO, EU, etc.). Allerdings ist auch dies keine Gewähr dafür, dass sich Deutschland ohne Diskussion beteiligt, wie wir in Libyen gesehen haben.

Was die Beteiligung an Militäreinsätzen im Ausland betrifft, so muss Deutschland seine Rolle in der Welt noch finden. In Zukunft, so lautet meine Einschätzung, wird die Bundeswehr eher an mehr, denn an weniger internationalen Einsätzen teilnehmen.

Beste Grüße,
Rüdiger Kruse