Frage an Rüdiger Kruse bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Rüdiger Kruse
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Frage von Manfred K. •

Frage an Rüdiger Kruse von Manfred K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Kruse,

vor kurzer Zeit hat der "freie Westen" noch über die Revolutionen im arabischen Raum gejubelt.
Nun frage ich, nachdem überall der Bürgerkrieg oder das Chaos tobt bzw. in Teilen begonnen hat, was soll den jetzt geschehen? Versteht man in unseren Parteien nicht, dass es Länder gibt, die unsere Art von Demokratie nicht übernehmen können oder wollen?

Mit freundlcihem Gruß
Manfred Köhler

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CDU

Sehr geehrter Herr Köhler,

vielen Dank für Ihre Frage bei abgeordnetenwatch zu den Entwicklungen im Maghreb und im Nahen Osten.

Vor über einem Jahr, am 17. Dezember 2010, verbrannte sich ein junger Tunesier, um gegen die Willkür und Ungerechtigkeit in seinem Land zu protestieren. Mit diesem Ereignis begann der Umbuch im Maghreb und im Nahen Osten, der zuerst Tunesien und dann immer mehr Länder erfasste. Die Menschen begehrten mutig auf und stürzten zahlreiche Autokraten. Der tunesische Präsident Ben Ali musste nach knapp 23-jähriger Zeit an der Spitze seines Landes in das Exil flüchten. In Ägypten muss sich Husni Mubarak, der 30 Jahre lang das Land regiert hat, inzwischen vor Gericht für das von ihm und seinen Untergebenen begangene mutmaßliche Unrecht verantworten. Muammar al-Gadaffi in Libyen wurde ebenso von seinem Volk gestürzt. Weltweit hat den Menschen damals der Mut und vor allem die Kraft imponiert, welche die dortige Bevölkerung nach Jahrzehnten der Unterdrückung aufgebracht hat, um ihre Revolutionen zu einem Erfolg zu führen.

Die Geschehnisse seitdem variieren in den einzelnen Ländern des Umbruchs. Exemplarisch möchte ich an dieser Stelle auf die Entwicklungen in Ägypten eingehen. Was für eine vorläufige Bilanz lässt sich ziehen? In Teilen mag sie positiv ausfallen:
Die Zivilgesellschaft war in der Lage, aus eigener Kraft heraus, den Autokraten Mubarak zu stürzen. In Ägypten konnten das erste Mal seit 60 Jahren freie und faire Parlamentswahlen durchgeführt werden. Viele Mitglieder der alten Machtelite, die das Land jahrzehntelang wirtschaftlich ausgebeutet haben, stehen derzeit vor Gericht.
Auf der anderen Seite sind viele Ägypter, die vor einem Jahr in Kairo ihren Sieg über das alte Regime gefeiert haben, enttäuscht. Ihre individuellen Lebensumstände haben sich nicht wesentlich verbessert. Auch konnten die liberalen Kräfte der Revolution nicht von der Parlamentswahl profitieren und sind politisch weitgehend verstummt. Stattdessen hält das Militär immer noch relativ viel Macht in seinen Händen. Die Muslimbrüderschaft ist aus den Wahlen als stärkste Partei hervorgegangen und dominiert das Parlament.
In welche Richtung sich das Land entwickelt und welche politischen Kräfte sich durchsetzen, wird die Zukunft zeigen. Nur, weil der Despot gestürzt wurde, impliziert dies nicht die Entstehung wirklicher demokratischer Strukturen.
In den übrigen Staaten des so genannten Arabischen Frühlings lassen sich ähnliche Muster, wie in Ägypten erkennen. Die Kämpfe und Konflikte um die innerstaatliche Vorherrschaft sind in vollem Gange. Ob sich in den Staaten des Maghreb und des Nahen Ostens am Ende die demokratischen Kräfte durchsetzen können wird sich erst mittel- und langfristig zeigen.

Ich trete dafür ein, dass wir die demokratischen und zivilgesellschaftlichen Kräfte in den betreffenden Ländern stärken. Eine von oben oder gar dem Westen verordnete Demokratie wird nur schwerlich von den dort lebenden Menschen akzeptiert werden. Stattdessen müssen wir Hilfestellung im zwischenstaatlichen Bereich geben. Hier leisten deutsche Stiftungen, wie beispielsweise die Konrad-Adenauer-Stiftung, bereits Beachtliches.

Elementar ist, dass dem politischen Transformationsprozess zügig ein wirtschaftlicher folgt. Die Proteste begannen damals aufgrund der individuellen wirtschaftlichen Misslage der Menschen. Die Menschen müssen daher eine Verbesserung ihrer Verhältnisse spüren. Ansonsten werden sie die zurückliegende Zeit der Despotie verklären und sich danach zurücksehnen.

Der zivilisatorische Lernprozess in Europa erfuhr durch die französische Revolution 1789 eine Initialzündung. Damals begehrte die Bevölkerung aufgrund ihrer desolaten wirtschaftlichen Lage auf. Die demokratischen Ideen und Prozesse, die sich aus dieser Revolution entwickelten, sind die Vorläufer unseres modernen, demokratischen Staatslebens. Ich wünsche mir einen ähnlichen Verlauf für den Maghreb und den Nahen Osten – sicher ist dies keinesfalls.

Beste Grüße
Rüdiger Kruse