Frage an Rüdiger Kruse bezüglich Finanzen

Portrait von Rüdiger Kruse
Rüdiger Kruse
CDU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Rüdiger Kruse zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Gerhard H. •

Frage an Rüdiger Kruse von Gerhard H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Kruse,

"CDU will Bürger per Votum am Haushalt beteiligen" meldet eine Zeitung heute und benennt Sie als Initiator eines solchen Planes.

Leider ist inhaltlich dort nicht besonders viel genannt.

Haben Sie ein Quelle, aus der man mehr erfahren kann?

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Heimsath

Portrait von Rüdiger Kruse
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Heimath,

natürlich kann ich Ihnen mehr Information zum Hamburger Bürger-Dialog geben..
Ich habe das entsprechende Pressepapier in diese mail gestellt.
Besten Dank für Ihr Interesse und freundliche Grüße

Rüdiger Kruse

Rüdiger Kruse, haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion

Hamburger Bürger -Dialog

Ausgangslage
Rund 90 Prozent der Kosten im Hamburger Haushalt (Betriebshaushalt) sind fix. Es sind die Personalkosten (39 Prozent), die gesetzlich vorgeschriebene Leistungen (24 Prozent) und die Zinsen (13 Prozent). Rund 15 Prozent sind Aufwendungen für die Universitäten, Museen, Bauunterhaltung etc. Es verbleiben also nur rund zehn Prozent der Ausgaben im Betriebshaushalt, die kurzfristig verändert werden können.
Die hohen Personalkosten sind bei einer Verwaltung ganz normal, die Leistung wird von Menschen erbracht und nicht von großtechnischen Produktionsanlagen. Unveränderbar sind diese Kosten aber nicht. Nur innerhalb von einigen Jahren kann man daran nicht viel ändern. Darum steuern wir nur mit den restlichen zehn Prozent. Geringere Steuereinnahmen wie in den letzten Jahren müssen durch Sparen in diesem kleinen flexiblen Teil des Haushaltes kompensiert werden, oder durch Verkauf von städtischem Besitz. Darum sind wir immer ganz schnell an dem Punkt, dass Einschränkungen - wie bei der Filmförderung oder bei Leistungen wie dem Blindengeld - gemacht werden müssen. Das gibt jedes Mal einen Aufschrei, und jedes Mal sagen die Regierenden „wir können nicht anders“. Kurzfristig können wir tatsächlich nicht anders.

Perspektive
Wir haben aber die Chance, uns mittelfristig neu aufzustellen, und den 90-Prozent-Bereich der Ausgaben anzugehen. Personalkosten einzusparen heißt entweder, Leistungen des Staates effektiver zu erbringen oder sie zu reduzieren. Wir müssen uns fragen, was die Stadt dem Bürger in zehn oder 15 Jahren an Leistungen anbieten soll und auf welche Weise diese Leistung erbracht und zur Verfügung gestellt werden sollen. Hier liegt die Herausforderung. Was ist den Bürgern wichtig? Können Verwaltungsdienstleistungen in nennenswertem Umfang elektronisch (Stichwort: „E-Government“) erbracht werden? Kennt man die Einschätzung der Bürger zu diesen Fragen, kann daraus eine Prioritätenliste erstellt werden. In Verbindung mit einer vorsichtigen Steuerschätzung können wir dann sagen, was möglich ist, und die Verwaltungsstrukturen entsprechend anpassen.
Bis zum Jahr 2016 werden von den gut 70.000 am 1. Januar 2003 beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt rund 28.000 voraussichtlich altersbedingt ausscheiden. Wenn wir heute festlegen, wo in 2016 die Leistungsziele der Verwaltung liegen sollen, und wie viel Personal wir 2016 im öffentlichen Dienst beschäftigen können, dann kann der Stellenumbau und Stellenabbau zielgenau und effizient erfolgen.
Darüber hinaus lässt sich auch eine gute Verbindung zum bürgerschaftlichen Engagement herstellen. Welche freiwilligen Leistungen des Staates, die angesichts leerer Kassen nicht mehr zu finanzieren sind, können von Bürgern erbracht werden? In welchem Umfang und in welchen Bereichen sind die Bürger bereit, sich für das Gemeinwohl zu engagieren?

Projekt
Einsparungen sind zunächst einmal unbeliebt, weil sie etwas wegsparen, das man gewohnt ist. Einsparungen hier ermöglichen aber Beweglichkeit dort. Wir wollen die Menschen zukünftig fragen „was wollt ihr?“ und nicht, „was wollt ihr nicht?“
Natürlich kann man per „Ordere de Mufti“ alles von oben bestimmen und dann hoffen, dass es gut geht. Zum einen setzt dies aber voraus, dass man so ziemlich alles weiß, was in der Regel eher unwahrscheinlich ist. Andererseits muss man härteste Kämpfe durchstehen, verbraucht also viel Energie für das Durchsetzen, die einem dann beim Umsetzen fehlt. In einer Familie bespricht man ja die Dinge auch gemeinsam. In einem gut geführten Unternehmen werden alle Abteilungen an der Zukunftsplanung beteiligt. In einer gut geführten Stadt - und Hamburg ist eine gut geführte Stadt - wird der Bürger ebenfalls in die Planung eng mit einbezogen. Das ist heute weitaus einfacher als noch vor ein paar Jahren. Und es kostet noch nicht einmal besonders viel Geld. Wir können über intelligente Internetanwendungen intensiv mit dem Bürger an dem Zukunftsmodell für Hamburg arbeiten. Das hat der Senat unter Ole von Beust bereits einmal bewiesen, mit der „DEMOS-Diskussion“ zum „Leitbild Metropole Hamburg - Wachsende Stadt. Rund 60 konkrete Vorschläge sind in die Planung eingeflossen. Und die Identifikation mit der wachsenden Stadt konnte nachhaltig gesteigert werden. Das sollten wir auch hier nutzen. Wir nutzen das Internet und wir als Bürger, also Politiker und Nichtpolitiker, Junge und Alte, Arbeitnehmer und Arbeitgeber etc. diskutieren mit einander, welche Leistungen die Stadt in 10 Jahren mit welcher Priorität erbringen soll.
Das kostet mit 50.000 bis maximal 100.000 Euro nur einen Bruchteil des Aufwands für ein Volksbegehren, und es beantwortet mehr als nur eine Frage. Es ist ein echter Dialog.

Potenzial
Die Abgeordneten können vor Ort Diskussionszirkel eröffnen, sie können die Anregungen zusammenfassen und in den Hamburger Dialog einspeisen. Bürgervereine, Seniorengruppen, Kirchen und Verbände, Schüler alle können für sich oder gemeinsam mit anderen an dem Forum teilnehmen. Wir haben hier ein gewaltiges Mobilisierungspotential. Das Internet eröffnet Menschen die Teilhabe, die zum Beispiel aufgrund von körperlichen Einschränkungen oder der Unlust auf öffentliche Veranstaltungen nicht an politischen Diskussionen teilnehmen. Der Hamburger Bürger-Dialog wird ein Meilenstein, er wird das Mittel zur Partizipation und ein wesentlicher Beitrag gegen die Politikverdrossenheit.
Hamburg ist derzeit durch die Mitwirkung im DEMOS-Projekt und das Engagement im E-Government Projekt „Media@Komm-Transfer“ des BMWA eine Vorreiterin im Bereich „elektronische Demokratie“. Ein internetgestütztes Projekt „Bürger-Beteiligung an der Haushaltsplanung“ würde daher auch bundesweit für Aufmerksamkeit sorgen und die Ambitionen der FHH in dieser Hinsicht unterstreichen.

Weiteres Vorgehen
- Beschlussfassung der Bürgerschaft über den Antrag 18/2409 am 22./23. Juni 2005
- Durchführung des Hamburger Bürgerdialogs/Beteiligungsprojektes Haushalt im Auftrag des Parlaments
- Projektansiedlung beim Haushaltsausschuss.

Was ist DEMOS?
DEMOS („Delphi Mediation Online System“) steht für eine Internetplattform und ein Verfahren zur Durchführung ergebnisorientierter Online-Diskussionen mit sehr vielen Teilnehmern. DEMOS wurde im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts unter Leitung der TU-Harburg/ TuTech Innovation GmbH entwickelt. Dis Städte Hamburg und Bologna waren als Pilotnutzer eingebunden.
Auf Grundlage des so genannten DEMOS-Prozesses können moderierte und zeitlich begrenzte Diskussionen im Internet mit bis zu tausend aktiven Teilnehmern auf der maßgeschneiderten Plattform realisiert werden. Der DEMOS-Prozess unterstützt die drei Diskussionsphasen: Eröffnung/Brainstorming, Vertiefung der wichtigsten thematischen Aspekte in einzelnen Foren sowie Konsolidierung der Diskussion. Softwaretechnik und -verfahren sind so aufeinander abgestimmt, dass
- die Nutzer jederzeit den Diskussionsverlauf überblicken können
- die Zielorientierung gesichert wird
- Meinungen und Expertise der Teilnehmer systematisch ausgewertet werden
- Konflikte konstruktiv bearbeitet werden können
- die Diskussion zu anschlussfähigen Ergebnissen führt

DEMOS eignet sich daher ideal, um eine konstruktive und aktive Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Gestaltungsprozessen zu ermöglichen. Durch eine systematische Zusammenarbeit mit den klassischen Medien (Tageszeitungen, Radio und Fernsehen) kann DEMOS als Instrument zur Initiierung breiter öffentlicher Diskurse genutzt werden.

Welche Erfahrungen gibt es mit DEMOS?
DEMOS wurde bereits in der Entwicklungsphase an der TU-Harburg mit Studenten und Professoren sowie in der Stadt Bologna mit großem Erfolg erprobt. Am Ende des Forschungsprojekts wurde darüber hinaus eine öffentliche Online-Diskussion in der Freien und Hansestadt Hamburg zum Thema „Leitbild Wachsende Stadt“ realisiert. Diese Diskussion, die von Hamburgs Erstem Bürgermeister Ole von Beust unterstützt und eröffnet wurde, gilt im Hinblick auf Beteiligungsbreite und -tiefe, Qualität der Beiträge und Umsetzung der Ergebnisse als eines der erfolgreichsten Experimente dieser Art im Bereich „Elektronische Demokratie“.
Derzeit sind mehrere Online-Diskurse in Planung beispielsweise für die Behörde für Soziales und Familie und im Zusammenhang eines Projekts des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Welche Erfahrungen gibt es mit Bürgerbeteiligung in Haushaltsfragen?
Berühmt geworden ist der so genannte Bürgerhaushalt durch ein Experiment in Porto Allegro (Brasilien) Ende der 1980er Jahre. Die Bürgerbeteiligung bei der Haushaltsplanung wurde dort unter den Bedingungen extremer Sparzwänge eingeführt und hat sich - nach anfänglichen Schwierigkeiten - bewährt.
Inzwischen beteiligen sich jährlich mehr als 30.000 Menschen und das Verfahren wurde vielerorts kopiert.
Seit November 2000 führen die Bertelsmann-Stiftung und das Innenministerium Nordrhein-Westfalen ein gemeinsames Projekt zum Thema Bürgerhaushalt durch.Die Gemeinden Erlangen, Hamm, Castrop-Rauxel und Vlotho arbeiten inzwischen mit Elementen des Verfahrens, wie es in Porto Alegre erprobt wurde. Auch der Bezirk Berlin-Lichtenberg will jetzt die Beteiligung der Bürger an der Haushaltsplanung einführen.
Eine Online-Beteiligung von Bürgern wurde 2003 in Esslingen im Rahmen von Media @ Komm-Transfer erprobt.
Die Erfahrungen mit dieser Form der Bürgerbeteiligung sind durchaus positiv und zwar aus Sicht der Bürger, der Politiker und der Verwaltung. Dies geht insbesondere aus der Studie „Kommunaler Bürgerhaushalt“ der Bertelsmann-Stiftung hervor.

Ergebnisse, Infos und Leitfaden zum NRW-Projekt Bürgerhaushalt finden Sie hier:
http://www.buergerhaushalt.nrw.de/hom/5.htm#
Einen Überblicksartikel mit Links zu anderen Internetdiskussionen finden Sie hier:
http://www.politik-digital.de/edemocracy/netzkampagnen/elektronische_demokratie2004.shtml

CDU Bürgerschaftsfraktion
Pressestelle
Poststrasse 11
20354 Hamburg