Frage an Sahra Damus bezüglich Lobbyismus & Transparenz

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Sahra Damus
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Mareen N. •

Frage an Sahra Damus von Mareen N. bezüglich Lobbyismus & Transparenz

Sehr geehrte Frau Damus,

Wie begründen Sie die Maßnahmen? Die Kirchen (vom RKI als ‚Pandemietreiber’ beschrieben) bleiben uneingeschränkt offen, aber die Mama-Outdoor-Sportgruppe darf sich nicht im Freien treffen, ebenso der Rentner-Lauftreff. Die Risikogruppe Übergewicht darf keinen gelenkschonenden, gesundheitsfördernden Aquafitnesskurs besuchen, aber die Fußballer dürfen sich jubelnd umarmen? Würde man diese Gruppen also in Kirchen verlegen und als religiöse Veranstaltung ausgeben, dürfen sie stattfinden?
Das Restaurant muss schließen, aber die Kantine bleibt offen?
Der Sportunterricht findet in den Schulen statt, aber der Vereinssport wird geschlossen?
Die Haare darf man sich schön machen, aber sich am Fuß kein Tattoo stechen lassen?
In den ÖPNV darf gedrängelt und dicht gestanden werden, aber im Kino darf man keine 2m auseinandersitzen?
Mit freundlichen Grüßen
M. Nagy

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Nagy,

in den vergangenen Monaten haben viele Einrichtungen und Betriebe
Hygiene-Konzepte erarbeitet und sich sehr engaiert um die
Corona-Regelungen einzuhalten. Da scheint es nun oft ungerecht, nicht
mehr öffnen zu dürfen und viele Inhaber*innen sind frustriert. Das kann
ich sehr gut nachvollziehen. Ich bin selbst mit verschiedenen
Unternehmen und Kultureinrichtungen im Austausch.

Hinter der Maßnahmen steckt jedoch eine klare Logik. Das Ziel ist es,
alle Kontakte, zu vermeiden, die nicht unbedingt nötig sind, damit
Krankenhäuser und Gesundheitsämter nicht überlastet werden. Denn aktuell
steigen die Infiziertenzahlen noch immer an - und in der Folge auch
wieder die Inanspruchnahme von Intensivbetten und leider auch die
Todeszahlen.

Im ersten Lockdown im Frühjahr wurden auch alle Kitas und Schulen
geschlossen. Dies war für die Kinder und auch die Eltern ein krasser
Einschnitt. Es war eine sehr anstrengende und problematische Zeit. Daher
war bei diesem zweiten Lockdown das oberste Ziel, Kitas und Schulen so
lange wie möglich offen zu lassen.
Es geht also darum, dass wir jetzt alle Solidarität zeigen mit den
Kindern, die ihre täglichen Aktivitäten und sozialen Kontakte ganz
besonders brauchen. Und es geht auch um Solidarität mit den Familien,
die aufgrund ihrer Jobs nicht die Kinder betreuen können und deswegen
funktionierende Bildungseinrichtungen brauchen.

Daher muss die Reduzierung der Kontakte durch Einschränkungen in anderen
Bereichen erreicht werden. Wissenschaftler*innen haben empfohlen,
Kontakte um mindestens 25% zu reduzieren. Wenn wir Kultureinrichtungen,
Sportstätten, Restaurants, Fitnessstudios etc. nicht schließen würden,
müssen wir uns fragen: Was schließen wir stattdessen, um die 25%
Reduzierung zu erreichen? Wir bräuchten also andere Vorschläge für
Schließungen. Ich denke, die aktuellen Schließungen - so schmerzlich sie
auch sind - sind diejenigen, die die wenigsten Nachteile mit sich
bringen. Oder um es anders zu sagen: Alles andere hätte noch
gravierendere Folgen.

Zu Ihren konkreten Fragen noch ein paar weitere Erklärungen:

Gotteshäuser vs. andere Einrichtungen: Gotteshäuser bieten den Menschen
in der Krise Halt und Trost. Außerdem ist die Religionsausübung im
Grundgesetz besonders geschützt, daher hat sie Vorrang vor anderen
Aktivitäten wie Freizeitangeboten. Sie müssen aktuell sehr strenge
Hygiene-Auflagen einhalten. Auch das demonstrationsrecht ist im
Grundgesetz besonders geschützt, daher wird auch dieses weiterhin
ermöglicht.

Kantine vs. Restaurant: Kantinen nutzen Menschen, die sich meist ohnehin
in der jeweiligen Einrichtung aufhalten, bspw. Mitarbeiter*innen im
Betrieb oder Schüler*innen in der Schule. Sie brauchen trotz Corona die
entsprechende Versorgung. Restaurants dürfen aktuell nur außer Haus
Speisen anbieten. Sie können jedoch für die Einnahmeausfälle die
sogenannte November-Hilfe beantragen.

Schulischer Sportunterricht vs. Vereinssport: Der Sportunterricht ist
Teils des Bildungsprogramms der Schulen. Vereinsport ist ebenfalls sehr
wichtig, kann aber vermieden werden. Es ist möglich allein Freizeitsport
zu treiben. Unterrichtsstunden müssen unter strengen Hygiene-Konzepte
stattfinden. Ich finde es allerdings unverantwortlich, dass Profisport
(wenn auch ohne Publikum) weiter stattfinden darf. Das setzt meiner
Meinung nach falsche Signale.

Kino vs. ÖPNV: Der ÖPNV ist systemrelevant. Menschen brauchen ihn, um
zur Arbeit, zur Schule und zu wichtigen Terminen zu gelangen. Es wird
gleichzeitig appelliert, dass menschen auf alle Wege verzichten, die
nicht unbedingt notwendig sind. Außerdem muss im ÖPNV eine
Mund-nasen-Bedeckung getragen werden. Auch Kinos können die genannte
November-Hilfe beantragen.

Herzliche Grüße
Sahra Damus

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