Frage an Sarah Ryglewski bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Sarah Ryglewski
SPD
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Frage von Robert R. •

Frage an Sarah Ryglewski von Robert R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Ryglewski,

in den letzten Monaten haben tausende Menschen beim „Aufbruch 2017“ der Bürgerbewegung Campact in Wohnzimmern, Cafés und unter freiem Himmel darüber diskutiert, welche Aufgaben eine neue Bundesregierung angehen muss. Über 75.000 haben über die Ergebnisse dieser Diskussionen abgestimmt, herausgekommen ist ein Kompass mit 10 Forderungen für demokratischen, sozialen und ökologischen Fortschritt.

Auch ich mache beim „Aufbruch 2017“ mit – und lebe in Ihrem Wahlkreis. Bevor ich am 24. September wähle, möchte ich gerne wissen, wie Sie zu den Themen stehen, die mir und so vielen anderen wichtig sind. Bitte erklären Sie mir kurz, wie Sie und Ihre Partei sich im Falle einer Regierungsbeteiligung dazu verhalten würden.

Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
R. R.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr R.,

eine aktive und informierte Zivilgesellschaft ist Basis und Nährboden für eine gerechte und lebendige Demokratie. Ich danke Ihnen daher sehr für Ihr Schreiben zum Campact Aufbruch 2017.
Im Folgenden beziehe ich Stellung zu Ihren Forderungen:

1. Das Gesundheitssystem nachhaltig und gerecht gestalten.
Wir sind der festen Überzeugung, dass unser Gesundheitssystem nur mit mehr Solidarität zukunftsfähig gemacht werden kann. Wir müssen die Lasten gerechter verteilen. Konkret bedeutet das, dass alle Bürgerinnen und Bürger in ein Versicherungssystem einzahlen sollen, in dem die Beiträge nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip erhoben werden. Die paritätische Bürgerversicherung muss aus unserer Sicht wieder zwingend zu gleichen Teilen von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden finanziert werden.

2. Eine auskömmliche Rente einführen.
Wir wollen die Würde im Alter durch verlässliche Leistungen sichern, ohne die Entwicklungschancen der Jüngeren zu beschränken. Um dies zu bewerkstelligen, setzen wir setzen deshalb auf eine gesetzlich festgelegte doppelte Haltelinie bei Beitragssatz und Rentenniveau. Zuerst wird durch einen Gesetzesentwurf das weitere Absinken des Rentenniveaus umgehend gestoppt und bis 2030 mindestens auf dem heutigen Niveau von 48 Prozent stabilisiert, um so die verlässliche gesetzliche Rente als Fundament für die Sicherung des Lebensstandards im Alter zu stärken. Die Bremer SPD und ich werden uns ferner dafür einsetzen, dieses Mindestniveau im nächsten Schritt weiter anzuheben. Unter Einbeziehung der bisher nicht versicherten Selbstständigen ist unser Ziel, die gesetzliche Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung auszubauen. Zudem wollen wir einen Anspruch auf eine Solidarrente einführen für Menschen, die 35 Jahre oder länger Beiträge gezahlt haben oder Zeiten für Kindererziehung und Pflege angerechnet bekommen haben. Mit der Solidarrente wollen wir ein Alterseinkommen für langjährig Beschäftigte gewährleisten, das zehn Prozent über dem durchschnittlichen Grundsicherungsanspruch am Wohnort liegt.

3. Den Bahnverkehr attraktiver machen.
Im Schienenpersonenverkehr wollen wir bis 2030 die Anzahl der Kunden verdoppeln. Dazu werden wir in Großstädten und Mittelzentren im Stundentakt optimale Möglichkeiten zum Umsteigen schaffen. Durch eine Reduzierung der Schienenmaut (Trassenpreise) werden die Preise im Personenverkehr entlastet. Die dadurch wegfallenden Einnahmen der DB Netz AG für den Erhalt der Schienenwege werden wir aus dem Bundeshaushalt ausgleichen.
Zu Beginn der 18 WP. haben sich der Bund und die Deutsche Bahn AG auf die neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für die Jahre 2015 bis 2019 geeinigt. Damit stehen für Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen in die bestehende Schieneninfrastruktur bis 2019 insgesamt 28 Mrd. Euro zur Verfügung. Die SPD setzt sich auch in Zukunft dafür ein, dass diese Investitionen auf hohen Niveau weiter fortgeführt werden. Mit der Steigerung der Regionalisierungsmittel für die Eröffnung und Wartung neuer und bestehender Schienenverbindungen auf 8,2 Mrd. Euro haben wir auch auf Bundesebene den Grundstein für ein weiteres Wachstum im ÖPNV gelegt. Die Verlagerung von mehr Güterverkehr auf die Schiene wollen wir mit Kapazitätserhöhungen der Schienenwege und geringere Kostenbelastung durch die oben bereits angesprochene Reduzierung der Trassenpreise erreichen.

4. Lobbyismus bekämpfen, z.B. durch ein zentrales Lobbyregister.
Wir wollen ein verpflichtendes Lobbyregister beim Deutschen Bundestag auf gesetzlicher Grundlage einrichten. Die Öffentlichkeit erhält darüber Auskunft, welche Interessenvertretung mit welchem Budget für wen tätig ist. Zudem werden wir eine „exekutive Fußspur” einführen, um allen offenzulegen, welchen Beitrag externe Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter bei der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs geleistet haben. Alle Bundestagsabgeordneten sollen ihre Einkünfte aus Nebentätigkeiten vollständig offenzulegen. Für Parteispenden wollen wir künftig eine jährliche Höchstgrenze von 100.000 Euro pro Spendende einführen.

5. Keine undemokratischen und unfairen Freihandelsabkommen abschließen.
Die SPD unterstützt nur faire Handelsabkommen, welche die demokratischen Prozesse nicht einschränken. Unser Ziel ist die verbindliche Einhaltung und Umsetzung menschenrechtlicher, ökologischer, verbraucherpolitischer und sozialer Standards in allen Handels-, Investitions-und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen. Private Schiedsgerichte schließen wir aus. Wir werden auch die Partnerschaftsabkommen der EU mit den afrikanischen Staaten (Economic Partnership Agreements) daraufhin prüfen, ob sie der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den betroffenen Entwicklungsländern dienen oder Abhängigkeiten weiter zementieren. Wir wollen Afrika bei der Schaffung einer afrikanischen Freihandelszone unterstützen.

6. Steuerflucht konsequent verfolgen und bestrafen.
Für die SPD hat die Bekämpfung von Steuerbetrug einen hohen Stellenwert. Steuerbetrüger verletzten das Gerechtigkeitsgefühl der Menschen tief, die sich an der Finanzierung von Staat und Gesellschaft beteiligen. Der Steuervollzug muss von der Steuererhebung bis zur Steuerprüfung für alle gleich erfolgen. Wir müssen deshalb die Steuerverwaltung personell deutlich aufstocken und die Kompetenzen der Finanzverwaltung zur Verfolgung von Steuerbetrug ausbauen. Sämtliche aus einer Straftat erlangten Vermögenswerte und alle rechtswidrigen Gewinne sollen künftig eingezogen werden. Zusätzlich wird die SPD Gewinnverlagerungen internationaler Konzerne in Niedrigsteuerländer eindämmen. Erforderlich ist außerdem ein umfassendes Programm zur Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetrug. Die SPD setzt sich deshalb für ein europäisches Transparenzregister ein, in dem alle Eigentümer, Begünstigte sowie die verantwortlichen Personen eines Unternehmens aufgeführt werden. Anonyme Finanzgeschäfte in Steueroasen oder den großen Finanzzentren, darf es nicht mehr geben. Für Banken, die Steuerhinterziehung geschäftsmäßig unterstützen, muss es harte Sanktionen bis hin zum Entzug ihrer Banklizenz geben.

7. Den Ausbau der Erneuerbaren Energien massivbeschleunigen.
Energie muss umweltfreundlich und bezahlbar sein. Gleichzeitig muss die verlässliche Versorgung gesichert bleiben. Das sind für uns drei gleichrangige Ziele der Energiewende. Erneuerbare Energien aus Windkraft und Sonnenenergie sind langfristig die kostengünstigste Form der Energieerzeugung. Sie machen uns unabhängig von Öl, Erdgas und Uran aus Konfliktregionen. Sie tragen zur lokalen Wertschöpfung bei und zu einem fairen Energiemarkt. Die verschiedenen Energiesektoren müssen dabei stärker verbunden werden, denn bisher findet die Energiewende hauptsächlich im Stromsektor statt. Durch Sektorenkopplung soll die Energiewende noch stärker in den Wärme- und Verkehrssektor getragen werden. Speicher und andere Technologien für die Sektorenkopplung sowie die Flexibilisierung und die Digitalisierung der Energiewende wollen wir gezielt durch technologieoffene gesetzliche Rahmenbedingungen sowie durch Forschungs- und Entwicklungsprogramme voranbringen. Der zügige Netzausbau auf Verteil- und Übertragungsnetzebene ist für das Gelingen der Energiewende von entscheidender Bedeutung. Bestehende Stromleitungen sollen mit Hilfe neuer Technologien besser ausgelastet werden. Am letzten SPD-Parteitag habe ich mich in einem Antrag zudem dafür eingesetzt, dass der Netzausbau zügiger vollzogen und die Deckelung für Offshore Energiegewinnung abgeschafft wird.

8. Einen schnellen Ausstieg aus der Kohle verankern.
Der Strukturwandel in der Energiewirtschaft wird sich fortsetzen. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes haben wir den Pfad zur Reduzierung des Anteils von Kohle an die Energieversorgung gelegt. Ganz besondere Herausforderungen sind in den bisher durch die Braunkohle geprägten Regionen zu bewältigen. Hier müssen regionalwirtschaftliche Strukturen ausgebaut werden, die an die industrielle Tradition dieser Regionen anknüpfen und zusammen mit den Gewerkschaften, den Unternehmen und den Bürgerinnen und Bürgern gute, tarifvertraglich gesicherte Arbeit fördern. Es werden in großem Umfang neue Technologien – Speicher und Batterien, Entwicklungszentren für Materialien und Prozesstechnik – benötigt. Wir wollen mit Bundesmitteln die neuen wirtschaftlichen Aktivitäten in den betroffenen Regionen zusammenführen

9. Massentierhaltung einschränken.
Wir wollen eine Landwirtschaft, die auf Umwelt- und Naturschutz, die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher und das Wohl der Tiere ausgerichtet ist. Hierfür erarbeiten wir eine nationale und europäische Nutztierstrategie und ein modernes Tierschutzgesetz, das die Würde und das Wohlergehen der Tiere schützt. Wir wollen, dass der Grundsatz „öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen“ gilt. Zu den öffentlichen Leistungen gehört die Ernährungssicherheit genauso wie der Schutz der Natur, der Umwelt, des Klimas und des Tierwohls. Bis zum Jahr 2020 werden die europäischen Agrarfördermittel gezielt in die Entwicklung ländlicher Räume fließen, also unter anderem auch in Klimaschutz, Naturschutz, Tierschutz und Stallbauten. Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher werden ihren Anteil an Veränderungen in der Tierhaltung leisten müssen. Deshalb planen wir ein staatliches Tierschutzlabel nach den Kriterien des Deutschen Tierschutzbundes, um so beim Einkauf erkennen können, aus welcher Tierhaltung Fleischwaren stammen.

10. Plastikmüll reduzieren.
In Deutschland gibt es eine Herstellerverantwortung für Sammlung, Sortierung, Recycling und Entsorgung von gebrauchten Plastikverpackungen. Das bedeutet, die Hersteller zahlen ein Entgelt für jede Plastikverpackung, die sie in den Verkehr bringen.
Einer zusätzlichen Abgabe darüber hinaus stehen wir skeptisch gegenüber. Zu befürchten ist, dass die Kosten letztlich auf den Verbraucher abgewälzt werden, deswegen aber kein Gramm Müll weniger anfällt. Viel wichtiger als über Abgaben auf bereits produzierte Verpackungen zu diskutieren ist es, den Abfallvermeidungsgedanken wieder stärker in die Köpfe der Menschen zu bringen! Deshalb wollen wir mehr Mehrweg-, Rückgabe- und Pfandsysteme etablieren und fordern ein Umdenken zur Stärkung von nachhaltigen Systemen wie Leasing- oder Leihsystemen, verpackungsfreien Lebensmittelgeschäften oder verbraucherfreundliche Alternativen zu Einwegverpackungen. Wir setzen uns für eine recyclingfreundliche Produktgestaltung und die Verwendung von Recyclaten in Produkten ein.
In der zurückliegenden Legislaturperiode haben wir mit dem Verpackungsgesetz das Entgelt, das die Hersteller für das Inverkehrbringen von Verpackungen zahlen müssen, an die Einhaltung ökologischer Anforderungen verknüpft. Wir werden uns dafür einsetzen, dass diese Herstellerverantwortung nicht nur für Plastikverpackungen, sondern auch für Produkte aus Plastik – also Gießkannen, Kinderspielzeug, Gummistiefel etc. – gilt, so dass die Hersteller auch hierfür ein Entgelt zu leisten haben. So schaffen wir noch mehr Anreiz für Hersteller, möglichst umweltfreundliche Verpackungen herzustellen.
Die SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks hat zudem im letzten Jahr eine Vereinbarung mit dem Handelsverband Deutschland geschlossen. Unternehmen sollen sich verpflichten, Kunststofftüten zukünftig nicht mehr kostenlos abzugeben. Ziel ist es, den Verbrauch von Plastiktüten in Deutschland bis Ende 2025 fast zu halbieren.

Mit freundlichen Grüßen,
Sarah Ryglewski, MdB

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