Sehr geehrter Herr V.,

ich bin der Auffassung, dass Volksentscheide auf Bundesebene den oft komplexen Fragen unserer Gesellschaft kaum gerecht werden können. Die meisten Volksentscheide können nur einfache „Ja“ oder „Nein“-Antworten anbieten. Die Gesetzgebung ist oftmals aber sehr vielschichtig und muss eine kaum überschaubare Vernetzung mit anderen Regelungsbereichen berücksichtigen. Um hier zu zufriedenstellenden Antworten zu gelangen, wird im Deutschen Bundestag auf dem Wege der Gesetzgebung ein Verfahren angewandt, dass ein hohes Maß thematischer Tiefe und Flexibilität erlaubt. Durch drei Lesungen, Ausschussberatungen, Sachverständigenanhörungen und Berichterstattergespräche wird eine ausgewogene Gesetzesfindung gewährleistet. Hier gibt es demzufolge auch den Handlungsspielraum, wenn Änderungen und Anpassungen notwendig werden.

Volksentscheide erlauben eine solche detailreiche Abstimmung nicht. Die unangemessene Verkürzung vieler Sachthemen könnte leicht zu populistisch beeinflussten Ergebnissen führen, bei denen die notwendigen Kompromisse der parlamentarischen Diskussion auf der Strecke blieben. Dieses würde insbesondere zu Lasten von Minderheiten und gesellschaftlich benachteiligten Gruppen gehen.

Sehr geehrter Herr V., wie bereits erwähnt, stehe ich einer Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene sehr kritisch gegenüber. Wohingegen Bürgerentscheide auf Landes- und Kommunalebene, wo es um Problemlösungen vor Ort geht, unser repräsentativ-parlamentarisches System sinnvoll ergänzen können.

Mit freundlichen Grüßen

Silvia Breher