Frage an Stefan Engstfeld bezüglich Innere Sicherheit

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Stefan Engstfeld
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Caner T. •

Frage an Stefan Engstfeld von Caner T. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Herr Engstfeld,

in Zusammenhang mit den Protesten der blacklivesmatter-Bewegung würde ich gerne die Frage stellen, inwiefern die Polizei rassismuskritisch geschult ist.
In Berlin wurde neuerdings beispielsweise eine LSBTI-Stelle eingerichtet. Ist so eine Maßnahme auch in NRW vorgesehen?

Beste Grüße
C. T.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Teker,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Uns Grünen sind die Themen
Menschenrechtsbildung und auch die Sensibilisierung für Rassismus und
Diskriminierung bei den Polizeibeamtinnen und -beamten sehr wichtig. Wir
haben uns daher in den vergangenen Jahren wiederholt im Innenausschuss
des Landtags zu diesen Themen berichten lassen. Zudem waren die
Forderungen nach einer verbesserten Aus- und Fortbildung der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verfassungsschutz, Polizei und
Justiz zum Themenkomplex Rassismus und Rechtsextremismus ein wichtiger
Bestandteil der Handlungsempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses
des Landtags NRW.

In Nordrhein-Westfalen absolvieren alle angehenden Polizeibeamtinnen und
-beamte ein Bachelorstudium. Im Bachelorstudium für den
Polizeivollzugsdienst in Nordrhein-Westfalen ist der Themenbereich
„Menschenrechtsbildung“ als Leitlinie definiert. Im Grundstudium gibt es
das Teilmodul GS 1.7 zum Thema „Interkulturelle Kompetenz“. Im
verpflichtenden Modul GS 1.2 „Politikwissenschaft“ werden die Themen
Rassismus, Politisch Motivierte Kriminalität und Terrorismus behandelt.
Mit der Reform des Studiums vom September 2016 wurde die Durchführung
eines „Tags der Menschenrechte“ eingeführt. Im Fortbildungsangebot wird
das Thema „Interkulturelle Kompetenz“ unter verschiedenen Aspekten
behandelt.
Eine eigene Langzeitstudie mit dem Titel „Umfelder“ der damaligen
„Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW“ untersuchte in den
Jahren zwischen 2012 bis 2017 die Entwicklung von vorurteilsbehafteten
Einstellung unter den Studierenden zum Polizeivollzugsdienst der
Einstellungsjahrgänge 2013 und 2014. Dabei zeigte sich, dass der Anteil
an vorurteilsbehafteten Einstellungen im Laufe des Studiums abnahm,
jedoch ein halbes Jahr nach Eintritt in den Polizeivollzugsdienst wieder
zunahm. Diese Zunahme war zwar nicht signifikant. Jedoch deutet dieses
Ergebnis an, dass die Ausbildung sich positiv auswirken kann auf den
Abbau von Vorurteilen, sodass Fortbildungen zu Menschenrechtsthemen für
Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten wichtig wären. Die
Studie ist im Jahr 2019 neu aufgelegt worden von der Fachhochschule, die
inzwischen den Namen „Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung“
trägt. Die Neuauflage dieser Studie begrüßen wir Grüne, denn
wissenschaftliche Studien tragen zu Versachlichung der Debatte bei und
können wichtige Impulse für die zukünftige Aus- und Fortbildung der
Polizeibeamtinnen und -beamten geben. Wir sind gespannt auf die
Ergebnisse der neuen Studie, sehen aber schon aufgrund der
Langzeitstudie von 2012 bis 2017 den Bedarf an verpflichtenden
Fortbildungen zum Thema Rassismus und Menschenrechte.

Jenseits der Aus- und Fortbildung halten wir es für wichtig, den
Austausch zwischen den Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus
und den spezialisierten Beratungsstellen für Opfer rechtsextremer und
rassistischer Gewalt auch auf Ebene der Staatsschutzstellen der
örtlichen Polizeibehörden zu institutionalisieren. Darüber hinaus
fordern wir, dass die Kontaktdaten von Opfern rechtsextremer und
rassistischer Gewalttaten an die spezialisierten Opferberatungsstellen
übermittelt werden, wenn die Betroffenen dies wünschen. Dann könnten die
Opferberatungsstellen sich direkt mit Hilfeangeboten an die Opfer
wenden. Damit würde auch eine wichtige Forderung des
NSU-Untersuchungsausschusses umgesetzt werden.

Als Reaktion auf das Bekanntwerden eines Polizeiverwaltungsbeamten, der
im Verdacht steht, Unterstützer der rechtsterroristischen „Gruppe S.“ zu
sein, hat das Innenministerium sogenannte „Extremismusbeauftragte“ in
den Leitungsebenen aller Kreispolizeibehörden eingeführt. Diese
Beauftragen sollen ansprechbar sein für Hinweise auf mögliche
rechtsextreme und menschenverachtende Haltungen von
Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten. Aus unserer Sicht
ist die Einführung dieser Extremistmusbeauftragten ein wichtiger erster
Schritt, allerdings sind uns diese zu sehr auf Personen mit einem
rechtsextremen Weltbild fokussiert. Wir fänden es wichtiger, wenn diese
Extremismusbeauftragten auch für die Sensibilisierung zu den Themen
Rassismus und Diskriminierung in den Polizeibehörden sorgen würden.

Wie Sie sehen bewegt uns dieses Thema schon lange. Die aktuelle
Black-Lives-Matter-Bewegung haben wir zum Anlass genommen, in einem
Plenarantrag einige Forderungen aufzugreifen. Sie finden den Antrag
unter:
www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-9790.pdf.
Leider wurde der Antrag mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD bei
Enthaltung der SPD abgelehnt. Selbstverständlich werden wir aber
weiterhin an diesen Themen dranbleiben.

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Engstfeld

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