Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. 

Wie Sie sicherlich schon vernommen haben, wird es in Deutschland keine allgemeine Impfpflicht geben. Auch ich selbst habe gegen eine Impfpflicht gestimmt und mich im Vorfeld der Abstimmung immer wieder gegen eine solche ausgesprochen. 

Die Impfpflicht wäre ein erheblicher Grundrechtseingriff gewesen. In unserem demokratischen Rechtsstaat betonen wir die Rechte des Menschen ausgehend vom Individuum. Unter dem Deckmantel des Gemeinschaftsschutzes wird in anderen Teilen der Welt alles Mögliche gerechtfertigt. Politik ist angehalten, immer das mildeste, wirksamste Mittel zu wählen – gerade wenn es um unveräußerliche Grundrechte geht. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist die Richtschnur des Rechtsstaats. Und genau diese Frage nach der Verhältnismäßigkeit muss auch hier im Mittelpunkt der Debatte stehen. Insbesondere die rasche Verbreitung der Omikron-Variante hat die Spielregeln maßgeblich verändert. Durch die Impfung kann keine sterile Immunität erreicht werden und auch Geimpfte tragen so zur Verbreitung des Virus bei. Verfassungsrechtlich lässt sich eine allgemeine Impfpflicht allein zum Selbstschutz aber nicht rechtfertigen, sondern nur zum Fremdschutz. 

Wir haben eine Phase erreicht, in der wir auf die Eigenverantwortung der Menschen setzen können. Erfreulicherweise haben wir in der Altersgruppe der besonders vulnerablen eine sehr hohe Impfquote. Daher sollte jeder selbst entscheiden, ob er sich impfen lässt, Maske trägt oder sich testen lässt. Aufgabe der Politik bleibt es, die Entwicklungen kontinuierlich und sorgfältig zu beobachten und mit einer verbesserten Impfkampagne und Aufklärung die Impfquote zu erhöhen. Daran wirke ich auch in Zukunft gerne mit.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Thomae