Ist eine Freigabe von Cannabis ethisch und gesundheitspolitisch vertretbar, obwohl es häufig die Depersonalisation auslöst, eine schwere, meist unheilbare und nicht behandelbare Erkrankung?

Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Tabea Rößner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Peter F. •

Ist eine Freigabe von Cannabis ethisch und gesundheitspolitisch vertretbar, obwohl es häufig die Depersonalisation auslöst, eine schwere, meist unheilbare und nicht behandelbare Erkrankung?

Cannabis kann eine schwere psychische Störungen auslösen: Die Depersonalisations-Derealisationsstörung oder kurz Depersonalisation (ICD-10: F48.1; ICD-11: 6B66). Etwa 1% der Bevölkerung sind betroffen [1,2]. In 25% dieser Fälle sind Drogen der Auslöser, am häufigsten durch Cannabis [3,4]. Oft genügt bereits ERSTMALIGER Konsum.

Die Störung ist meist lebenslang und unheilbar und führt nicht selten zum Suizid. Eine wissenschaftlich anerkannte Therapie existiert nicht und Forschung gibt es so gut wie keine, denn die Psychiatrie ignoriert das Krankheitsbild. Die Depersonalisation ist wahrscheinlich viel häufiger eine Folge von Cannabiskonsum als die Psychosen.

Wird die Politik auch wegschauen, indem sie Cannabis legalisiert und zulässt, dass noch mehr Menschen Opfer dieser Krankheit werden?

[1] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15022041/
[2] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35699456/
[3] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/14651505/
[4] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19538903/

Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr F.,

ja, ich halte die Freigabe von Cannabis ethisch und gesundheitspolitisch für vertretbar. Und zwar aus folgenden Gründen:

Trotz des Verbots von Cannabis floriert der Handel, allerdings auf dem Schwarzmarkt. Dort, wo es weder Jugend- noch Gesundheitsschutz gibt, keine Überprüfung auf Schadstoffe oder Verunreinigungen, und auch die Dosierung von THC und CBD bleibt den Konsumierenden hier verborgen. Durch die Legalisierung von Cannabis und der Einführung einer gesetzlichen Regulierung können wir dies positiv beeinflussen. Qualitätskontrollen und der ausschließliche Verkauf in Fachgeschäften durch speziell geschultes Personal tragen zur Förderung des Jugend-, Verbraucher- und Gesundheitsschutz bei.

Polizei und Staatsanwaltschaften werden durch die Legalisierung entlastet. Diese Entlastungen setzen finanzielle und personelle Mittel frei, die für Prävention, Schadensminderung und bessere Therapieangebote eingesetzt werden können. Die Konsumierenden müssen sich nicht mehr wie Verbrecher fühlen und erhalten bereits beim Erwerb Informationen über die gesundheitlichen Nebenwirkungen. Dies erleichtert die Kommunikation zwischen Ärzt:innen und Patient:innen. Insbesondere Menschen mit problematischem Konsumverhalten können so niederschwellig mit greifbaren Hilfsangeboten versorgt werden.

Zudem erlaubt uns die gesetzliche Regulierung der gesamten Handelskette, bereits beim Anbau faire Arbeitsbedingungen und schadstoffarme Verarbeitungsprozesse zu schaffen und dadurch Standards zu setzen.

Die Daten der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) zeigen, dass es keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen der nationalen Rechtslage und dem jeweiligen Cannabiskonsum gibt. Anhand der Erfahrungen mit Liberalisierungen von Cannabis in Ländern wie Portugal, Schweiz, den Niederlanden, Tschechien oder Kanada gehen wir davon aus, dass die kontrollierte Abgabe auch in Deutschland nicht zu einer Ausweitung des Konsums führen wird.

Herzliche Grüße

Tabea Rößner

 

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