Hätten Sie angesichts der aktuellen Entwicklungen erneut gegen den Antrag "Verantwortung anerkennen – Gruppenverfahren zur Aufnahme afghanischer Ortskräfte einführen (19/9274)" gestimmt?

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Frage von Erik F. •

Hätten Sie angesichts der aktuellen Entwicklungen erneut gegen den Antrag "Verantwortung anerkennen – Gruppenverfahren zur Aufnahme afghanischer Ortskräfte einführen (19/9274)" gestimmt?

Ich habe Ihre Rede im dt. Bundestag am 23.06.2021 zur o.g. Drucksache verfolgt. Da nun mit dem Fall von Kabul eine neue Lage eingetreten ist, würde ich gerne wissen, ob sie Ihre Haltung bestätigt sehen oder aus heutiger Sicht revidieren würden. Insbesondere interessiert mich die Klärung der folgenden Fragen:
Sie bestreiten in Ihrer Rede die grundsätzliche Gefährdungslage der Ortskräfte nur auf Grundlage einer Kooperation mit der Bundesrepublik mit Verweis auf nur wenige von den Taliban gehaltene Distrikte. Würden Sie das mit den massiven Gebietszugewinnen der letzten Woche immer noch so sehen?
Wann war für Sie anhand militärischer Aufklärung ein schnelles Vorrücken der Taliban ersichtlich?
Es werden fraglos Ortskräfte, die derzeit in Safe Houses in Kabul ausharren ermordet werden. Würden Sie zustimmen, dass rückblickend jede Initiative zu begrüßen gewesen wäre, die auch nur ein einziges Leben derer gerettet hätte?
Was ist aus Ihrer Sicht jetzt stattdessen zu tun?

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Sehr geehrter Herr Frach,

vielen Dank für Ihre Frage zur Lage in Afghanistan, die wir aktuell alle mit großem Erschrecken verfolgen. Fakt ist, dass Mitte Juni niemand einen derart raschen Zusammenbruch Afghanistans vorhersehen konnte. Niemand (die Nachrichtendienste, die Bundesregierung, die internationale Staatengemeinschaft) hat zum damaligen Zeitpunkt erwartet, dass Afghanistan unmittelbar nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte von den Taliban überrannt werden würde. Dafür waren die Sicherheitskräfte zahlenmäßig zu überlegen, zu gut ausgestattet und trainiert. Es bestand die Erwartung, dass das afghanische Volk sich nicht erneut von den Taliban und deren grausamen Moral- und Staatsvorstellungen unterjochen lassen würden. Uns alle hat dieser eklatant fehlende Kampfeswillen überrascht und erschüttert. 

Meine Beurteilung der Lage damals resultierte insbesondere aus dem vom Auswärtigen Amt zur Verfügung gestellten Lagebericht und weiteren öffentlich zugänglichen Quellen. Selbst der letzte Lagebericht des von der SPD geführten Auswärtigen Amtes kam Mitte Juli noch immer zu keiner neuen Bewertung der Sicherheitslage. Im Rückblick war das eine Fehleinschätzung, die aber auch von unseren Verbündeten und deren Nachrichtendiensten ebenso geäußert wurde.

Wenn Sie meine Rede vom 23. Juni vollständig lesen oder ansehen, dann sehen Sie, dass ich mich unmissverständlich für die schnelle Aufnahme von Ortskräften im beschleunigten Verfahren ausgesprochen habe. Eine Gruppenaufnahme - wie sie die Grünen damals gefordert haben - ist auch international nicht üblich. Unabhängig davon war der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 23. Juni richtig, da die afghanische Regierung zu diesem Zeitpunkt noch große Teile des Landes kontrollierte. Es ist müßig bzw. leicht, heute diese Entscheidung in Frage zu stellen. Klar ist, dass es heute eine fundamental geänderte Situation gibt.

Deshalb hat sich die Bundesregierung dazu entschieden, neben deutschen Staatsbürgern auch ehemalige Ortskräfte und auch exponierte Personen der Zivilgesellschaft, die mit Repressalien der Taliban zu rechnen haben, zu evakuieren. Diese Entscheidung erachte ich als richtig. Darüber hinaus braucht es schnelle massive Hilfe in den Nachbarländern, um dort afghanische Flüchtlinge aufzunehmen und zu versorgen. Und drittens braucht es so schnell es geht, ein Sondergipfel der NATO zur Bewertung der Sicherheitslage und um notwendige Schlussfolgerungen aus diesem Scheitern dort zu ziehen.

Mit freundlichen Grüßen

Thorsten Frei

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