Frage an Ulla Jelpke bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Ulla Jelpke
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Frage von Marvin M. •

Frage an Ulla Jelpke von Marvin M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Jelpke,
der Einfachheit halber werde ich die Fragen nummerieren;
1) Sie sind gegen Waffenlieferungen, auch für die Peschmerga. Gilt dies auch für PKK/PYD Truppen und YPG?
2) Sollte Deutschland Druck auf die Türkei ausüben, sodass diese Truppen entsendet um den YPG (und anderen Truppen) zu helfen, oder sehen sie da zu große ideologische Differenzen?
3) Wir haben gesehen, dass die Luftschläge der USA wenig genutzt haben. Sind diese aber generell gut und sollten verstärkt werden oder glauben Sie, dass er der USA hier nicht um die Unterstützung der Zivilbevölkerung geht, sondern um die ökonomische Schwächung der IS?

Dass die PKK in Europa rehabilitiert werden muss, wir dafür sorgen müssen, dass die Türkei/Katar/Saudi-Arabien (im inneren) keine Dschihadisten (indirekt) unterstützt oder zumindest nicht behindert und mehr Flüchtlinge aufnehmen müssen ist ist mir klar.

Ich sehe nur jeden Tag die Horrormeldungen aus der Region in der Zeitung und kann nicht glauben, dass das einzige, was wir (als Weltgemeinschaft) tun können das ist, was momentan passiert.

14 Ihrer Kollegen haben heute ein Papier bezüglich deutlicherer Interventionen veröffentlicht. Wie sehen Sie dies an?

Liebe Grüße,
Marvin

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Müller,

ich bin keine Pazifistin. Mir ist völlig klar, dass die Volksverteidigungseinheiten YPG (nicht die PYD, denn das ist eine politische Partei und keine Miliz) zur Selbstverteidigung in Kobani und generell in Rojava Waffen braucht und den mit schweren Waffen angreifenden IS-Truppen waffentechnisch stark unterlegen ist. Auch für die verbündeten PKK-Guerillakämpfer gilt dies. Ich bin allerdings nicht so naiv zu glauben, dass ausgerechnet die Bundesregierung, die die PKK seit Jahrzehnten mit Terrorprozessen, dem PKK-Verbot und der Umsetzung der Terrorliste verfolgt und kriminalisiert, jetzt dieser Organisation und ihren syrisch-kurdischen Verbündeten Waffen liefert. Daher ist meine zentrale Forderung, jetzt alle Hindernisse aufzuheben, die einer Versorgung der YPG mit Waffen im Wege stehen. Damit meine ich das von der Türkei und der kurdischen Regionalregierung im Nordirak durchgeführte Embargo gegen das Selbstverwaltungsgebiet Rojava in Nordsyrien aber auch die Nennung der PKK auf der EU-Terrorliste und das PKK-Verbot in Deutschland.
Ich bin – ebenso wie die Verteidiger von Kobani und die Kurden in der Türkei – strikt gegen einen türkischen Militäreinmarsch nach Syrien. Manche deutsche Medien melden fälschlich, dass die Kurden in der Türkei dafür demonstrieren würden. In Wirklichkeit gehen sie genau dagegen, gegen die Unterstützung der Türkei für den IS und einen drohenden türkischen Einmarsch in Rojava auf die Straße. Ziel der türkischen Regierung ist die Zerschlagung der kurdischen Selbstverwaltung in Rojava, dafür bedient sie sich der bis heute von ihr mit Waffen, Munition und Logistik unterstützten IS-Banden. Anschließend sollen dann türkische Truppen in Nordsyrien einmarschieren und eine offene Kolonialherrschaft auch über diesen Teil von Kurdistan ausüben – das muss unbedingt verhindert werden.
Ich halte Luftangriffe der USA nie für gut. Die Politik der USA im Irak und Syrien ist hauptsächlich verantwortlich für die jetzige Situation und das Wachstum des IS. Ich respektiere es aber, wenn die Verteidigerinnen und Verteidiger von Kobani heute fordern, dass die Luftangriffe der US-geführten Koalition auf den IS verstärkt und zielgenauer durchgeführt werden. In der konkreten Situation kann das für Kobani eine Entlastung sein. Es ist aber auch auffällig, dass die USA erst mit dem Angriff auf IS-Einheiten vor Kobani begannen, als die Djihadisten schon in die Stadt eingedrungen waren. Es wäre vorher ein Leichtes gewesen, deren Panzer aus der Luft zu treffen, aber das war offensichtlich nicht erwünscht. Dadurch ergibt sich mir das Bild, dass die USA die von einer linken Partei geführte rätedemokratische Selbstverwaltung in Kobani gar nicht retten wollten. Aus dem Pentagon gab es Äußerungen, wonach die USA Kobani längst aufgegeben hatten und stattdessen strategische Ziele wie IS-kontrollierte Ölquellen bombardierten. Erst nachdem die internationalen Proteste immer weiter zunahmen und die Verteidiger von Kobani weiter Stand hielten, begann in den letzten Tagen ein zielgerichtetes Bombardement, das auch von den YPG als echte Unterstützung verstanden wurde.
Wir müssen aber auch sehen, dass US-Luftangriffe auf IS-Stellungen in Syrien (und wohl auch im Irak) immer auch die Zivilbevölkerung gefährden und letztlich dem IS neue Rekruten zutreiben.
Den Ruf von 12 Linksparteiabgeordeneten und den beiden Vorsitzenden des fds nach Einschaltung des UN-Sicherheitsrates, damit dieser letztlich einer ausländischen Militärintervention den Weg ebnet, halte ich für ebenso falsch wie naiv. Zum einen ist gar nicht damit zu rechnen, dass der UN-Sicherheitsrat eine entsprechende Entscheidung ohne ein Veto fällen kann. Zum anderen gehören dem Sicherheitsrat ja gerade mit den USA, Frankreich und Großbritannien Regierungen an, die selber führend für die Hochrüstung syrischer Oppositionsgruppen verantwortlich sind, aus denen sich letztlich der IS entwickelte. Und schließlich haben sich die Genossinnen und Genossen, die diesen Aufruf „Kobani retten!“ unterzeichnet haben, offensichtlich gar nicht erst die Mühe gemacht, sich mit den konkreten Forderungen der kurdischen Seite auseinanderzusetzen. Denn Vertreter der Kurden in Syrien – aber auch die PKK-Führung – haben wiederholt deutlich gemacht, dass sie keine ausländischen Bodentruppen in Kobani brauchen und wollen. Worum es ihnen geht, ist die Selbstverteidigung durch kurdische und verbündete Kräfte – nicht der Ruf nach Rettung durch das Ausland. Die Forderung der Verteidiger von Kobani lautet daher auf Öffnung eines Korridors über türkisches Territorium, um Unterstützung aus den anderen kurdischen Kantonen und dem kurdischen Nordirak nach Kobani zu schaffen. Diese Forderung gilt es zu unterstützen anstatt auf dem Rücken der Kurden zu versuchen, die Weichen für eine Abkehr von der antimilitaristischen Programmatik der Linken zu stellen.

Viele Grüße
Ulla Jelpke