Frage an Ulrich Lechte bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Ulrich Lechte
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Frage von Jochen P. •

Frage an Ulrich Lechte von Jochen P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Lechte,

ich bin geboren und aufgewachsen in der DDR und als die Wende 1989 gekommen ist, war dies für mich ein Moment großer Freude. Aber mir war immer auch wichtig, wie man mit der Geschichte der DDR umgegangen ist. Deshalb habe ich es als wichtiges Element empfunden, dass mit der BStU eine Einrichtung geschaffen worden ist, die sich speziell der Aufarbeitung gewidmet hat. Die PDS / Linkspartei hat dies aus ihrem eigenen Interesse immer bekämpft, aber die Menschen in meiner Heimat haben sich dafür auch gegen den Wiederstand zahlreicher westdeutscher Politiker eingesetzt.

Nun soll die BStU aufgelöst und abgewickelt werden (https://www.nzz.ch/feuilleton/stasi-unterlagen-behoerde-soll-aufgeloest-werden-eine-revolution-wird-abgewickelt-ld.1506066). Ebenso das besondere Archiv der Akten der Parteien und Massenorganisationen in Berlin. Damit geht ein wichtiges Element der Aufarbeitungshistorie, für die Deutschland international immer als Vorbild stand, verloren.

Sehen Sie dies als den richtigen Weg, mit der Vergangenheit des ostdeutschen Teilstaates und seiner besonderen Geschichte umzugehen? Wäre es nicht besser, diese Institutionen zu erhalten, denn das Konzept wurde gegen den Widerstand der Menschen, die es betrifft von der westdeutschen Bürokratie in den Bundesministerien verabschiedet?

Und wie verhält es sich, dass Sie einerseits die Protestanten in Hongkong unterstützen, andererseits jedoch das Erbe an die eigene Diktatur vergessen machen wollen?

Freundlichst, Jochen Pohl.

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Sehr geehrter Herr P.,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich sehe die Errichtung der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) wie Sie als eine große Errungenschaft der Friedlichen Revolution und als wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte an. Ich verstehe Ihre Bedenken bezüglich der geplanten Überführung des Stasi-Unterlagen-Archivs in das Bundesarchiv und bin mir bewusst, dass es sich um ein sensibles Thema handelt.

Ich möchte Ihnen gerne erklären, weshalb wir von der Fraktion der Freien Demokraten diesen Schritt befürworten. Grund für unsere Überzeugung ist, dass die BStU bereits damals als Sonderbehörde gegründet worden ist und niemals auf Dauerhaftigkeit ausgerichtet war. Nunmehr 30 Jahre später ist es an der Zeit die Archive unter einem Dach zu vereinen. Dies erscheint sowohl aus ökonomischen, organisatorischen und technischen Gründen als sinnvoll, da Synergieeffekte genutzt werden können und die Digitalisierung nur so gemeistert werden kann. Es gilt die Weichen für die BStU und ihre zwölf Außenstellen in den ehemaligen Regierungsbezirken der DDR zu stellen, um auch nächsten Generationen den Zugang zu den Akten zu ermöglichen. Im Fokus steht hierbei die Digitalisierung, welche sowohl für das Bundesarchiv und die Bestände der BStU unerlässlich ist. Das Bundesarchiv hat sich aufgrund des jährlichen Zuwachses von rund 6 Petabyte an Daten ein besonderes Know-How im Umgang, der Durchführung sowie Bewältigung und Aufbewahrung riesiger Datenmengen angeeignet. Papier als solches sowie insbesondere das säurehaltige DDR-Papier der Stasi-Akten hat lediglich eine begrenzte Lebensdauer und benötigt hierfür eine entsprechende klimagerechte Lagerung. Die Digitalisierung dient daher nicht nur der Erleichterung der Antragstellung, sondern vornehmlich der Bestandserhaltung für Archiv, Wissenschaft und Forschung. Aufgrund der Besonderheit der Akten hinsichtlich ihrer Entstehung und ihres Inhaltes bedarf es einer interessengerechten und grundrechtsschonenden Digitalisierung im Lichte von Datenschutz und Persönlichkeitsrechten. Der den Akten innewohnende Grundrechtsverstoß darf keinesfalls noch zusätzlich perpetuiert werden. Bei der Umsetzung des Konzeptes muss höchste Sensibilität bezüglich der Opfer walten. Der Opferschutz steht im Zentrum der Interessen.

Die Überführung des Stasi-Archivs in das Bundesarchiv stellt auch keinen Schlussstrich unter die bisherigen Anstrengungen dar. Vielmehr geht es sogar darum, die Aufgaben des Archivs und der BStU zu wahren und für die Zukunft bestmöglich zu erhalten. Dementsprechend sollen sowohl Aufarbeitung und Überprüfung als auch Forschung und Lehre weitergeführt werden.

Dies gilt umso mehr in der heutigen Zeit, in der antiliberale Kräfte die Werte und Symbole der BStU sowie der Stasi-Unterlagen als Ergebnis eines langen Kampfes für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit unterminieren. Der in dem Aktenbestand als solchem verkörperte Einsatz für Freiheits- und Bürgerrechte ist ein Mahnmal an die unterschiedlichen Opfer des SED-Unrechtsregimes. Es ist unsere Aufgabe dieses Mahnmal für künftige Generationen zu bewahren und den besonderen Einsatz der Zivilbevölkerung im Wege der Friedlichen Revolution so niemals in Vergessenheit geraten zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Lechte

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