Sehr geehrter Herr Wissing, Wie stark könnte mit einem deutschlandweiten, tagesgültigen ÖPNV-ICE-Kombi-Ticket für 35 € der innerdeutsche Flugverkehr reduziert werden?
Sehr geehrter Herr H.,
das Erreichen der Klimaschutzziele ist der Bundesregierung sehr wichtig. Um bis 2030 schädliche Emissionen um mindestens 65% zu reduzieren, muss viel passieren.
Ein Ticket, wie Sie es vorschlagen, wäre letztlich ein Fernverkehrsticket mit voller Flexibilität einschließlich einer Gültigkeit für den jeweiligen Nahbereich. Weder würde dieses auch nur im Ansatz die angebotene Leistung finanzieren, noch wäre der zu erwartende Andrang auf die Zugverbindungen mit den zur Verfügung stehenden Kapazitäten zu stemmen. In größerem Maße als mit dem 9-Euro-Ticket erlebt, würde ein solcher Tarif zu Ausflugs- und Reiseverkehr, zu überfüllten Zügen und dazu führen, dass diejenigen, die unseren Fernverkehr täglich beruflich nutzen, sich nicht mehr auf diesen verlassen könnten und gezwungen wären, auf die Straße auszuweichen. Bereits jetzt sind viele ICE-Züge regelmäßig voll ausgebucht und eine kurz- oder mittelfristige Kapazitätserhöhung auf der Angebotsseite ist nicht realisierbar. Unter anderem sind die hauptlasttragenden Trassen derzeit bereits voll ausgelastet und müssen dringend saniert werden – und dies gehen wir konsequent an. Für den Moment allerdings gilt: Allein die Flughafenzubringung für den Luftreisefernverkehr, der sich in Deutschland auf einige wenige Flughafendrehkreuze konzentriert, ist mit all den zusätzlich zu befördernden (Sperr-)Gepäckstücken mit den bestehenden Zugkapazitäten nicht darstellbar.
Es ist deshalb ein näherliegendes Unterfangen, sich stark auf die klimafreundlichere Ausrichtung des Luftverkehrs insgesamt zu konzentrieren. Der Luftverkehr ist auf CO2-neutrales Kerosin angewiesen, um klimaneutral zu werden. Wir fokussieren uns dabei auf strombasiertes Power-to-Liquid, kurz PtL-Kerosin aus erneuerbaren Energien. Die im Mai 2021 gemeinsam mit den Akteuren der Luftfahrtbranche geschlossene Roadmap sieht vor, dass wir bis 2030 jährlich mindestens 200.000 Tonnen nachhaltiges Kerosin für den deutschen Luftverkehr herstellen. Verbunden mit regulatorischen Maßnahmen und Förderanreizen wollen wir schnell einen sich selbst tragenden Markt schaffen. Das haben wir auch im Gemeinsamen Papier der Bundesregierung zur klimaneutralen Luftfahrt anlässlich der ILA 2022 noch einmal bekräftigt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing