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15 deutsche Staatsbürger*innen auf der Gaza-Solidaritätsflottille sind durch israelische Angriffe und Drohungen akut gefährdet. Was tun sie als Bundesregierung um sie zu schützen?

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Adis Ahmetović
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Frage von Ramis Ö. •

15 deutsche Staatsbürger*innen auf der Gaza-Solidaritätsflottille sind durch israelische Angriffe und Drohungen akut gefährdet. Was tun sie als Bundesregierung um sie zu schützen?

Sehr geehrter Herr Ahmetović, aktuell befinden sich ca. 15 deutsche Staatsbürger*innen auf der Gaza-Solidaritätsflottille und sind durch israelische Angriffe und Drohungen akut gefährdet. Israel wird vom Internationalen Gerichtshof verdächtigt, in Gaza einen Völkermord zu begehen. Zahlreiche Holocaust- und Genozidforscher*innen, internationale Menschenrechtsorganisationen und selbst israelische NGOs haben dies bestätigt. Italien und Spanien entsenden Schiffe, um ihre Bürger*innen zu schützen. Was tut die Bundesregierung – oder gibt es von Ihnen Initiativen, die Bundesregierung dazu zu bewegen, deutsche Staatsbürger*innen aktiv vor dieser Aggression zu schützen? Und wann wird die SPD den Mut haben, das Vorgehen Israels beim Namen zu nennen und von 'Genozid' zu sprechen, wie sie es in anderen Fällen wie Armenien, Namibia oder Srebrenica getan hat?

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Antwort von SPD

Guten Tag Herr Ö.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Sorge um die deutsche Delegation der Global Sumud Flotilla zum damaligen Zeitpunkt.

Zunächst ist festzuhalten, dass die israelische Regierung bereits vorab öffentlich gemacht hat, dass sie die Fahrt nach Gaza verhindern wird. Daraufhin stand die Bundesregierung im intensiven Kontakt mit der israelischen Regierung und hat die Einhaltung völkerrechtlicher Pflichten und den Schutz derer, die an Bord der Flottille sind, darunter auch deutsche Staatsangehörige, eingefordert und dazu aufgerufen, den Schutz der an Bord Befindlichen unbedingt zu gewährleisten und die in einem Konfliktgebiet geltenden Regeln einzuhalten.

Gleichzeitig hatte die Bundesregierung dringend von einer Einfahrt nach Gaza abgeraten und verwies auf ihre bereits seit Jahren bestehende Reisewarnung. Konsularische Hilfeleistungen in Gaza waren aufgrund des andauernden Krieges praktisch unmöglich. Auch nach der Unterzeichnung des Abkommens können diese immer noch nicht regulär erbracht werden. 

Israel hatte das Angebot gemacht, den Hafen Ashkelon zur Entladung der Hilfsgüter zu nutzen. Die Passagiere hingegen sind auf internationalem Gewässer durch israelische Einsatzkräfte verhaftet worden –  solch ein Vorgang deckt sich nicht mit internationalem Recht. Zugleich bin froh, dass den Passagieren die freiwillige Ausreise letztendlich angeboten worden ist, um in Sicherheit zurückzukehren, und bei nicht Annahme dieser Option durch Antritt vor dem Gericht abgeschoben worden sind. In beiden Fällen stand für uns weiterhin der Schutz der europäischen und deutschen Passagiere im Vordergrund. Auch ich selbst stand in dieser Zeit mit unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren im Austausch.

Und dennoch möchte ich klar sagen: Am effektivsten bleibt weiterhin die unkomplizierte, sofortige Zulassung von Hilfslieferungen in ausreichendem Umfang auf dem Landweg in den Gazastreifen über UN-Organisationen bzw. kooperierende und in der praxisgeübte NGOs. Seit dem Eintreten der Waffenruhe am 10. Oktober und der Etablierung des Civil-Military Coordination Center (CMCC) hat sich die Anzahl der zugelassenen LKWs zwar erhöht, zugleich bleiben die Einfuhrbestimmungen der israelischen Behörden und der Zugang für UN und internationale humanitäre Nichtregierungsorganisationen jedoch stark eingeschränkt. Deshalb fordere ich schon seit Langem die Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen durch erfahrene UN- und Hilfsorganisationen vor Ort. Denn diese verfügen über die notwendige Expertise sowie Ressourcen, um die Menschen im Gazastreifen zu versorgen. Dafür muss jedoch Israel ihnen endlich den Zugang gewähren sowie die Grenzübergänge dauerhaft öffnen, damit mehr Hilfe die notleidenden Menschen erreicht. Dass dies trotz des Abkommens immer noch nicht gewährleistet ist, verurteile ich aufs Schärfste.

Ergänzend ist mir wichtig zu betonen: Ob die Handlungen Israels in Gaza juristisch den Tatbestand des Völkermords erfüllen, werden der Internationale Gerichtshof und der Internationale Strafgerichtshof entscheiden. Die bisherigen Entscheidungen des IGH, Berichte von UN-Gremien sowie die Dokumentationen zahlreicher humanitärer Organisationen weisen jedoch auf schwerste Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und Verbrechen gegen die Menschlichkeit hin. Unabhängig von der endgültigen rechtlichen Einordnung verurteile ich klar die Regierung von Netanjahu für ihre Politik des Aushungerns und der Vertreibung in Gaza sowie der Annexionspläne in der Westbank.

Ich setze mich zudem für die vollständige Umsetzung des Waffenstillstands, die massive Ausweitung der humanitären Hilfe, die Entwaffnung der Hamas (wie auch von arabischen Staaten gefordert), den vollständigen Rückzug der IDF aus dem gesamten Gazastreifen, das Ende von Siedlerterrorismus sowie für eine neue politische Dynamik hin zu einer Zweistaatenlösung ein. Israelis und Palästinenser sollen endlich gleichberechtigt in Frieden und Freiheit sowie Sicherheit leben.

Abschließend: Die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands – vom Grundgesetz über das Konsulargesetz bis hin zu internationalen Abkommen – nehme ich sehr ernst und setze mich dafür ein, dass diese Schutzpflichten unabhängig der geographischen Lage eingelöst werden. Als außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion betone ich deshalb, dass wir die politische Kraft sind, die die Unverhandelbarkeit des Völkerrechts, der regelbasierten Ordnung und der Universalität der Menschenrechte verteidigt.

Erneut danke ich Ihnen für Ihre eindringliche Nachricht. 

Mit freundlichen Grüßen

Adis Ahmetović, MdB

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