Frage an Agnieszka Brugger bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Agnieszka Brugger
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Wolfgang N. •

Frage an Agnieszka Brugger von Wolfgang N. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Brugger,

1. Die von über 60 bundesweiten Initiativen unterstütze Aktion www.aufschrei.de fordert, ein grundsätzliches Verbot des Exports von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in das Grundgesetz aufzunehmen.
Wie stehen Sie zu dieser Forderung?

2. Die Fraktion der LINKEN forderte bereits im Sommer 2011 in einem Paket von 16 Anträgen (Bundesdrucksachen 17/5935 bis 17/5950) im Bundestag die Rüstungsexporte in folgende Länder dauerhaft einzustellen: Ägypten, Libyen, Syrien, Tunesien, Oman, Jemen, Vereinigte Arabische Emirate, Saudi Arabien, Israel, Marokko, Libanon, Kuwait, Jordanien, Bahrain, Katar und Algerien.
Bei allen Anträgen enthielten sich jeweils ihrer Stimme. Bitte begründen Sie ihre Stimmenthaltung?

3. In einem Antrag der LINKEN vom 26.9.2012 (Drucksache 17/10842) wurde gefordert: Keine Rüstungsexporte als Instrument der Außenpolitik - Exportverbot jetzt durchsetzen.
Bitte teilen Sie mit, wie Sie bei diesem Antrag gestimmt haben, bzw. wie Sie stimmen werden.

4. Kleinwaffen sind die Massenvernichtungswaffen unserer Zeit. Ca. 875 Millionen sind weltweit im Umlauf. Bis zu 90 Prozent aller Kriegsopfer werden durch Kleinwaffen getötet. Jede Kleinwaffe hat eine durchschnittliche Verwendungsdauer von 30-50 Jahren.
Wie stehen Sie zu einem Verbot des Exports von Kleinwaffen? Würden sie einen ensprechen Antrag im Bundestag einbringen, oder diesem zustimmen?

5. Waffenexporte jeglicher Art sind immer ein Beitrag zu mehr Krieg, mehr Zerstörung, mehr Tod und unermesslichem Leid von Menschen und schon deshalb aus ethischen Gründen abzulehnen. Teilen Sie diese Meinung?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Nippe,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich möchte Ihre Fragen dabei gern zusammenhängend beantworten und zuerst kurz zusammengefasst die grüne Position im Bezug auf Rüstungsexporte darstellen.

Wir Grünen setzen uns für eine strikte Begrenzung von Rüstungsexporten ein. Kriegswaffen und andere Rüstungsgüter sind keine Wirtschaftsgüter wie andere auch. Daher stimme ich Ihnen absolut zu, dass die unkontrollierte Verbreitung von Waffen zur Verschärfung von Konflikten und Leid beiträgt, insbesondere auch in Hinblick auf die Kleinwaffen. Wir Grüne fordern dabei kein Komplettverbot von Rüstungsexporten, sondern setzen uns dafür ein, dass der Export von Waffen sehr strengen Regeln zur Begrenzung und Kontrolle unterliegen muss.

Die rot-grüne Bundesregierung hat im Jahr 2000 die Politischen Grundsätze für Rüstungsexporte beschlossen, um eine Selbstverpflichtung zu erwirken, damit die Genehmigung von Rüstungsexporten restriktiv gestaltet wird. Dabei wurde beispielsweise die Menschenrechtslage im Empfängerland zu einem sehr starken Kriterium gemacht. Da sich die Bindewirkung dieser Grundsätze angesichts empörender Entscheidungen der schwarz-gelben Bundesregierung, wie beispielsweise der Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien, aber durchaus auch mit einem selbstkritischen Blick auf die rot-grüne Regierungszeit, leider nicht als ausreichend erwiesen hat, treten wir heute für ein umfassendes Rüstungsexportgesetz ein. So sollen die Kriterien aus den Richtlinien, wie zum Beispiel die Beurteilung der Menschenrechtslage oder die Einschätzung in Bezug auf eine mögliche Gewalteskalation, mehr Gewicht erhalten.

Die grüne Bundestagsfraktion hat diese und weitere Forderungen dabei bereits in einem Antrag vom 25. April 2012 (http://www.agnieszka-brugger.de/fileadmin/dateien/Dokumente/Abruestung/Ruestungsexporte/Antrag_Ruestungsexpotkontrolle.pdf) in den Deutschen Bundestag eingebracht, ich möchte Ihnen diesen im Folgenden kurz im Detail darstellen:
Das Außenwirtschaftsgesetz sowie das Kriegswaffenkontrollgesetz sollen so angepasst werden, dass die Berücksichtigung der Menschenrechtslage und der Gefahr innerer Repression gesetzlich verankert und die Bestimmungen der Rüstungsexportrichtlinie zu Kriegswaffenexporten sowie des Gemeinsamen Standpunktes der EU systematisch aufgenommen werden. Die Zuständigkeit für die Genehmigung von Rüstungsexporten soll nach den grünen Vorstellungen vom Bundeswirtschaftsministerium auf das Auswärtige Amt übertragen werden, da hier die nötige Sachkenntnis in sicherheitspolitischen und menschenrechtlichen Fragen liegt.

Die aktuelle Geheimniskrämerei des Bundessicherheitsrates hinsichtlich der Entscheidung von Rüstungsexporten verurteilen wir scharf. Um die Transparenz zu erhöhen, ist es wichtig, dass der jährliche Rüstungsexportbericht umfassend ist und dem Deutschen Bundestag die Zahlen zu den Rüstungsexportgenehmigungen vierteljährlich vorgelegt werden. Deshalb sollen sein Erscheinen sowie die Inhalte des Rüstungsexportberichts ebenfalls gesetzlich geregelt werden. Zudem soll das Parlament in seiner Kontrollfunktion gestärkt werden, indem es bei besonders sensiblen Verträgen bereits vor Abschluss über diese informiert wird und eine Stellungnahme oder auch ein aufschiebendes Veto dazu an die Bundesregierung formulieren kann.

Darüber hinaus sind die größten Schwachstellen der deutschen Rüstungsexportpolitik zu beseitigen, die sich in der mangelnden Endverbleibskontrolle und in der Vergabe von Lizenzen zeigen. Um den Verbleib von exportierten Kriegsgütern nachvollziehen zu können, muss die bisherige schlichte Endverbleibserklärung durch ein gesetzlich geregeltes Kontroll- und Überprüfungsverfahren abgelöst werden. Die Vergabe von Lizenzen zur Herstellung von Kriegswaffen an Drittstaaten muss schließlich gänzlich verboten werden, um die unkontrollierbare Weitergabe selbsthergestellter Waffen und Munition zu unterbinden. Insbesondere die Produktion und Weitergabe von Klein- und Leichtwaffen würde massiv erschwert werden, womit ein wichtiger Beitrag zum Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten in bewaffneten Konflikten erreicht würde.

Dies sind insgesamt wesentliche Schritte, um den Handel mit deutschen Rüstungsgütern stark einzuschränken. Noch detaillierter können Sie sich darüber auch in unserem Positionspapier „Rüstungsexporte kontrollieren – Frieden sichern und Menschenrechte wahren“ informieren, dieses finden Sie hier: http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/fraktion/beschluesse/ruestungsexporte.pdf

Außerdem setzen wir uns auch auf europäischer Ebene für eine einheitliche Rüstungsexportkontrolle und international für die Ratifikation und Umsetzung des im April von der UN-Generalversammlung beschlossenen Waffenhandelsabkommens (ATT) ein, um den Waffenhandel in der globalisierten Welt einzudämmen und zu kontrollieren. Sicherlich teile ich die Vision und den Wunsch nach einer Welt ohne Krieg, Waffen und Rüstungsexporte, die Forderung nach einem Komplettverbot von Rüstungsexporten halte ich dabei aber nicht für zielführend.

Vor dem Hintergrund, dass es in vielen Regionen in Afrika, Asien oder Lateinamerika an gesellschaftlich legitimierten Sicherheitsstrukturen fehlt, kann es im Zuge einer Unterstützung beim Aufbau von Polizei und Sicherheitskräften als legitimen Inhabern staatlicher Gewalt beispielsweise auch erforderlich sein, in genau und sauber zu rechtfertigenden Fällen Ausrüstung zu liefern. Herstellung und Wahrung eines staatlichen Gewaltmonopols sind dabei auch eine wichtige Voraussetzung für Sicherheit und gesellschaftliche Teilhabe der Menschen an öffentlichen Gütern.

Obwohl der Antrag der Fraktion „Die Linke“ vom 26.09.2012 einige sinnvolle Ansätze beinhaltet, habe ich mich bei diesem Antrag enthalten. Er enthält die Forderung nach einer absoluten Ablehnung von Rüstungsexporten. Wenn man diese - auch jenseits der bereits oben beschriebenen Gedanken – weiterdenkt, so birgt sie die Gefahr, dass so jeder Staat im Hinblick auf die eigenen Sicherheitskräfte ausschließlich auf eine Produktion von Rüstungsgütern im jeweils eigenen Land zurückgreifen würde. Ein Anwachsen statt einer Reduktion der Kapazitäten im Bereich der Rüstungsindustrie wäre unter Umständen die Folge. Den Export von Kriegswaffen in Krisengebiete oder Staaten, die gegen die Menschenrechte verstoßen, lehne ich entschieden ab. Ein Komplettverbot von Exporten, damit zum Beispiel auch in die europäischen Nachbarstaaten, ist unter den gegenwärtigen Bedingungen jedoch auch nicht mit den Prinzipien einer kollektiven Sicherheit zu vereinbaren. Zudem stellt sich vor diesem Hintergrund auch die Frage nach der Ausrüstung von internationalen Friedensmissionen.

Wir Grüne teilen die Auffassung, dass auch bereits erteilte Genehmigungen für viele Staaten des arabischen Frühlings geprüft und anschließend auch zurückgenommen werden müssten. Weil wir uns für allgemeine Grundsätze bei der Genehmigung von Rüstungsexporten einsetzen und die Fraktion Die Linke in ihren Anträgen zu den einzelnen Staaten wenig differenziert hat (z.B. im Bezug auf Israel) und Kriegswaffen mit allen sonstigen Rüstungsgütern gleichsetzt, konnten wir den Anträgen der Linken in ihrer Absolutheit nicht zustimmen, sondern haben uns auch bei diesen der Stimme enthalten. Auch die völlige Gleichstellung von Kriegswaffen mit sonstigen Rüstungsgütern, wie sie die Linke in ihren Anträgen vornimmt, halte ich in diesem Zusammenhang für nicht zielführend. Es macht nämlich durchaus einen Unterschied, ob es sich um den Export von Kriegswaffen wie Panzern oder Maschinengewehren handelt oder zum Beispiel um Minenräumgeräte und Schutzwesten. Deshalb bezieht sich das Grundgesetz in Art. 26 auch ausdrücklich auf Kriegswaffen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine und die grüne Position im Bezug auf Rüstungsexporte verdeutlichen. Das Thema beschäftigt uns Grüne sehr, weshalb die hier dargestellten grünen Vorstellungen auch in unserem gerade beschlossenen Bundestagswahlprogramm einen sehr großen Stellenwert einnehmen.

Mit freundlichen Grüßen,

Agnieszka Brugger

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