Frage an Agnieszka Brugger bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Agnieszka Brugger
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Nathalie P. •

Frage an Agnieszka Brugger von Nathalie P. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Brugger,
heute erfahre ich, dass eine große Koalition aus Interessengruppen, die eine Teilnahme der Bundeswehr an einer Iran-Mission nicht ausschließen möchte, immer größer wird: Sie umfasst die CDU, die Industrie, weite Teile der Medienlandschaft und verschiedenste Lobbyisten.
UND ANGEBLICH AUCH DIE GRÜNEN !?
Die Akteur*innen in dieser Koalition machen keinen Hehl daraus, dass bei dieser "Mission" (was für eine Schande, dieses Wort im Zusammenhang mit einem militärischen Einsatz zu benutzen!) die Verteidigung wirtschaftlicher Interessen für die Exportnation und Industrieland Deutschland im vordergrund steht. Skandalös ist die Forderung von Wolfgang Ischinger, die Bundeswehr als Schutzmacht deutscher Unternehmen einzusetzen!
Diese Forderung ist nicht nur unverantwortlich, sondern auch verfassungswidrig, denn die Bundeswehr darf laut Art. 87a GG außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden, wenn das GG es ausdrücklich zuläßt. Wo steht es im GG, dass die Bundeswehr für eine funktionierende Handelsschifffahrt außerhalb des europäischen Kontinents Verantwortung trägt bzw. diese Handelswege schützen darf?!
Uns wurde während der EU-Wahlkampagne ständig an das Friedensprojekt Europa erinnert und daran appelliert, dieses Friedensprojekt mit unserer Stimme zu stärken bzw. zu retten!
Was momentan passiert, hat nichts mit Friedenpolitik oder Deeskalation in einem Krisenfall zu tun, sondern was da zu hören und zu lesen ist, ist Kriegstreiberei!
DAMIT BIN ICH NICHT EINVERSTANDEN !
Daher frage ich Sie, ob Sie mir versichern können, dass Sie alles in Ihrer Macht tun werden, diesen Wahnsinn zu stoppen und dass Sie ggf. GEGEN einen Einsatz der Bundeswehr am persischen Golf stimmen werden?
Mit freundlichen Grüßen

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau P.,

vielen Dank für Ihre Frage. Es war ein diplomatisch falscher und sicherheitspolitisch gefährlicher Schritt von US-Präsident Donald Trump das Atomabkommen mit dem Iran aufzukündigen. Nachdem die US-Regierung ihre Sanktionen verstärkt hat, hält sich auch der Iran nicht mehr an diese wichtige Vereinbarung. Damit droht eine weiter Eskalationsspirale, die unbedingt verhindert werden muss. Ohne Frage trägt die iranische Politik zu einer Destabilisierung in der Region bei und die feindselige Rhetorik gegenüber Israel und das voranschreitende Raketenprogramm sind Grund zur Sorge und müssen scharf verurteilt werden. Trotzdem ist das Atomabkommen mit dem Iran (JCPOA) ein zentrales Instrument für die Sicherheit in der Region, das unbedingt erhalten werden muss. Dafür muss die Europäische Union auch ihre Versprechen gegenüber dem Iran einhalten und weiterhin Druck auf die iranische und US-amerikanische Regierung ausüben.

Die Bundesregierung und die EU müssen sich viel stärker und mit konkreten Maßnahmen und Vorschlägen für dieses Abkommen einsetzen. Vor allem Außenminister Heiko Maas hat hier bisher viel zu zögerlich agiert. Ein schnelles Vorgehen gemeinsam mit Russland und China beim Finanzinstrument Instex hätte beispielsweise dafür gesorgt, dass die US-amerikanischen Sanktionen nicht die jetzige Wucht hätten entfalten können und die ursprünglichen Zusagen zumindest besser eingehalten worden wären, so dass es die Eskalation möglicherweise verhindert oder gebremst hätte. Gleichzeitig haben Russland und China als Veto-Mächte im Sicherheitsrat und als Mitglieder der E3+3 (Großbritannien, USA, China, Frankreich, Deutschland und Russland) eine besondere Verantwortung dafür, mäßigend auf die Hardliner auf allen Seiten einzuwirken und den freien und sicheren Seeverkehr zu ermöglichen. Es ist höchst fahrlässig, dass ein gemeinsames Vorgehen im Auftrag der Vereinten Nationen auch an ihnen scheitert. Auch von Außenminister Heiko Maas war in dieser Frage kaum ein Engagement zu beobachten und das, obwohl Deutschland gerade als nicht-ständiges Mitglied einen Sitz im UN-Sicherheitsrat innehat.

Mit Blick auf diese Spannungen in der Straße von Hormus und die Bedeutung der freien Seefahrt braucht es vor allen Dingen eine breit angelegte deutsche und europäische Diplomatie, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Eine Koalition der Willigen unter US-Führung, wie sie derzeit diskutiert wird, kann kein Beitrag zur Entspannung der Lage sein und würde auch jede Vermittlerrolle im Streit um das Atomabkommen unmöglich machen. Eine Beteiligung der Bundeswehr daran lehnen wir Grüne deshalb klar ab. Derzeit liegt kein Antrag der Bundesregierung auf ein Mandat für eine Marinemission vor. Natürlich prüfe ich wie meine Kolleginnen und Kollegen jedes Mandat für Auslandseinsätze sehr sorgfältig und kritisch und achte besonders auf eine feste rechtliche und völkerrechtliche Grundlage. Eine internationale Schutzmission, die deeskalierend auf die Situation wirken wollte, müsste im Rahmen der Europäischen Union stattfinden und sich auch auf ein Mandat des UN-Sicherheitsrates berufen. Denn nur mit den richtigen politischen Rahmenbedingungen könnte so auch ein Beitrag zu Deeskalation geliefert werden.

Der Fokus auf mögliche Marinemissionen lenkt leider in der derzeitigen Debatte davon ab, dass die Bundesregierung eine Reihe von diplomatischen Optionen noch nicht ausreichend ausschöpft. So muss Deutschland als derzeitiges nicht-ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat alle Wege für eine diplomatische Lösung unterstützen und die Eskalation an der Straße von Hormus auch dort auf die Tagesordnung setzen.

Freundliche Grüße
Agnieszka Brugger

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